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Vorwort

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Warum erregen die beiden Publikationen von John Hattie Visible Learning (2009) und Visible Learning for Teachers (2012) weltweit und insbesondere im deutschsprachigen Raum solches Aufsehen?

Das liegt sicher am beeindruckenden Umfang von Hatties empirischer Untersuchung. Der neuseeländische Forscher hat in 15jähriger Arbeit alle ihm verfügbaren Ergebnisse quantitativer Unterrichtsforschung analysiert und die Wirkung der wesentlichen Einflussgrößen in Form von Effektstärken beziffert. Die von ihm ermittelten Tendenzen sind richtungsweisend für die Lehr- und Lernforschung.

Ein weiterer Grund für das Interesse an diesem Forschungsprojekt sind die Ergebnisse selbst. Hattie kann nachweisen, dass viele hochgeschätzte Unterrichtsstrategien, wie beispielsweise individualisiertes Lernen, nicht besonders wirksam sind. Andererseits zeigen seine empirischen Belege, dass häufig zurückgewiesene Methoden wie Direkte Instruktion bzw. interaktiver Klassenunterricht hohe Lerneffekte haben. Diese Unterrichtsmethoden bewirken bei allen Schülerinnen und Schülern größere Lernerfolge, auch bei den Lernschwächeren.

Die Publikationen von Hattie verdienen auch wegen der Art der Darstellung besondere Aufmerksamkeit: Hattie tritt nämlich leidenschaftlich für „sein“ auf wissenschaftlichen Ergebnissen gegründetes Unterrichtsmodell ein. Sein Stil ist so mitreißend, dass ich ihn stets im Original zitiere und seine Ausführungen paraphrasiere, damit möglichst nichts von seinem Elan verlorengeht. Zudem versteht Hattie es, verschiedene Stilebenen auseinanderzuhalten. Wissenschaftliche Nachweise erläutert er eher nüchtern, die Darstellung der unterrichtspraktischen Konsequenzen dagegen ist anregend und packend.

Publikationen mit ähnlichen Ansätzen und vergleichbaren Ergebnissen, die lange vor Hatties Studien erschienen, erlangten dagegen keine besondere Aufmerksamkeit.

Eine sorgfältige Begründung von Unterrichtsmethoden durch die Ergebnisse empirischer Forschung, vor allem empirisch-experimenteller Forschung, hat beispielsweise Wellenreuther (2004; 22010) schon vor fast zehn Jahren vorgelegt. Wie Hattie tritt auch der Lüneburger Wissenschaftler für die Direkte Instruktion ein und zeigt die Grenzen individualisierter Lernformen auf. An vielen Stellen sind die Inhalte seiner Ausführungen mit denen von Hattie identisch.

Besonderes Gewicht auf die Zusammenfassung empirisch-quantitativer Forschungsergebnisse hat außerdem Robert Marzano (1998) gelegt. Wie Hattie beziffert auch er die Wirkung von Unterrichtsstrategien in Form von Effektstärken. Marzanos zahlreiche Untersuchungen, auf die sich auch Hattie stützt, bieten sich für einen Vergleich mit den Ergebnissen anderer Forscher an. Darüber hinaus liegt ein sehr kenntnisreiches Buch für die Hand von Lehrpersonen vor, welches sich sowohl auf Marzano als auch auf Hattie stützt (PETTY 2004; 22009).

Im Rahmen der Beschreibung und Diskussion der Ansätze und Ergebnisse der einzelnen Forscherinnen und Forscher (Kapitel 1 bis 5) versuche ich die Frage zu beantworten, warum die Lehr- und Lernforschung im deutschsprachigen Raum empirischen Ergebnissen und den daraus abgeleiteten unterrichtspraktischen Konsequenzen bisher so wenig Beachtung geschenkt hat. Ein Grund ist sicher in der Art der Darstellung zu suchen: Die meisten deutschsprachigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schreiben für die scientific community, auch wenn sie angeben, ihre Ausführungen seien hauptsächlich für Lehrpersonen gedacht. Vielleicht sollten sie Hattie im Original lesen.

Die Konzepte lernwirksamen Unterrichts, die ich in diesem Buch nach der kritischen Besprechung der einzelnen Forschungsansätze vorstelle, beruhen einerseits auf qualitativer Unterrichtsforschung, andererseits, und zwar zu einem weitaus größeren Teil, auf empirisch-quantitativen Studien (Kapitel 6 bis 10). Erstrebenswert wäre aus meiner Sicht, dass zu den Zusammenfassungen von empirisch-quantitativen Primärstudien auch umfangreiche Synthesen empirisch-qualitativer Untersuchungen hinzukämen, um zu einer noch differenzierteren Sicht zu gelangen.

Ich wünsche mir, dass möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer sich von den unterrichtspraktischen Anregungen in diesem Buch angesprochen fühlen und sie – nach angemessener Adaption – im eigenen Unterricht erproben. Die Orientierung an empirischen Ergebnissen ist auf alle Fälle besser als ein Beharren auf liebgewonnenen Gepflogenheiten. Letztlich ist aber immer die Expertise der Lehrperson entscheidend.

Ich danke Herrn Dr. Jens Seeling, dem Programm-Manager der WBG, für die Geduld und Umsicht, mit der er meinen Tatendrang in die richtigen Bahnen zu lenken wusste.

Kassel, im November 2013Inez De Florio-Hansen www.com.deflorio.de deflorio@t-online.de
Lernwirksamer Unterricht

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