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Die Weimarer Verfassung und der Krieg der Regierungen gegen sie

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Die Weimarer Verfassung von 1919 war nicht nur dem verlorenen Ersten Weltkrieg geschuldet. Sie wurde auch unter dem Eindruck verfasst, dass viele nicht nur des Krieges, sondern auch der obrigkeitshörigen, kaiserlichen Ordnung überdrüssig waren. Der Versuch, eine Räterepublik 1918/19 durchzusetzen, war der politischen Klasse durchaus eine Warnung. Das führte zu einer bürgerlichen Verfassung, die Grund- und Freiheitsrechte festschrieb und garantierte, die man vorher nicht kannte.

Dass deutschnationale und bürgerliche Parteien sozialistische Ideen oder gar eine kommunistische Partei bekämpften, gehörte zum Grundton dieser politischen Klasse, die »nur« den Krieg verloren hatte, nicht jedoch die Macht. Doch sie hatte noch einen Feind, einen Feind unter ihren Füßen – wenn man das Bild »Wir stehen auf dem Boden der Verfassung« ernst nähme. Jene, die im Namen der Verfassung weiter die Geschicke des Landes lenken und führen wollten, hassten diese Verfassung genauso wie den Kommunismus. Sie taten von Anfang an alles, um sie auszuhöhlen, um sie unwirksam zu machen.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Einhaltung dieser Verfassung allen deutschnationalen bis bürgerlichen Parteien ein Gräuel war, eine Zumutung. Wenn man die kurze Zeit der Weimarer Republik Revue passieren lässt, dann bestand sie aus einer Kette von Unternehmungen, um die Verfassung Stück für Stück außer Kraft zu setzen.

Rudolf Hilferding, Publizist und zweimaliger Reichsminister der Finanzen, sah den »Staatsstreich von innen« bereits am 28. März 1930 in der Frankfurter Zeitung voraus: »Nimmt man hinzu, dass die Lähmung des Parlaments von sehr starken Gruppen direkt gewünscht und gefördert wird, so wird man verstehen, dass die eigentliche Gefahr für die Zukunft des deutschen Parlamentarismus nicht von außen, nicht von einem gewaltsamen Putsch her droht, sondern von innen her.«

Diese Klarstellung ist deshalb so wichtig, weil bis heute die Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik lautet, sie sei zwischen Links- und Rechtsradikalismus zerrieben worden. Das ist das Hauptschlagwerkzeug der Totalitarismustheorie und nicht viel mehr als eine andere Form der Kriegsgräberfürsorge. Wer das Zusammenspiel von deutschnationalen und bürgerlichen Parteien mit der NSDAP hier dokumentiert sieht, der versteht, dass die Selbstaufgabe der bürgerlichen Demokratie bis heute ein totgeschwiegenes Faktum ist. Denn ohne deren aktive Beihilfe wäre die NSDAP nie so kinderleicht an die Macht geführt worden.

Nicht der Links- und Rechtsextremismus hat die bürgerliche Demokratie unter sich begraben, sondern insbesondere das Instrument der Ermächtigungsgesetze, das die Weimarer Verfassung buchstäblich ins Koma versetzte.

Verfassungstheoretisch haben Ermächtigungsgesetze klare Grenzen: Sie dürfen bestehendes Recht, die bestehende Verfassung nicht verletzen. Sie können Machtkompetenzen verschieben, in aller Regel zugunsten der Exekutive, also der Regierung (und zulasten des Parlaments), ohne dabei die verfassungsmäßigen Rechte anzutasten. Tatsächlich wurden jedoch Grundrechte massiv eingeschränkt bzw. suspendiert. Somit hatten sie »verfassungsändernden Charakter«, obgleich die Verfassung formal unangetastet blieb. Für Ernst Rudolf Huber, Verfassungsrechtler, Republikfeind und Schüler von Carl Schmitt, waren dies »verschwiegene Verfassungsumgehungen«.

Und davon gab es viele: »Von 1919 bis 1925 kamen etwa 420 ›gesetzvertretende Verordnungen‹ zustande, deren Grundlage die Ermächtigungen seit 1914 waren. Sie hatten größten Einfluss auf die ›Sozial-, Wirtschafts-, Finanz- und Justiz-Verfassung‹, von der Errichtung der Deutschen Rentenbank über Betriebsstilllegungen bis zur Schaffung der Reichsbahn und der Steuergesetzgebung.« 24

Dass genau jener Staatsrechtler wenig später – zusammen mit Carl Schmitt – zum Kronjuristen des Dritten Reiches avancierte und die Diktatur staatsrechtlich rechtfertigte, gehört zur Ironie der Geschichte.

Dass auch die SPD an den Ermächtigungen während der Weimarer Republik beteiligt war, entbehrt nicht einer selbstmörderischen Logik. Sie stimmte zahlreichen »Notverordnungen« und »Ermächtigungsgesetzen« zu, in dem wahnhaften Glauben, mithilfe der Außerkraftsetzung der Verfassung die Demokratie zu retten, um noch Schlimmeres zu verhindern. Das führte der SPD-Abgeordnete Breitscheid 1923 auf verblüffend offene Weise so aus: »Wir sind bereit, der gegenwärtigen Regierung außerordentliche Vollmachten zu bewilligen, weil wir darin das Mittel erblicken, einer illegalen Diktatur vorzubeugen.« 25

Fast im selben Atemzug behauptete er, »für die Erhaltung einer starken Demokratie« zu sein, um zwei Atemzüge später dem Verlangen Stresemanns nach einem Ermächtigungsgesetz zuzustimmen.

Dieses Ermächtigungsgesetz legte nicht nur ganz viel Macht in die Hände der Exekutive (also der Reichsregierung). Es sah auch vor, dass »von den Grundrechten der Reichsverfassung abgewichen werden« konnte.26

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