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2014 - Tal von Zarifa - Kampftraining

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Rayan schnallte sich während des Gehens seine Lederarmbänder an und befestigte die beiden Dolche. Das war sein übliches Trainingsoutfit.

Normalerweise war er immer der Erste. Er liebte es bei Sonnenaufgang aufzustehen, meist sogar noch etwas früher. Dann ging er, ohne zu frühstücken, auf den Trainingsplatz und begann mit seinen Übungen. Bis die anderen Männer eintrafen, war er bereits mit seinen Einzelübungen fertig. Nur wenn er auf Reisen war, nahm er nicht am morgendlichen Kampftraining teil.

Einerseits brauchte er die körperliche Bewegung, weiterhin wollte er so fit und in Form wie möglich bleiben und drittens wollte er immer, wenn er da war, auch ein Auge auf die Fortschritte der Kampftechniken seiner Männer machen.

Als er 2001 nach dem großen Kampf das Training der Männer übernommen hatte, waren sie alle höchstens mittelmäßig.

Ruhi hatte sie so gut er konnte ausgebildet, aber er kannte lediglich alte Gewehre und Säbel. Rayan hatte mit seinen Beziehungen eine erstklassige Bewaffnung organisiert, was es leichter machte, für jeden der Männer individuell die am besten geeignete Waffe zu finden.

So hatte Hanif sein Scharfschützengewehr, denn er konnte unglaublich gut schießen und er selbst hatte die Begabung für seine Präzisionsmesser und sein japanisches Schwert.

Außerdem musste jeder der Männer am Nahkampftraining teilnehmen, ob er wollte oder nicht. Dies hatte Ruhi vorher überhaupt nicht betrieben.

Diejenigen der Männer, die sich am geeignetsten für den Nahkampf herausstellten, nahm er gerne als seine Leibwächter an, wie Jassim. Die Männer empfanden es als besondere Ehre, das Leben ihres Scheichs schützen zu dürfen.

Bedauernd dachte er wieder einen Moment an Ibrahim, den er damals in seiner Zeit bei den Rebellen als wahren Freund gewonnen hatte. Er hatte befürchtet, sein Vater hätte ihn und die anderen töten lassen, doch nach der Vernichtung der Rebellenstadt, hatte sein Vater mit Ibrahim und den anderen Anführern einen Vertrag ausgehandelt und einige der Familien kehrten sogar ins große Tal von Zarifa zurück. Unter ihnen Ibrahim mit seiner damaligen Freundin und jetzigen Frau Sachra.

Rayan kam am Trainingsgelände an und musste diesen Gedankengang erst einmal auf die Seite schieben.

Denn so ziemlich alle Männer sahen sich nach ihm um. Die einen eher schüchtern, etwas verwundert, doch hatten sie zu großen Respekt vor ihm, um sich ihre Überraschung allzu deutlich anmerken zu lassen und wandten sich daher gleich wieder ihren Übungen zu.

Die anderen, allen voran Hanif und Jassim gaben sich wenig Mühe, ihr breites Grinsen zu verbergen.

Offenbar kannten, oder ahnten sie zumindest den Grund seiner Verspätung.

Er fühlte sich gereizt, da ihm diese offensichtlichen Gedankengänge seiner Männer doch etwas peinlich waren.

Der alte Ruhi erfasste als Erstes die Stimmung ihres Scheichs und blaffte zwei der in der Nähe stehenden Männer an: „Was glotzt ihr hier so rum? Seid ihr etwa schon fertig?“ Woraufhin sich auch der Rest schleunigst wieder an seine Trainingseinheiten machte.

Ruhi war inzwischen völlig ergraut und lief meistens nicht mehr ganz so gut wie früher, seine Gelenke bereiteten ihm einige Schwierigkeiten. Ab und zu, wenn er wollte oder auch musste, konnte er aber noch immer schnell genug sein, um dem einen oder anderen Grünschnabel eine Lektion zu erteilen.

Jetzt warf er Rayan einen der langen Holzstöcke zu, mit denen sie gerade trainierten, den dieser geschickt auffing. „Jassim hier hat offenbar Langeweile und braucht eine kleine Abreibung. Los Junge, zeig ihm, wo der Hammer hängt!“

„Junge“ bezog sich auf Rayan und außer Ruhi hätte es besser keiner der Männer gewagt, ihn so anzusprechen. Doch nachdem Ruhi Rayan bereits als etwa vier- oder fünfjähriges Kind seine ersten einfachen Übungen beigebracht und ihn auch trainiert hatte, bis er als knapp Vierzehnjähriger aus Zarifa weglief, vergaß er manchmal, dass seitdem mehr als fünfundzwanzig Jahre vergangen waren und sich die äußeren Umstände deutlich verändert hatten.

Jassim war neben Rayan der mit Abstand beste Kämpfer und so teilte Ruhi sie meistens gegeneinander ein.

Kurz bevor sie begannen, setzte Ruhi noch halblaut, sodass ihn nur die Männer im direkten Umkreis hören könnten, hinzu: „Jassim, heute hast du echte Chancen, unser aller Scheich ist sicher nicht ausgeschlafen.“ Und lachte fröhlich.

Wieder so eine Unverschämtheit, die sich nur Ruhi erlauben konnte. Außerdem war sein Timing perfekt gewesen, denn bevor Rayan überhaupt nachdenken konnte, wie er Ruhi zur Rechenschaft ziehen sollte, traf ihn schon der erste Schlag seitens Jassim und so konzentrierte er sich auf den Kampf.

Schon nach zwanzig Minuten stellte Rayan fest, dass er heute offenbar wirklich nicht in der besten Verfassung war, denn Jassim gelang es mehrfach, durch seine Deckung zu brechen und bevor er größere Blessuren davon zog, gab er das Training für heute auf.

Stattdessen ging er zusammen mit Hanif die Reihen der Männer ab, um zu sehen, wie sie sich anstellten.

Anschließend zog er sich in eine Ecke des Trainingsplatzes zurück und begann mit seinen Konzentrations- und Dehnungsübungen, die er sonst als Erstes machte. Er war dabei so fokussiert, dass er die Umwelt um sich herum vergaß. Und daher entging ihm, dass einige der Männer innegehalten hatten, um ihn zu beobachten. Da er diese Übungen sonst noch vor Eintreffen der Männer durchführte, kannten sie diese Prozedur nicht.

Ruhi ließ sie gewähren, denn ihm war bewusst, wie wichtig es war, dass die Männer stets Respekt vor ihm hatten. Da half es, wenn sie ab und zu sehen konnten, wie gut ausgebildet ihr Herr war und dass er sich durchaus selbst gegen eine Übermacht an Männern behaupten konnte.

Der übliche Fehler vieler Feinde des Scheichs war es, zu glauben, er wäre ein Mann, der sich hinter Leibwächtern verschanzen musste, die für ihn kämpften, weil er selbst zu schwach dafür war.

Das Gegenteil war der Fall!

Rayan war es gewesen, der sie kampftechnisch aufgerüttelt und fit gemacht hatte. Er und seine beiden Freunde Cho und Hummer, die als einzige Fremde immer wieder einmal zu Besuch nach Zarifa kamen. Diese Besuche wurden dann zum intensiven Training mit den beiden genutzt.

Der Scheich liebte es, genau diese Meinung außerhalb von Zarifa zu schüren, denn grundsätzlich war es seiner Meinung nach ein Vorteil, wenn ihn die Außenwelt unterschätzte. Umso größer war dann der Überraschungseffekt, wenn er doch einmal selbst kämpfte. In vielen Kämpfen war es gerade dieser Überraschungsmoment, der den Ausschlag brachte.

Darum war es auch eines der größten Geheimnisse von Zarifa und bei Todesstrafe verboten, Informationen über Waffen, Ausbildung, Fitness oder gar Anzahl der Krieger an Dritte weiterzugeben.

Bis auf wenige Ausnahmen funktionierte diese Taktik hervorragend und war einer der Gründe, warum es über die Männer von Scheich Suekran al Medina y Nayran immer wieder die wildesten Gerüchte und Geschichten gab und man ihnen in der Regel mit großem Respekt begegnete.

Ruhi vermutete, dass Rayan sogar einige der haarsträubendsten Geschichten bewusst streute. Das bewog viele Feinde, sich eventuelle Angriffe gut zu überlegen und viele zogen einen Kampf gar nicht erst in Erwägung.

Der große Kampf vor mittlerweile dreizehn Jahren, dessen Ausgang nach Meinung der ganzen Region von vorneherein festgestanden hatte und den Rayan ganz alleine herumgerissen und verändert hatte, sorgte dafür, dass Rayans Name berüchtigt und seine Männer gefürchtet waren. Man munkelte, dass der Ausgang des Kampfes zugunsten von Zarifa nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Wie könnte man sonst gegen so eine Übermacht gewinnen, ohne selbst große Verluste zu erleiden? Da musste der Anführer der Tarmanen schon mit irgendwelchen übersinnlichen Kräften im Bunde sein.

Hatte es nicht geheißen, dass der Sohn des Sedat vor Jahren gestorben war? Und plötzlich war er zur rechten Zeit wieder aufgetaucht. Es gab genügend Abergläubische, die man mit der einen oder anderen Geschichte leicht davon überzeugen konnte, dass hier überirdische Kräfte am Werk gewesen waren.

Zudem wussten wenige, dass er auch selbst einige der wichtigsten Kämpfe ausgefochten hatte, unter seinem amerikanischen Namen Yasin Tanner.

Außerhalb Zarifa wusste fast niemand, dass Yasin Tanner und Scheich Rayan Suekran die gleiche Person waren. Ein weiteres Geheimnis, welches erfolgreich gehütet wurde. Wobei das Verbergen dieser Tatsache auch nicht weiter schwer war, denn sobald der alte Scheich Sedat Suekran, Rayans Vater, die Menschen von Zarifa aufgeklärt hatte, war für sie der Name Yasin Tanner unwichtig geworden.

In Amerika hingegen, wo Rayan unter dem Namen Yasin Tanner auch heute noch erfolgreich agierte, interessierte sich niemand für die Kriege in einem kleinen Scheichtum mitten in der tiefen Wüste Rub‘ al Khali.

Und das sollte auch so bleiben – mochte die Autorin Carina Hartmann auch noch so hartnäckig sein, genau diese Tatsachen ans Licht zu bringen.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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