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1.1 Ziele evidenzbasierter Pädagogik

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Eine mögliche Antwort auf Fragen wie

• was wirkt besser bzw. was ist lernwirksamer oder

• was führt bei möglichst vielen Schülerinnen und Schülern zu nachhaltigen Lerneffekten?

ist evidenzbasiertes Lehren und Lernen.

Was heißt ‚evidenzbasiert‘? Eine Unterrichtstrategie ist dann evidenzbasiert, wenn wissenschaftliche Belege für ihre Wirkung vorliegen. Aber da hat Alice einen Einwand. Was nützt es, wenn die Lernwirksamkeit einer Unterrichtsmaßnahme durch eine einzige Studie belegt ist, mag sie auch noch so fundiert sein? Man kann sich doch leicht denken, dass es immer die eine oder andere Untersuchung gibt, die einen hohen Lerneffekt der Methode X oder Y nachweist, während andere Forscher dem widersprechen. Wie zutreffend diese Überlegung ist, zeigt die Durchsicht einschlägiger Fachpublikationen. Deshalb genügt es nicht, sich auf einige wenige empirische Studien zu verlassen. Evidenzbasiertes Lehren und Lernen bedeutet mehr. Die Ergebnisse möglichst aller Forschungsarbeiten zu einem bestimmten Bereich müssen geprüft und zusammengefasst werden. Erst dann kann man begründete Rückschlüsse auf mögliche Lerneffekte ziehen.

Der Terminus ‚evidenzbasiertes Lehren und Lernen‘ bzw. ‚evidenzbasierte Pädagogik‘ ist eigentlich irreführend. Es handelt sich um eine Übersetzung des englischen Begriffs ‚evidence-based teaching‘. Wenn man im Deutschen sagt: „Das ist doch ganz evident“, denkt man nicht an wissenschaftliche Nachweise. Mit dem Wort ‚Evidenz‘ verbindet man im Deutschen in erster Linie Bedeutungen wie ‚unmittelbare Einsichtigkeit‘ bzw. ‚Offensichtlichkeit‘. Auch im Englischen schwingen ähnliche Bedeutungsnuancen mit. Hauptsächlich aber denkt man beim englischen ‚evidence‘ an ‚Beleg‘ oder ‚Nachweis‘. Um größere Klarheit zu schaffen, haben deutschsprachige Experten vorgeschlagen, evidence-based mit ‚nachweisorientiert‘ wiederzugeben. Sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Der Begriff ‚evidenzbasiert‘ ist inzwischen etabliert. Eine Wissenschaftsdisziplin, die schon lange und mit großem Erfolg ‚nachweisorientiert‘ arbeitet, ist die Medizin.

Ebenso wie die evidenzbasierte Medizin verfolgt auch die evidenzbasierte Pädagogik das Ziel, Praktikern und allen an Unterricht interessierten Personen die Ergebnisse der gesamten verfügbaren Forschung zu einer bestimmten Fragestellung in nachvollziehbarer, knapper Form zugänglich zu machen. Dies geschieht durch systematische Übersichtsarbeiten (systematic review) und/oder Meta-Analysen (meta-analysis), d.h. durch die Zusammenschau von Primärstudien (vgl. 1.6). Damit Lehrpersonen einen konkreten Nutzen aus den Forschungsübersichten ziehen können, genügt es selbstverständlich nicht, von „besser als …“ oder „lernwirksamer als …“ zu sprechen. Die Ergebnisse müssen mithilfe eines Mittelwerts sowie durch ein standardisiertes Wirkungsmaß (= Effektstärke; vgl. 1.7) beziffert werden. Liegen dann entsprechende Mittelwerte für verschiedene methodische Verfahren vor, können Lehrpersonen zwischen einzelnen Alternativen abwägen.

Wie kann wissenschaftliche Forschung, in unserem Fall evidenzbasierte Lehr- und Lernforschung, diese hochgesteckten Ziele überhaupt erreichen? Ist die Zusammenfassung möglichst aller vorliegenden Untersuchungen nicht sehr aufwendig und vor allem äußerst heikel? Ohne Zweifel stellt die Erarbeitung einer systematischen Übersicht bzw. einer Meta-Analyse sehr hohe Anforderungen an den begutachtenden Wissenschaftler (reviewer). Seine Vorkenntnisse, seine Sorgfalt und seine Redlichkeit sind von herausragender Bedeutung. „Aber was ist mit den einzelnen Forschungsarbeiten?“ fragt Alice. „Gibt es da nicht große Unterschiede in der Qualität?“ In der Tat spielen nicht nur die Qualifikation und die Professionalität des reviewers eine wichtige Rolle. Noch entscheidender ist die Güte der sogenannten Primärstudien, die bei der Zusammenschau berücksichtigt werden.

Als Goldstandard empirischer Forschung, die zu evidenzbasiertem Lehren und Lernen beitragen kann, gelten Unterrichtsexperimente (vgl. 1.2). Sie gestatten – eher als Längsschnitt- oder Querschnittuntersuchungen und andere empirische Methoden (vgl. 1.3) – die Festlegung von Effekten, die für die Unterrichtspraxis relevant sein können.

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