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Wolf Wetzel: Die endlose Geschichte der Ausnahmezustände (in Deutschland)
ОглавлениеDer (drohende) Gesundheitsnotstand, der ausgerufene Corona-Ausnahmezustand seit März 2020 kostet nicht nur Menschenleben, sondern auch Nerven, Freundschaften und Erkenntnisdrang. Wer glaubte, dass das eben nur ein Gewitter ist, also auch wieder (schnell) vorbeizieht, hat sich getäuscht. Der ersten (Pandemie-)Welle folgt die nächste, und – mit dem starren, angstgewaideten Blick auf die nächste Welle – wird das, was zuvor »nur« Verordnungen waren, in ein Gesetz implantiert: man kann auch sagen, niet- und nagelfest gemacht. Das 3. Gesetz zum Infektionsschutzgesetz wurde am 18. November 2020 im Bundestag verabschiedet, mit den Stimmen der Großen Koalition (CSU/CDU und SPD). Die Partei DIE LINKE stimmte dieses Mal dagegen. Die Begründung war ziemlich lau: Man müsse bei derart massiven Grundrechtseinschränkungen das Parlament miteinbeziehen bzw. die legislative Macht des Parlamentes zurückholen.
Aber was ändert sich an den massiven Grundrechtseinschränkungen, wenn der Bundestag diese mehrheitlich absegnet? Geht es nicht darum, zumal als Linke, Grundrechtseinschränkungen zu widersprechen, die erkennbar und nachweislich nicht der Gesundheit dienen und hochgradig wenig mit medizinischer Evidenz zu tun haben?
Wenn man das so – unausgeführt und grob – dahin schreibt, spürt man das Schnaufen und Stöhnen im Nacken. Aber es kommt noch schlimmer: Auf Demonstrationen der Querdenker*innen tauchte immer wieder einmal der Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 auf. Die Reaktionen von rechts bis links waren staatstragend und von extrem dünner Substanz.
Dann hat auch die AfD diesen Vergleich in den Bundestag eingeschleust und am Tag der Abstimmung mit Schildern auf die Bildschirme gebracht. Daraufhin war es ganz aus – mit einer ruhigen Betrachtung. Jetzt ging es nicht mehr um den Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1933, sondern um die AfD. Plötzlich waren alle Antifaschist*innen.
Selbstverständlich ist es heuchlerisch, wenn sich die AfD zur Schutzpatronin der Rechtlosen aufschwingt. Darüber kann und muss man sich aufregen, kurz, um genug Luft für die Frage zu holen: Warum lässt sich die Linke den Kampf um Grund- und Schutzrechte aus der Hand nehmen? Warum führt sie nicht die Debatten, den Widerspruch an? Dazu gehören auch Vergleiche. Erst dann kann man erklären und begründen, was an diesem Vergleich unangemessen ist, was an einem Vergleich erkenntnisreich ist, um endlich die Sprachlosigkeit zu beenden, die die Linke zurzeit auszeichnet.