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b) Liebesschlösser – Individualität in der Öffentlichkeit

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„Schlösser der Liebe“ – so betitelt ein „Bilderbuch Köln“ die Aufnahme eines Brückengeländers der Hohenzollernbrücke. An dessen Stahlkonstruktion hängen Menschen seit wenigen Jahren mehr und mehr dieser bemalten oder bedruckten Vorhängeschlösser auf. Auch in anderen deutschen Städten ahmen junge und alte Leute diese Liebesschloss-Installationen nach. Umfassender: Ebenso wie „Wikipedia“ die Liebesschlösser mit einem eigenen Artikel bedachte75, entwickeln sie sich inzwischen zu einem weltweiten Phänomen.

Der wahrscheinliche Ausgangspunkt des Liebesschloss-Brauches liegt in Italien. Vor einigen Jahren hatten Absolventen der Sanitätsakademie von Florenz nach absolvierter Kadettenzeit und zum Zeichen neu gewonnener Freiheit ihre Spindschlösser an der Milvischen Brücke in Rom befestigt und die dazugehörigen Schlüssel in den Tiber geworfen. Ortsansässige Liebespaare griffen dieses Ritual auf, um so ihre Partnerschaft öffentlich zu inszenieren. Am Brückengeländer befestigten sie das Vorhängeschloss, auf dem sie ihre beiden Namen oder ihre beiden Initialen eingeritzt oder eingraviert hatten. Im Anschluss warfen sie den Schlüssel zum Zeichen ewiger Treue in den Fluss. Dabei versprachen sie sich gegenseitig: „per sempre“ – „für immer“.

Ohne Frage gelangte der Brauch durch den Bestsellerroman Drei Meter über dem Himmel (Original: Tre metri sopra il cielo) und durch die Fortsetzung Ich steh auf Dich (Original: Ho voglia di te) von Frederico Moccia nebst den jeweiligen Verfilmungen zum internationalen Durchbruch. Riga, Vilnius oder Kaliningrad heißen die betreffenden Orte, wo Menschen täglich Vorhängeschloss-Installationen passieren und damit zu stummen Begleiterinnen und Begleitern von „initials“ oder namentlich benannten Liebesgeschichten werden. Bis hin nach China und Sibirien sind solche „En-passant-Denkmale“ mittlerweile bezeugt.

Viele Liebesschloss-Installationen befinden sich an religiös eingebundenen Orten, ohne dass diese Verbindung für moderne Menschen immer sofort erkennbar ist. Inwieweit hat es für die Liebenden mit ihren Schlössern beispielsweise eine Bedeutung, dass in Köln die Hohenzollernbrücke direkt auf die Mittelachse des Doms hin ausgerichtet ist? Verstehen sie intuitiv die Botschaft der Brückenbauer, die mit der Hohenzollernbrücke gewissermaßen eine „Verlängerung“ des Kölner Doms über den Rhein erreichen wollten? Jedenfalls verfügte die Erinnerungsgemeinschaft der mobilen Zeugen für die Schlösser vor diesem Hintergrund sogar über eine bis in die Antike zurückreichende sinnstiftende Dimension. Zuletzt wurde diese Perspektive beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2007 aktualisiert, als man die Bögen der Hohenzollernbrücke vorübergehend durch rote Tücher verkleidete, sodass die Brücke wie ein stilisierter Fisch wirkte – das Symbol der antiken Christen.

Vom Jakobsweg zum Tierfriedhof

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