Читать книгу RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4) - Indira Jackson - Страница 113

2014 - Tal von Zarifa - Hausführung

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Rayan begann die Führung von der Terrasse aus in den vorderen Garten, den Weg entlang zu dem flachen Gebäude, das zur Linken lag. Es handelte sich um einen großen Pferdestall, der 40 helle, großzügig angelegte Boxen beinhaltete. Die meisten waren jedoch leer, weil sich die Pferde frei im Tal bewegten.

Trotzdem war Carina über die Stallung begeistert. Sie war auch zuhause in München oft geritten und konnte daher abschätzen, dass dieses Gebäude quasi ein Luxushotel für Pferde war.

Im Anschluss gingen sie den Kiesweg zurück zur Terrasse und wieder ins Haus hinein.

Wie Rayan gehofft hatte, war Ahmad inzwischen irgendwo im Haus verschwunden. Er führte Carina zunächst durch den Eingangsbereich in den Bereich des Hauses, der rechts hinter dem Wohnzimmer lag. Tahsin folgte ihnen.

Hinter einer schweren Holztür, die sich nur unwillig und knarrend öffnete, befand sich eine große Bibliothek. Der Raum hatte lediglich ein einziges, kleines Fenster, denn die Wände wurden alle von raumhohen Bücherregalen bedeckt. Sie ging einige Schritte hinein und ließ den Raum auf sich wirken. Wow! Dachte sie, hier eine Couch aufstellen und dann stundenlang nichts anderes tun als die verschiedenen Bücher anschauen und lesen. Das einzige Möbelstück im Raum war ein schwerer Schreibtisch, der in der Mitte des Raumes stand. Da die Tischplatte komplett leer war, wirkte der Raum unbenutzt. "Wie schade!", ging es Carina durch den Kopf.

Nachdem Rayan ihr nicht in den Raum gefolgt war, verließ sie den Raum nach kurzem Umsehen wieder, merkte sich aber vor, dass sie hier noch öfter herkommen musste, um die Auswahl an Büchern genauer in Augenschein zu nehmen.

Durchs Wohnzimmer zurück gingen sie anschließend die Steintreppe hinauf nach oben. Am Ende der Treppe bog Rayan zuerst nach rechts ab und führte sie an das Fenster, das sie vorher schon bemerkt hatte. Wie sie vermutet hatte, konnte sie auf den hinteren Garten hinuntersehen.

Sie erkannte einen großen Pool direkt am Haus, ein Stück weiter einen kleinen Teich, über den eine Holzbrücke führte und einen Pavillon direkt am Wasser.

Dazwischen liefen schmale Kieswege verschlungen durch den Garten, der sich bis zum Ende des Tales zog und durch die steile Felswand mit dem Wasserfall begrenzt wurde. Insgesamt war der Garten nicht übermäßig groß, doch die liebevoll angelegten Beete mit Blumen und Büschen und einer Vielzahl an bunten Farben waren beeindruckend.

Ein Gärtner arbeitete in einem der Beete.

Rayan wies auf die Tür zu ihrer Linken: „Hier ist mein Büro.“ Und sofort war Carina neugierig, doch dieses Gefühl wurde nicht gestillt, weil er die Türe nicht öffnete. Enttäuscht drehte sie sich vom Fenster weg und ging die wenigen Schritte zurück auf den Quergang. Genauso wie vorher verfuhr Rayan mit der nächsten Türe, die zum Eckzimmer führte, wo er bemerkte „hinter dieser Tür ist mein Schlafzimmer“, sie jedoch ebenfalls nicht öffnete. Etwas gehässig dachte Carina: „Tolle Hausführung, wenn er nur jede zweite Türe aufmacht.“ Aber sie wusste, dass sie unfair war. Zuhause hätte sie auch nicht unbedingt gewollt, dass Gäste in ihr Schlafzimmer latschten.

Er zeigte ihr ein Badezimmer, das zu seinem Zimmer zu gehören schien und das farblich ganz anders als ihr eigenes war: eher in grauen und schwarzen Tönen gehalten war. Carina präferierte die Farben in ihrem Zimmer, weil die dunklen Töne einen kalten Eindruck vermittelten, doch konnte sich Carina der Eleganz des Zimmers trotzdem nicht entziehen und sie wurde umso neugieriger, wie es wohl in Rayans Schlafzimmer aussehen mochte.

Neben dem Badezimmer kam wieder eine Tür, die Rayan nicht für sie öffnete, mit dem Hinweis, dies sei das Zimmer seines Bruders Daoud, der sich aktuell zu Besuch bei ihrer Großmutter befand, jedoch heute Abend oder morgen zurückerwartet wurde.

Na, wenigstens ein Geheimnis würde gelüftet werden – sie würde Rayans Bruder kennenlernen.

Zwei weitere Türen, die für sie geöffnet wurden, enthielten noch ein Gästezimmer und ein weiteres, dazugehöriges Badezimmer. „Wie viele Badezimmer hat dieses Haus eigentlich?!“ fuhr es ihr durch den Kopf.

Als nächstes kam ihr Zimmer und links davon befand sich das Zimmer, in dem Tahsin schlief, wenn er in Zarifa war.

Carina fragte, ob denn Julie auch hier im Haus schlafen würde, doch der war ein eigenes Heim lieber. Daher bewohnte sie ein kleines Haus im Dorf.

Als Letztes auf dieser Etage öffnete Rayan die Doppeltüre am anderen Ende des Flurs. „So hier befindet sich nun der Harem mit meinen vier Ehefrauen“, sagte Rayan beim Öffnen und einen Moment lang erschrak Carina. Doch das Zimmer war leer und als sie Rayans breites Grinsen sah, erkannte sie, dass er sie wieder einmal nur geärgert hatte.

Wütend schnaubte sie.

„Was denn?“, fragte er sie nun lächelnd – „Sie waren doch diejenige, die aller Welt von meinen vier Frauen erzählt hat, die ich hier versteckt habe.“

Tahsin lachte laut: „Na Vater, dann hättest du ja richtig Stress…“ und Rayan boxte ihm scherzhaft in die Seite: „Als ob du mit deinen vierzehn Jahren eine Ahnung davon hast“, doch Tahsin wollte das letzte Wort haben: „Wenn du wüsstest! Ich weiß viel mehr von Frauen, als ihr alle ahnt.“ Aber keiner glaubte ihm das.

Carina beachtete ihre weiteren, lockeren Sprüche nicht, sondern bewunderte das Zimmer. Es war mit Abstand das größte Zimmer auf der Etage, U-förmig angelegt und ausschließlich Arabisch eingerichtet. Im Zentrum des Zimmers befand sich ein in blau und silbern gehaltener Zimmerbrunnen, der leise vor sich hin plätscherte.

Mit großzügigen Fenstern in drei Richtungen war es schön hell.

Gegenüber dem Eingang prangte zwischen den Fenstern in der Mitte der Wand ein fast lebensgroßes Bild eines streng aussehenden Mannes. Die Intensität des Gemäldes rief Unbehagen in Carina hervor.

Der Mann musste sehr groß gewesen sein, er stand aufrecht neben einem Ledersessel, seine Hand gebieterisch auf die Lehne gelegt. Er lächelte nicht, sondern blickte gestreng direkt auf den Betrachter herab.

Sie war so gefangen beim Betrachten des Bildes, dass sie ein wenig zusammenzuckte, als Rayan plötzlich neben sie trat und leise sagte: „Beeindruckend, nicht wahr? Das ist Scheich Sedat Suekran al Medina y Nayran – mein verstorbener Vater.“

Carina sah ihn an und bemerkte, dass er gedankenverloren auf das Bild starrte. Ausnahmsweise war sein Gesicht nicht ausdrucklos. Sie versuchte seinen Blick zu deuten – war es Trauer um den Vater? Bedauern seines frühen Todes? Es schien eher eine Mischung aus vielen Gefühlen zu sein und sie kam zu dem Schluss, dass das Verhältnis Rayans zu seinem Vater nicht ausschließlich gut gewesen sein konnte.

In diesem Moment bemerkte Rayan, dass sie ihn beobachtete und schlagartig war sein Gesicht wieder neutral, er sah sie an und lächelte: „Wie Sie sicher schon vermutet haben, war dies früher meines Vaters Zimmer. Ich habe es durch den Einbau von weiteren Fenstern etwas freundlicher gestaltet, ansonsten aber weitestgehend unverändert gelassen. Heutzutage nutze ich es als Gästezimmer für Freunde, die den arabischen Wohnstil bevorzugen. So, wollen wir nach unten in den Garten gehen?“

Und ohne dem Bild einen weiteren Blick zu widmen, schloss er die beiden Schiebetüren und sie gingen über den kleinen Vorplatz vor dem Zimmer zurück zur Treppe.

Erst draußen in der Sonne konnte Carina das eigenartige Gefühl, dass der Mann auf dem Bild in ihr ausgelöst hatte, abschütteln.

Sie überlegte einen Augenblick, wie es wohl gewesen wäre, ihm persönlich gegenüberzustehen und war sich nicht sicher, ob das positiv gewesen wäre. Sie seufzte.

Rayan sah sie an und lächelte wieder einmal sein ironisches Lächeln, doch diesmal galt die Ironie nicht ihr: „Es ist interessant, dass mein Vater offenbar sogar nach seinem Tod noch einen bleibenden Eindruck bei den Menschen hinterlässt.“

Und Carina begann zu ahnen, dass der Schlüssel dazu, Rayan zu verstehen, zum großen Teil im Verhältnis zu seinem Vater zu finden war. Seine so unterschiedlichen Wesenszüge, einen Moment freizügig, charmant und unwiderstehlich, dann wieder gnadenlos, brutal und absolut gewissenlos, schienen stark von ihm geprägt worden zu sein.

Sie sah ihn kurz noch einmal nachdenklich an, verkniff sich jedoch ihre Fragen, weil sie wusste, dass sie ohnehin keine Antwort bekommen würde.

Stattdessen widmete sie sich angenehmeren Dingen: dem Anblick des schönen Gartens um sie herum.

Aus der Hintertüre hinaus getreten in den Sonnenschein, stand sie an dem Pool, den sie von oben schon gesehen hatte.

Er war von einer Holzterrasse umgeben, die zum Sonnenbaden einlud. Rechter Hand war ein weißer Baldachin aufgespannt, der Schutz vor zu viel Sonne bot und Schatten auf zwei Liegen, einige weiße Korbsessel und kleine Tische warf.

Sie machten eine kleine Runde durch den Garten, am Teich vorbei, durch den Pavillon bis ans Ende des Gartens.

Als sie umdrehten, rannte Tahsin plötzlich los: „Wer zuerst im Pool ist!“ und kopfschüttelnd beobachtete sie, wie Rayan hinter Tahsin herrannte, sich nur kurz Zeit nahm seine lange Hose auszuziehen und beide hintereinander in den Pool sprangen.

Im ersten Moment hatte sie Angst, er könne in Unterhosen vor ihr im Pool plantschen, dann sah sie, dass beide wohl von vorneherein das Bad geplant hatten und bereits Badehosen angezogen hatten.

Sie setzte sich in einen der Stühle und streckte genießerisch die Beine von sich. Nach so vielen Stunden zu Pferd mit Staub und Sonne war es wunderbar, hier einfach so zu sitzen und ins Grüne zu schauen.

Wie schön alle die Pflanzen waren, nach dem vielen Gelb und Braun der Wüste, das sie in den letzten Wochen stundenlang zu sehen bekommen hatte.

Ein Bediensteter kam und bot ihr einen kühlen Eistee an, den sie dankend annahm.

Eine Weile sah sie den beiden im Pool zu, die sich wie zwei Kinder gegenseitig unterzutauchen suchten. Sie nahm an, dass Rayan absichtlich ab und zu Tahsin gewinnen lies, denn wenn sie seine Muskeln an Armen und Beinen betrachtete, hätte der Junge im Ernstfall wohl kaum eine Chance gehabt.

Carina wunderte sie sich, warum Rayan sein scheinbar unvermeidliches Muskelshirt, dass er immer unter seiner Kleidung zu tragen pflegte, auch im Wasser anhatte, dachte dann aber, dass er sich einfach bei dem Wettrennen vorhin nicht die Zeit genommen hatte, es auszuziehen.

In den kommenden Tagen lernte sie jedoch, dass er niemals ohne ein Shirt schwimmen ging.

Manchmal sah sie ihn morgens bereits vor dem Frühstück einige Bahnen schwimmen. Wenn Tahsin nicht dabei war, der morgens gerne länger schlief, alberte Rayan nicht herum, sondern schwamm mit kräftigen Zügen. Es war ein Genuss ihm zuzusehen.

„Eigenartig – wo hat er wohl so gut schwimmen gelernt? Hier im Pool wohl kaum … und in irgendeiner Oase erst recht nicht.“ Dachte sie dann und seufzend stellte sie fest, dass sie wieder eine Frage mehr hatte, anstelle Antworten zu erhalten.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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