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Mai 2002 – Große Wüste – Unbarmherzige Verbrecher

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Als sie sich endlich der Oase näherten, ordneten sie sich in einer breiten Formation an – so würden sie nicht so leicht zu überrumpeln sein.

Doch als sie den Rand der Düne erreicht hatten, die das Tal um die Oase begrenzte, sahen sie bald, dass ihren hier keine Gefahr mehr drohte. Aber auch, dass Rayan wieder einmal recht gehabt hatte, als er sie in Alarmbereitschaft versetzte.

Einer der Männer sagte halblaut: „Wie macht er das nur immer? Woher weiß er diese Dinge?“ Doch auch die anderen Reiter hatten dafür keine Erklärung, ihnen war es nur recht, dass ihr Scheich ihnen ein Schicksal ersparte, wie es dem armen Händler in der Oase ergangen war:

Der Reitertrupp hatte offenbar bereits gestern angegriffen und fast alle Männer, die sich in der Oase befunden hatten, niedergestreckt. Erst beim Näherkommen konnten sie erkennen, dass unter den Leichen auch Frauen waren.

„Schnell – schwärmt aus und schaut, ob es Überlebende gibt!“, rief Rayan aus und galoppierte den Hang hinunter.

Bereits eine Viertelstunde später kamen die Männer zusammen, um Rayan Bericht zu erstatten.

Sie hatten lediglich zwei Überlebende gefunden: einen Diener und den Händler, dem die kleine Karawane gehört hatte.

Ansonsten hatten die unbarmherzigen Verbrecher ganze Arbeit geleistet. Sie hatten alles von Wert mitgenommen, alles andere verbrannt und jeden Einzelnen getötet.

Rayan knirschte mit den Zähnen. Er konnte seine Wut nur mühsam beherrschen. Was für Tiere taten so etwas? Ein Raubüberfall war schon schlimm genug, aber warum dieses sinnlose Blutvergießen harmloser Menschen?

Auch Hanif konnte sich kaum im Zaum halten. Sein Vater war auch Händler gewesen. Seine Familie war ebenfalls überfallen worden, als er 18 Jahre alt gewesen war. Außer seiner Mutter und Hanif selbst hatte keiner überlebt. Sowohl sein Vater und alle seine Geschwister waren ermordet worden. Sedat, Rayans Vater, hatte Schlimmeres verhindert und die Täter gestellt.

Langsam, um ihn nicht zu erschrecken, ging Rayan in das Zelt, in das der Diener seinen schwer verwundeten Herrn gebracht hatte.

„Wer, wer seid ihr?“, röchelte der verwundete Mann von seinem Lager.

„Ganz ruhig. Wir sind in friedlicher Absicht hier. Was ist hier passiert?“, fragte Rayan mit beruhigendem Tonfall. „Wie können wir Euch helfen?“

Der Händler erzählte kurz, was sich ereignet hatte: Sein Name sei Aiman Abdullah. Sie hätten hier in der Oase gelagert, als die Reiter aus dem Hinterhalt gekommen waren und ohne jede Vorwarnung alle getötet hatten, selbst diejenigen, die sich ergeben wollten, wurden abgeschlachtet. Seine Karawane hatte aus immerhin sechzehn Personen bestanden.

„Sie haben alles mitgenommen. Alle Teppiche, Kamele und sonstige Wertgegenstände … .“ Er schluchzte auf. „Mich haben sie nur aus einem Grund leben lassen: um mich zu peinigen! Sie haben meine Tochter mitgenommen! Meine Leila - mein einziges Kind! Er …der Anführer …er hat gesagt, er wird für sie einen guten Preis erzielen. Auf den SKLAVENMARKT!“, seine Stimme brach und er begann, heftig zu schluchzen. Offenbar hatten sie den Diener auch nur aus dem Grund leben lassen, dass er seinem Herrn so lange wie möglich beistand und damit, ironischerweise, dessen Leiden verlängerte. „Was für kranke Menschen sind das?“, fragte sich Rayan, doch er sagte es nicht laut. Er wollte weder den Händler noch den Diener weiter beunruhigen.

Rayan legte dem Mann die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. „Ganz ruhig. Ich verspreche Dir, ich werde tun, was in meiner Macht steht, um sie zu finden.“

Noch immer rannen dem Mann die Tränen über das Gesicht, doch er wurde etwas ruhiger. „Warum solltet ihr das tun?“, fragte er mit zitternder Stimme. Rayan schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er antwortete zunächst nichts, sondern untersuchte die Wunden. Schnell sah er, dass hier niemand mehr etwas tun konnte. Vielleicht in einem Krankenhaus, durch eine Notoperation, aber hier? Mitten im nirgendwo? Keine Chance.

„Ich weiß, dass ich sterben werde“, sagte der Händler. „Bitte – wenn Sie meiner Tochter wirklich helfen wollen, dann müssen Sie schnell sein.“

„Haben Sie ein Foto von Leila?“, fragte Rayan.

„Yusuf“, sprach der Händler den Diener an, der wie versteinert in einer Ecke stand. „Gib ihm das Foto.“

Rayan sah ein etwa sechzehnjähriges Mädchen und wusste sofort, wieso die Räuber sie nicht getötet hatten. Sie war ausgesprochen schön. Mit langen tiefschwarzen Haaren, die ihr bis zur Hüfte zu reichen schienen. Ihre ebenfalls fast schwarzen Augen waren faszinierend, mit einem Blick, der wohl so manchen Mann zum Träumen bringen konnte.

„Eine wirkliche Schönheit – kein Wunder“, sagte Rayan mehr zu sich selbst. „Wo ist ihre Mutter?“, fragte er an den Händler gerichtet.

„Sie ist vor zwei Jahren gestorben. Bitte – wenn Sie helfen wollen, müssen Sie sich beeilen! Sie haben hier vor mir alles ausführlich besprochen – sie wollen sie bereits in drei Tagen auf dem Sklavenmarkt verkaufen. Sie wissen sicher, wie es da zugeht: Wenn einer sie kauft, bringt der sie wer weiß wohin, die Spur finden Sie nie wieder!“

„Also gut. Jassim! Du bleibst mit fünf Mann hier. Kümmert Euch um ihn und begrabt die Toten. Yusuf wird Euch helfen.“

Jassim nickte kurz und wandte sich dann an die ihm zugewiesenen Reiter. Er war einer von Rayans Gruppenführern und auf diesem Ritt zuständig für zehn Mann. Fünf davon wählte er nun aus, die mit ihm hier bleiben sollten.

Die anderen unterstellte er Hanif, der selbst zehn weitere Männer unter seinem Kommando hatte.

Sie würden also zu achtzehnt die Verfolgung aufnehmen: Hanif und seine Zehn, die Fünf von Jassim, Rayan und sein Freund und Leibwächter Ibrahim.

Rayan hatte sich sehr gefreut, als er Ibrahim wiedergetroffen hatte. Nach seiner Flucht aus Zarifa im Oktober 1989 hatte er vermutet, dass sein Vater alle seine Freunde getötet hatte. Erst vor wenigen Monaten hatte er erfahren, dass Ibrahim noch lebte und sie hatten sich auf Anhieb wieder genauso gut verstanden wie früher. Und genau wie damals war sein Freund jederzeit bereit, sein Leben für seinen Freund und Scheich zu geben. Er hatte ihm bereits einmal das Leben gerettet, als er ihn schwerverletzt zu seiner Großmutter brachte, der es gelang ihn gesund zu pflegen. Auch Ibrahim hatte, genau wie alle anderen, gedacht Rayan wäre an den schweren Wunden, die ihm die Häscher seines Vaters zugefügt hatten, gestorben.

Sie versorgten sich mit dem nötigsten, vor allem mit frischem Wasser, und bereiteten alles dafür vor, gleich loszureiten.

Rayan - Zwischen zwei Welten

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