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September 2014 – Alessia – Déjà-vu

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Nihat hatte Carina am Sammelplatz für Karawanen vor Alessia abgesetzt, der gleichen Stelle an der sie vor einigen Wochen aufgebrochen waren. Damals hatte ihr Lehrer Mehmed sie zu Fuß hierher begleitet, und nachdem sie sehr aufgeregt gewesen war, hatte sie nicht auf den Weg aus der Stadt heraus geachtet. Doch ihre Sorge, dass sie sich nicht zu Recht finden würde, war völlig unbegründet.

Denn schon am Vorabend hatte Nihat ihr mitgeteilt, er hätte gerade telefoniert und die Information erhalten, Jamal würde sie am nächsten Tag gegen Mittag in Alessia erwarten. Mit wem er telefoniert hatte, hatte er nicht gesagt. Carina, die sich an die spärlichen Informationen inzwischen längst gewöhnt hatte, fragte nicht weiter nach. Sie hätte ohnehin keine Antwort erhalten. Aber sie vermutete, dass es Hanif gewesen war, der Nihat diese Anweisungen gegeben hatte.

Bei der Ankunft am Sammelplatz schaute sie sich zunächst um: Der Platz lag völlig leer da; offenbar war gerade weder eine Karawane eingetroffen, noch bereitete sich eine auf den Aufbruch vor. Wie anders alles so verlassen aussah. Es waren kaum Menschen auf dem Platz.

Daher war es leicht, bereits aus einigen Metern Entfernung den Haushälter zu erkennen, der an der Tränke für Kamele am Platz saß und ausdruckslos vor sich hin schaute, als wäre er tief in Gedanken versunken.

Erst als sie ihn schon fast erreicht hatten, erhob er sich.

Nihat grüßte ihn nur mit einem kurzen Nicken. Auch das war keine Überraschung für Carina, die stolzen Reiter der Tarmanen, waren Fremden gegenüber noch wortkarger und zurückhaltender als bei ihr.

Der Abschied von Nihat und ihren beiden Begleitern fiel kurz aus. Gegen seinen Willen hatte sie Nihat kurz umarmt und ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt, was diesem einen roten Kopf und seinen beiden Begleitern ein breites Grinsen beschert hatte.

Traurig hatte sie sich auch von „ihrem“ Pferd verabschiedet, das sie so viele Stunden treu getragen hatte.

Dann wandte sie sich Jamal zu, der sie mit einer leichten Verbeugung, aber sonst mit ausdruckslosem Gesicht begrüßte.

Er war es gewesen, der sie damals aus dem Krankenhaus abgeholt und zum Haus ihres Freundes Hummer geleitet hatte. Und somit hatte sich auch ihre Sorge, ob sie wohl ein Hotelzimmer finden konnte, erledigt. Denn Jamal brachte sie in das Zimmer, welches sie damals bewohnt hatte.

Es war eigenartig, die Stationen ihrer Reise noch einmal rückwärts zu durchlaufen. Fast wie in einem Déjà-vu. Ein wenig hatte sie Angst, dass die Erlebnisse dadurch geschmälert würden, so als würde sie sie ungeschehen machen. Schnell versicherte sie sich, dass sie ihren Block mit Notizen noch hatte. Hier hatte sie alles genau beschrieben und auch die Fotos, die sie gemacht hatte, würden nachher wertvolle Erinnerungen sein.

Als sie am Abend müde auf ihr Zimmer ging, fand sie auf der Kommode Flugtickets, ausgestellt auf ihren Namen. Ihr Flug von Alessia ging morgen Abend, ein Samstag. Zunächst bis Dubai, was lediglich eine Stunde dauerte. Dann hatte sie einen Tag Aufenthalt in Dubai, um am Montagmorgen nach München zu fliegen – erster Klasse! Sie erinnerte sich, dass es die gleiche Flugverbindung war, die Rayan ihr vor all den Wochen auch schon ans Herz gelegt hatte, um nach Hause zu fliegen. Sie überlegte kurz, was gewesen wäre, wenn sie damals auf ihn gehört hätte. Zumindest wäre ihr die peinliche Abreise erspart geblieben!

Einen kleinen Moment lang war sie versucht, die Flugtickets einfach zu zerreißen. Sie wollte nicht, aber auch gar nichts mehr von ihm geschenkt! Er hatte sie behandelt, wie nie zuvor ein Mann. Sie hatte sich wie sein kleiner Zeitvertreib gefühlt, den man dann, als er unbequem zu werden drohte, einfach wegwischen konnte.

Sie stellte sich kurz vor, wie er zusammen mit Leila in Zarifa saß und sie sich gemeinsam über die kleine, dumme Deutsche totlachten.

Dass Rayan zur gleichen Zeit keineswegs amüsiert war, sondern sich nach gefährlichen Ereignissen in London nun auf der Flucht befand, und außerdem in der vergangenen Nacht fast zu Tode geprügelt worden war, konnte sie nicht ahnen. Diese Ereignisse erfuhr sie erst viel später.

Ärgerlich stellte sie fest, dass ihr wieder die Tränen übers Gesicht liefen. Sie hatte sich vorgenommen, nicht mehr wegen ihm zu weinen. Schnell wischte sie sie ab, putzte sich die Nase und atmete tief durch. Zur Hölle mit ihm!

Aber die Flugtickets würde sie trotzdem nutzen, denn ihr war klar, dass sie finanziell nicht besonders gut da stand und so schluckte sie ihren Stolz hinunter. Und dann erster Klasse. Es war für die über sechs Stunden von Dubai nach München eine zu große Verlockung, nicht in der „Holzklasse“ sitzen zu müssen.

Rayan - Zwischen zwei Welten

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