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Ausnahmegesetze haben eine gemeinsame Signatur
ОглавлениеAusnahmezustände sind in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht neu. Trotz recht unterschiedlicher Anlässe haben sie eine gemeinsame Handschrift und helfen wilde Spekulationen darüber einzudämmen, was alles davon bleibt, selbst wenn sich niemand mehr an den eigentlichen Anlass erinnert.
Wir werden in der Folge sehen, dass alle Anlässe zu der jeweiligen Zeit sehr viele Menschen in Angst und Schrecken versetzen konnten. Je mehr Menschen diesen Angstzustand teilen, je eher sind sie bereit, die zu ihrem angeblichen Schutz notwendigen Maßnahmen zu akzeptieren. In der jeweiligen von Angst geprägten Situation ist es immer schwer, kühlen Kopf zu bewahren, ganz ruhig und umsichtig die Frage zu beantworten, ob die Maßnahmen »angemessen« sind, ob das Versprechen, uns zu helfen, zu beschützen, gehalten oder gebrochen wurde.
Es ist daher hilfreich, wenn man auf die verschiedenen Ausnahmezustände zurückblickt. In der Regel hat man retroperspektiv weitaus mehr Informationen darüber, was einem im Zustand des Schreckens verborgen geblieben ist. Und ein Zweites ist ganz wichtig: Rückblickend kann man sehr sicher sagen und beurteilen, ob die Maßnahmen tatsächlich der Gefahrenlage galten oder ob diese vor allem dazu genutzt wurden, bestimmte Ziele zu verfolgen, die mit dem Anlass nichts zu tun hatten.
Für die Einschätzung, wohin Ausnahmezustände führen (können), ist keine Fantasie gefragt. Auch Zukunftsforscher sind hier überflüssig. Ein Blick zurück genügt: Die Weimarer Republik (1918−1933) kann man mit Fug und Recht als Kornkammer von Not(stands-)verordnungen bezeichnen. Dort lässt sich in allen Nuancen und Facetten studieren, worauf sie zusteuern: Ausnahmezustände schützen nicht die Demokratie, sondern ebnen den Weg dafür, sie ganz »legal« abzuschaffen.
Anhand der zahlreichen Ausnahmezustände, die auch Nachkriegsdeutschland prägten und prägen, lassen sich ganz wichtige Frage klären:
Sind die Anlässe, die eine Bedrohungslage skizzieren, echt? Braucht man für die Bedrohungslage solche Ausnahmezustände?
Zielen die Maßnahmen, die im Ausnahmezustand getroffen wurden, auf den Anlass oder was geht weit darüber hinaus?
Wem nutzen die Ausnahmezustände? Liegt der Nutzen (alleine) in der Hand derer, die ihn verhängen?