Читать книгу RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4) - Indira Jackson - Страница 120

2014 - Tal von Zarifa - Der Ausflug

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Am nächsten Morgen lud Rayan Carina beim Frühstück ein, mit ihm einen Ausflug zu machen. Er bat sie darum, auch Badekleidung anzuziehen, da sie dort, wo sie hingingen, schwimmen konnten. Carina kam der Bitte nur zu gerne nach, bei der Hitze war ihr jedes Bad willkommen. Dann brachen sie auf.

Sie war ein bisschen nervös, denn die unangenehme Situation gestern im Büro stand ihr noch klar vor Augen. Ein wenig hatte sie befürchtet, Rayan könnte wütend auf sie sein. Und nun wollte er auf einmal mit ihr alleine sein?

Der Ausflug war Julies Idee gewesen, die ihren Adoptivsohn gut genug kannte, dass er jetzt ein klein wenig Support gebrauchen konnte.

Sie informierte ihn, dass sie zusammen mit Tahsin dessen Ur-Großmutter Eleonora besuchen würde, bevor er nächste Woche in sein Internat in England zurückkehren würde.

Sie würden zwei Tage wegbleiben und vor übermorgen Abend nicht zurückkommen. Daoud nahmen die beiden auch mit, der zwar etwas maulte, weil er schließlich eben erst bei Großmutter Eleonora gewesen war und lieber bei seiner neuen Freundin Carina bleiben wollte. Er ließ sich dann jedoch überreden.

Beim Losreiten lächelte Julie Rayan zu, als wollte sie sagen: „Los jetzt, schnapp sie dir.“ Der verzog das Gesicht. Er war der Meinung, dass er sein Liebesleben alleine geregelt bekommen würde und zu alt für mütterliche Hilfe war. Doch er kannte Julie gut genug, dass er wusste, dass sie es nicht böse meinte. Tahsin freute sich auch bereits, vor seiner Abreise seine rüstige Urgroßmutter noch einmal zu sehen. Daher ritten die drei bald nach dem Frühstück davon. Ein wenig musste Rayan jetzt doch grinsen, auch wenn er dies Julie gegenüber nie zugeben würde.

Er führte Carina den Weg durch den hinteren Garten entlang zum Fuß der Felswand, dort, wo der Fluss aus etwa 30 Metern Höhe nach unten in ein Becken fiel und zeigte ihr einen kleinen, versteckten Pfad, der am Wasserfall entlang steil nach oben führte.

Mit keinem Wort erwähnte er ihren Wortwechsel vom Vortag.

Carina ihrerseits hatte ebenfalls kein Interesse dieses Thema anzuschneiden und fragte stattdessen nach Tahsins Schule.

Ausnahmsweise bekam sie eine direkte, ausführliche Antwort: Weil er viel in der Welt herumreiste, konnte er sich nicht selbst um Tahsin kümmern. Früher hatte Julie das getan. Doch seit sie vor vier Jahren nach dem Tod ihres Mannes Jack aus Amerika hierher gezogen war, ging Tahsin auf ein Internat in England. Es hieß Eston Castle und befand sich in der Nähe von Oxford. Daher kam Tahsin lediglich in den großen Ferien hierher.

Somit war endlich klar, wieso Rayans Sohn einen so starken amerikanischen Akzent hatte: Er war bei Julie in Amerika aufgewachsen.

Carinas nächste Frage nach Tahsins Mutter beantwortete Rayan dagegen nur mit knappen Worten: „Sie ist kurz nach Tahsins Geburt gestorben.“ Sein Tonfall verriet, dass er auf dieses Thema nicht weiter einzugehen wünschte. Seufzend fand sich Carina wieder einmal in einer Sackgasse.

Bevor sie ihren Gedanken weiter nachhängen konnte, wie sie mehr aus ihm herausbekommen würde, wurde sie abgelenkt: Sie stiegen die Passage hinauf, die teilweise aus einem Kiesweg, teilweise aus steinernen Stufen bestand, bis sie ganz oben waren und eine herrliche Aussicht über das gesamte Tal hatten.

Dort angekommen, befanden sie sich in einer kleinen Höhle, an deren hinterer Wand der Fluß aus dem Felsen trat und nach zwei Seiten hin abfloss. Nach Zarifa hinunter, aber auch in die entgegengesetzte Richtung, wo er irgendwo in den hinteren, fast unzugänglichen Bergen des Gebirgsmassivs verschwand.

Somit handelte es sich eigentlich weniger um eine Höhle, sondern eher um eine Art großer Torbogen. Mit einer Decke aus Fels, aber zu beiden Seiten hin offen.

Carina war begeistert von der Schönheit dieser Stelle. Trotz der Hitze draußen, herrschte hier eine angenehm kühle Atmosphäre.

In nördlicher Richtung konnte sie nicht nur das komplette Tal von Zarifa überblicken, sondern hatte auch einen grandiosen Ausblick über die Felskette hinweg. Ganz hinten konnte sie sogar an einigen Stellen das rötlich-gelbe Braun der Wüste ausmachen.

In der entgegengesetzten, südlichen Richtung erstreckte sich vor ihr die Wildheit des Gebirges mit seinen schroffen Felsen, aber auch Wäldern.

„Hier muss ich ein Foto machen- das ist wirklich einer der schönsten Orte, die ich je gesehen habe“, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie bereute, dass sie ihre Kamera nicht mitgenommen hatte.

Direkt zu ihren Füßen hatte das Wasser im Laufe der Zeit ein Becken gebildet, das etwa einen bis eineinhalb Meter tief war. Wo es über den Rand trat, suchten sich die beiden Läufe getrennt ihren Weg.

Der größte Teil folgte der Schwerkraft hinunter ins große Tal. Aber auch das kleinere Rinnsal hatte sich seinen Weg gegraben.

Um wieder ins Tal von Zarifa zu gelangen, hätten sie umkehren müssen. Stattdessen führte Rayan sie am Pool entlang und Carina konnte nun erst sehen, dass der Weg hier weiterging: dicht am anderen Wasserfall nach unten. Sie folgten diesem Pfad einige Minuten, der recht einfach zu laufen und nicht zu steil war.

Nachdem sie einige 20 Höhenmeter abgestiegen waren, kamen sie an eine Plattform, die durch das Wasser in zwei Hälften geteilt wurde. Am Ende der natürlichen Steinplatte fiel der Bach etwa acht Meter in die Tiefe.

Carina trat an den Abgrund heran und erkannte unten einen größeren Teich, in dem sich das Wasser sammelte, bevor es dann langsam seinen Weg in die Bergwelt fand.

Sie schauerte vor der Höhe, denn sie war nicht schwindelfrei.

Rayan, der vorher vor ihr gelaufen war, trat hinter sie. „Wunderschön nicht wahr? Als Kinder sind wir oft hierhergekommen, um zu baden. Wir sind dann immer von hier aus ins Wasser gesprungen.“

Carina schüttelte den Kopf. „Das könnte ich nie tun, es ist viel zu hoch! Ich habe Angst vor der Höhe.“

Er grinste breit. „Ach sieh an.“ Dann umfasste er sie blitzschnell von hinten mit beiden Armen und sprang mit ihr in die Tiefe. Carina schrie kurz auf, danach blieb ihr die Stimme vor Entsetzen weg.

Es war kein Spaß gewesen, wenn sie von ihrer Furcht vor Höhen sprach und der Flug durch die Luft nahm ihr den Atem.

Als sie unten gemeinsam ins kalte Wasser schlugen, war sie wie gelähmt, doch Rayan zog sie an die Oberfläche und in Richtung des Ufers.

Als sie am Rand angekommen waren, brach der Schreck des gerade Erlebten seine Bahn.

Panisch zog Carina sich aus dem Wasser und kroch einige Meter vom Wasser weg, wo sie nach Luft ringend liegen blieb. Sie erschauerte am ganzen Körper und dachte einen Moment lang, sie müsse ersticken.

Rayan kam ihr verwundert nach. Er beugte sich über sie, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Er hatte nicht gedacht, dass sie so hysterisch werden würde.

Auf einmal packte Carina heiße Wut. Ohne nachzudenken, trat sie ihm mit voller Kraft zwischen die Beine und knurrte ihn an: „Du verdammtes, arrogantes Arschloch.“

Rayan krümmte sich gepeinigt. Dieser Ausbruch kam völlig unerwartet, denn er hatte wieder einmal nicht mit der Wucht von Carinas Emotionen gerechnet.

Aufgrund der Schmerzen geriet er nun seinerseits in Rage.

Er packte die am Boden liegende mit einer Hand am Hals und würgte sie brutal, sodass sie tatsächlich keine Luft mehr bekam.

„Wag das noch einmal und du wirst es bereuen“, zischte er sie an.

Dann gab er sie frei und ohne sich nochmal umzusehen, ließ er sie hustend und nach Atem ringend auf dem Gras neben dem Teich zurück.

Er erklomm die Stufen hinauf zum Felsrücken und machte sich bald darauf an den Abstieg zurück hinunter ins Tal.

Carina war zu sehr geschockt, als dass sie hätte sagen können, was genau gerade passiert war.

Auf der einen Seite hatte sie einige Sekunden wirklich um ihr Leben gefürchtet, als er sie so plötzlich gepackt hatte. Andererseits hatte seine heftige Reaktion auf ihren Tritt sie verunsichert. Was fiel ihm eigentlich ein?

Sie blieb eine ganze Weile liegen und bewegte sich nicht. Ihr Hals schmerzte und ihre Gedanken rasten. Erst nach und nach wurde sie ruhiger, sodass sie in Ruhe über das Erlebte nachdenken konnte: Im Nachhinein betrachtet schalt sie sich als hysterisch, denn der Sprung war wirklich nur ein Scherz von ihm gewesen. Woher sollte er schließlich wissen, dass sie so ein Hasenfuß war? Sie, die bisher immer von sich behauptet hatte, vor nichts Angst zu haben.

Deshalb einen stolzen Mann wie ihm in seine besten Teile zu treten und so empfindlich wehzutun, war keine gute Idee gewesen. Andererseits hatte sie es nicht überlegt getan, sondern einfach ohne nachzudenken aus Instinkt gehandelt.

Wie würde er reagieren, wenn sie ihm nun über den Weg lief?

Würde er immer noch verärgert sein?

Sie beschloss, dass es besser war, sein Gemüt abkühlen zu lassen und blieb noch eine ganze Weile am Teich. Sie erfreute sich an dem schönen Fleck, genoss die Stille um sich herum und bewunderte das satte Grün der Natur. Erst etwa zwei Stunden später machte sie sich auf den Rückweg hinunter ins Tal und anschließend zurück in den Garten.

Rayans Wut auf Carina war verraucht, als er wieder im Tal war. Auch die Schmerzen in seinem Unterleib waren abgeklungen.

Er war nun wütend auf sich selbst. Es hatte ein Spaß sein sollen. Aber er hätte ihr besser zuhören müssen. Sie hatte ihm vorher noch gesagt, dass sie Angst hatte. Offenbar war sie dann einfach in Panik geraten.

Genau genommen war er sogar ein wenig stolz auf sie, dass sie so spontan und wild reagiert hatte. Das war es, was er an ihr so anziehend fand: Ihre Unberechenbarkeit und die Mühelosigkeit, mit der es ihr gelang, ihn immer wieder zu überraschen.

Aber er hatte sie erschreckt, brutal gewürgt und bedroht. Nicht gerade eine gute Ausgangslage, um ihre Beziehung auf eine bessere Basis zu stellen.

Was als netter, entspannter Ausflug geplant gewesen war, war als Desaster geendet und hatte alles nur noch schlimmer gemacht.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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