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Ida Mikkelsen zitterte am ganzen Körper, als ihr Mann ihr in die Küche half und sie behutsam auf einen unbequemen Küchenstuhl bugsierte. Auf dem ganzen Weg von der Gerichtsmedizin hierher hatten sie kein Wort gesprochen. Plötzlich durchschüttelte sie Weinen, überwältigte sie. »Nein, nein, nein!«, schluchzte sie, brach über dem Küchentisch zusammen und begann hemmungslos loszuheulen. Allan Mikkelsen setzte sich wie gelähmt auf den Stuhl gegenüber. Er musste all seine Kraft zusammennehmen, um die Hand zu heben und ihr ungeschickt über den Rücken zu streicheln. Er war es nicht gewohnt, seine Frau weinen zu sehen und sie trösten zu müssen. Sie war so stark.

»Pass bitte auf dich auf, Ida. Das Kleine«, murmelte er heiser.

Sie griff instinktiv nach ihrem schwangeren Bauch und gab sich alle Mühe, sich zusammenzureißen. Mit einem Bogen Küchenrolle putzte sie sich die Nase. Sie zitterte immer noch am ganzen Leib.

»Warum haben wir uns nicht eher um sie gekümmert? Warum haben sie nicht angerufen und uns darauf aufmerksam gemacht, dass sie gar nicht auf der Geburtstagsfeier erschienen ist? Warum haben wir sie überhaupt gezwungen, zu dieser Party zu gehen? Sie hatte ja nicht einmal Lust dazu«, schluchzte sie.

Allan starrte vor sich hin. Es sah aus, als starre er auf die Fotos von Gitte, die mit Marienkäfer-Magneten an der Kühlschranktür befestigt waren. Doch sein Blick verschwamm vorher und stierte ins Leere. Er weinte nicht, nur seine Augen waren rot, und sein Kinn zitterte. Als Ida seine Hand nahm, erstarrte er. Plötzlich weinte sie nicht mehr, sondern blickte ihn unverwandt an, ganz als sei nun sie die Stärkere von ihnen. Weinen und Trauer hatten ihr Gesicht verunstaltet.

»Glaubst du, dass sie ihn finden werden?«, fragte sie leise und wischte sich mit der freien Hand die Augen.

Allan Mikkelsen lehnte den Rücken gegen die Wand und ließ seine Hand über ihr Gesicht gleiten. Seine Hände waren groß und rau. Er war Maurer und hätte eigentlich heute Morgen um sieben auf der Arbeit sein müssen. Er hatte gute Lust, jetzt einfach zu fahren. Einfach vor der Hölle zu flüchten, in der er gelandet war. Wenn es nur auch einen Platz gäbe, wohin er hätte flüchten können. Er schüttelte einfach den Kopf – als Antwort auf ihre Frage. Aber die Ungewissheit nagte an ihm. Gitte war sein Ein und Alles gewesen. Sein Lebensinhalt. Sie hatte auch Ida fröhlich und zufrieden gemacht, und das ewige Jammern und die Vorwürfe hatten aufgehört, sobald sie Gitte bekommen hatten. Jetzt war sie weg. Würde das neue Kind ihnen dasselbe geben können? Kann denn ein Mensch überhaupt ersetzt werden?

Gitte war ein seltsames Kind gewesen. Oh ja, wirklich. In den letzten Jahren zunehmend verschlossen und zurückgezogen. Oft schwierig. Vielleicht war es einfach die viel diskutierte Pubertät, die ihre Schatten vorauswarf. Was wusste er schon darüber. Er war ein einfacher Maurer. Er sah wie durch Nebel, dass Ida mühsam aufstand und ins Badezimmer hinüberschwankte, wo sie eine Tablette nahm. Er wollte protestieren – sie war ja schwanger. Aber er sagte nichts. Sie wusste vermutlich, was sie machte. Sie war Krankenschwester. Sie kam nicht wieder in die Küche zurück; wahrscheinlich war sie zu Bett gegangen. Er hatte Angst, dass sie jetzt anfangen würde, ihm ganz den Rücken zuzukehren. Es war alles so unwirklich.

Bertil, der Rauhaardackel, erwachte in seinem Korb. Es war, als spüre er plötzlich, dass etwas nicht mehr in Ordnung war. Er schüttelte sich und kam herübergetapst. In der Stille hallte das Geräusch der Pfoten auf dem Linoleumboden laut in Allans Ohren wider. Bertil legte den Kopf auf seinen Oberschenkel und blickte ihn aus ergebenen Hundeaugen an. Allan hatte diese Augen nie gemocht. Dieser Hund war sicher klüger, als es den Anschein hatte, und es schüchterte ihn ein, nicht zu wissen, was er wohl dachte. Abwesend tätschelte er ihm den Kopf.

Bertil folgte ihm nicht, als er nach draußen ging und sich in den Ford Transit setzte, um zur Arbeit zu fahren, als sei es ein ganz normaler Morgen. Als würden Gitte und Ida noch schlafen, um dann später ihren normalen Tätigkeiten nachzugehen, während er auf der Baustelle in Skåde seine Arbeit erledigte. Als würden sie heute Abend dann wieder zusammen am Tisch sitzen und essen und darüber sprechen, was während des Tages geschehen war – bei der Maurerarbeit, im Krankenhaus, in der Schule. Er entdeckte Gittes gelbe Haarspange auf dem Autoboden. Die Spange war wie ein Schmetterling geformt. Er hob sie auf und drehte sie im Licht. Ein paar gewellte dunkle Haare hatten sich in der Spange verfangen. Sie hatte sie verloren und war traurig gewesen, weil sie sie trotz allen Suchens nicht wiedergefunden hatte.

Jetzt hatte er sie gefunden. Er sank am Steuer zusammen, und seine breiten Schulter bebten, als er weinte.

Der Schrei der Kröte - Roland Benito-Krimi 1

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