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2001 - Oase von Zarifa - Die Wirkung der Wahrheit

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Drei Tage nach dem Aufbruch der Amerikaner wachte Sedat auf.

Der Arzt hatte sie schon informiert, dass er die kritische Phase hinter sich hatte und auf jeden Fall überleben würde. Aber er hatte Bedenken geäußert über den weiteren Zustand, vermutlich würde er für immer gelähmt bleiben.

Hanif hatte sich vor diesem Moment gefürchtet, war aber auch erleichtert, dass Sedat zumindest nicht durch seine Schuld gestorben war. Und das mit der Lähmung glaubte er erst, wenn er es sah, schließlich war niemand so hart im Nehmen wie der alte Scheich.

Ein Mann brachte ihm die Nachricht, er solle sofort zu ihm kommen.

Dass Sedat vor allen anderen zuerst ihn sehen wollte, war ihm recht, so konnte er es wenigstens schnell hinter sich bringen.

Sie hatten eine kleine Hütte aus Palmenholz mit einem Dach aus Palmenblättern gebaut, um ihn vor der Hitze und den Fliegen schützen zu können. Tücher hingen vor allen Öffnungen.

Hanif zog den Vorhang beiseite und trat ein.

Sein Herr war sehr blass und sah eingefallen aus, aber er brachte ein dünnes Lächeln zustande, als Hanif an sein Lager trat. Verlegen trat er von einem Bein aufs andere. „Setz dich“, forderte Sedat ihn auf. „Es tut mir schrecklich leid! Ich wollte doch nicht …“, platzte Hanif heraus, als er auf den Kissen neben Sedat auf dem Boden saß.

„Ich weiß“, antwortete der alte Mann beruhigend, „und doch … weißt du, dass ich nie wieder ein Pferd besteigen werde?“

Hanif schluckte, also stimmte das mit der Lähmung. Bei Allah - was hatte er getan!

„Hör zu, es gibt etwas, das ich dir sagen muss“, fuhr der Scheich fort. „Du warst in den letzten fünf Jahren wie ein Sohn für mich“, und wieder lächelte er dünn. Man konnte sehen, dass er noch immer starke Schmerzen hatte. „Darum hast du eine Erklärung verdient. Du hast dich gewundert, wieso ich Yasin Tanner so sehr vertraue.“ Bei der Erwähnung des Namens fuhr Hanif zusammen.

Der Scheich tat, als bemerke er es nicht: „Ich habe ihm versprochen, sein Geheimnis niemandem zu verraten, aber du hast, wie gesagt, eine Erklärung verdient: Yasin Tanner ist nicht sein richtiger Name. Sein Name ist Rayan Suekran – und er ist mein Sohn. Viele Jahre lang hatte ich gedacht, er wäre von uns gegangen, doch das war lediglich eine List seiner Großmutter. Erst vor wenigen Tagen habe ich erfahren, dass er noch lebt und ich danke Allah für diese zweite Chance!"

Hanif meinte, nicht richtig gehört zu haben. Nicht nur, dass sein Sohn - der ihn verraten hatte! - nicht tot war, nein er hatte auch noch die Dreistigkeit hier herumzustolzieren, als gehöre ihm die Welt. Und noch schlimmer: Der Scheich fand das eine ausreichende Begründung, um ihm zu trauen? Was hielt ihn davon ab, ihn ein zweites Mal zu verraten?

Hanif war sprachlos. Sein schlechtes Gewissen wegen des Mordversuchs war nun völlig verschwunden. Er hätte beinahe einen Verräter erledigt! Auf Verrat stand der Tod – er hatte also richtig gehandelt. Einen Verräter zu töten - darauf stand in anderen Stämmen ein hübsches Sümmchen. Was also war hier anders?

Während Hanif noch seinen Gedanken nachhing, öffnete sich der Vorhang und herein kam ER. Wenn man vom Teufel spricht …, dachte sich Hanif noch.

Der Scheich lächelte ihn an. „Rayan - komm doch herein, wir haben gerade von dir gesprochen“, sagte er freundlich.

Das Gesicht von Rayan spannte sich bei der Nennung seines richtigen Namens an. „Du hast ihm doch hoffentlich nichts erzählt?!“, fragte er atemlos.

„Verzeih mir, mein Junge, aber Hanif ist mir treu ergeben, er verdient eine Erklärung“, erwiderte der alte Mann.

„Das hättest du nicht tun sollen. Du hast unsere Vereinbarung gebrochen!“ Rayans Stimme war schneidend geworden, was den Scheich tief zu treffen schien. Er hatte auf Verständnis gehofft.

Da hielt es Hanif nicht mehr aus: „Was bildest du dir eigentlich ein, mit ihm in einem solchen Tonfall zu reden? Wer glaubst du, dass du bist? Der heimgekehrte Prinz, der das Volk erlöst hat? Nein mein Freund! Du bist ein dreckiger Verräter und als solchen werden wir dich auch behandeln. Barbar! Und du hast es gewagt über Yusuf zu richten? Warum schneidest du dir eigentlich nicht selbst die Kehle durch? Das würde uns Arbeit sparen!“ Er hatte sich so in Rage geredet, dass er erst jetzt merkte, dass sich die Hand des Scheichs in seinen Arm gekrallt hatte.

„Sei still, rede nicht so“, brachte der Alte mit Mühe hervor. Hanif erschrak, als er ihn ansah. Sein ohnehin blasses Gesicht war aschfahl geworden, sein Atem ging stoßweise.

Davon bemerkte Rayan nichts. Auch er hatte während der harten Worte die Gesichtsfarbe gewechselt, zunächst waren seine Wangen tiefrot geworden, danach vor Wut kalkweiß, seine Lippen blutleer. Einen Moment sah er aus, als wollte er sich auf Hanif stürzen, dann jedoch sagte er steif: „Ich möchte euren vertraulichen Plausch nicht länger stören.“ Damit drehte er sich um und stürmte hinaus.

Der Scheich schien jetzt heftige Schmerzen zu haben und Hanif rief nach dem Doktor, der auch gleich herbeigeeilt kam und dem Verletzten eine Spritze gab. „Sie müssen jetzt gehen, Sie regen ihn zu sehr auf.“

Doch Sedat hielt Hanif noch einen Moment auf: „Ich habe Rayan gebeten, dich in Ruhe zu lassen. Das hat er mir versprochen. Ich möchte, dass du mir das Gleiche versprichst.“

„Ok“, knirschte Hanif. Was hätte er unter diesen Umständen auch anderes tun sollen?

„Das ist gut. Und noch etwas: du kennst die Gesetze der Wüste, nach denen wir leben … du hast versucht hinterrücks ein Leben zu nehmen und hast einen deiner Kameraden – mich! - dadurch schwer verletzt. Es liegt also an mir, zu entscheiden, was deine Strafe dafür sein wird.“ Dann schloss er die Augen und schlief augenblicklich unter der Wirkung des Medikaments ein.

Hanif erschrak. So hatte er die Situation noch gar nicht betrachtet. Der Scheich hatte recht. Hanif kannte und respektierte die Gesetze. Was auch immer Sedat für ihn ersinnen würde, er würde dieser Forderung Folge leisten müssen.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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