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Der Neuling wird befördert

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Einige Nächte vor Ablauf der ärztlich verordneten Schonfrist träumte Duke, er sei wieder in Saigon. Er war inmitten einer Gruppe pöbelnder Soldaten gefangen, die eben an Mr. Perkins’ Weinhandlung vorbeikamen. In einem peinlichen Ansturm uniformierter Rohheit drangen die Männer in den Weinladen ein. Sie wollten Fusel kaufen. Duke drängelte sich zum Tresen vor, aber Mr. Perkins erkannte ihn nicht. »Ich hätte gern den 1959er Domaine Leroy, Richebourg, Côte de Nuits, den Sie mir gestern gezeigt haben«, sagte Duke in der Hoffnung, dass Mr. Perkins sich dann an ihn erinnere. Der Weinhändler sah ihm trotzdem nicht in die Augen. Er stellte die Flasche auf den Tresen und tippte den Betrag in die Kasse. Zweihundertfünfundzwanzig Dollar. Das konnte Duke sich nie und nimmer leisten! An der Front würde er nie wieder Wein trinken können. Er schrak aus dem Schlaf auf.

An diesem Abend tauchte Dr. Gorokin, der Hausarzt der Familie, mit seiner kostbaren pillengefüllten Aktentasche auf. Seine Besuche fielen oft mit der Essenszeit zusammen. Was Gavrijl Gorokin dazu qualifizierte, ein Freund der Familie zu sein, war der Umstand, dass er Pharmaka verschreiben konnte und ein russischer Aristokrat war – im Rang gleich unter einem Prinzen –, der seine Jugend in einem Schloss verbracht hatte und bittere Anekdoten über die Kollaboration seiner Familie mit Stalin erzählen konnte.

Dr. Gorokin war zart und kränklich, sein früh ergrautes Haar wie eine mottenzerfressene Pracht, sein Gesicht faltig, wie nach langer Lagerung eben ausgepackt und ausgerollt, seine dreiteiligen Anzüge eine Art Bretterverschalung. Er war wohlerzogen und auch von entlegeneren Körperteilen niemals angewidert. Bei Hausbesuchen benahm er sich ganz ungezwungen; er reinigte den verstopften Anus praeter eines Kranken, mit dem er anschließend Kaffee trank. Wei Wei hasste ihn, auf ihre stille, zurückhaltende Art, weil er aus einem kommunistischen Land stammte, und ließ sich nicht einmal ein Aspirin von ihm geben. Seine Anwesenheit verursachte ohrenbetäubendes Geschirrspülen und Topfklappern. Dr. Gorokin nahm Wei Weis Feindseligkeit gnädig hin, wusste er doch, dass sie beide am Hof koexistieren konnten.

Nachdem Wei Wei die Teller abgeräumt hatte, packte er seinen Schreibblock auf den Tisch, und alle schauten ihm über die Schulter, während seine Spinnenfinger ein zweites Schreiben aufsetzten, aus dem hervorging, dass die akute Pyelonephritis des Patienten auf die Medikamente nicht angesprochen habe.

Dr. Gorokin verordnete zwei Monate Bettruhe. Der Patient konnte seinen Sommerjob behalten. Duke bedankte sich, aber er war verwirrt. Zwar freute er sich, dass er länger in New York bleiben konnte, doch das Attest entstammte irgendwie nicht seinem eigenen Entschluss. Sein Vater wäre angeekelt, würde er die Wahrheit erfahren. Duke fragte sich, ob er ihn anlügen könne.

Statt Dr. Gorokin darüber aufzuklären, entschuldigte sich Duke für einen Moment und stattete seiner Uniform im Gästezimmer einen Besuch ab. Er schüttelte den leeren Ärmel. Dass er länger in New York bleibe, sei nicht mehr als ein Kavaliersdelikt, ein Akt der Höflichkeit seinen Gastgebern gegenüber. Der Anzug protestierte nicht.

In den folgenden Wochen gewöhnte sich Duke an die einheimische Tracht: Jeans und sorgfältig gebügelte T-Shirts oder Hemden mit Button-Down-Kragen und hochgekrempelten Ärmeln, alle geerbt aus Vlados Bestand alter Alltagskleidung. Den guten Stoff auf der Haut zu spüren, war äußerst angenehm, und da er sein schwindelerregend hohes Gehalt von fünfzig Dollar die Woche kaum ausgeben konnte, fiel ihm ein, dass er sich bald selbst ausstaffieren könnte. In Vietnam verdiente er weniger als fünfzig Dollar im Monat.

Nach nur einem Monat hatte Mr. Perkins einen blutigen Laien in einen jungen Experten verwandelt. Der pummelige Gentleman mit dem Flatterblick war gleichermaßen gerührt und erstaunt, wie dieser Junge alles in sich aufsaugte – er konnte sich Namen, Marken, Rebsorten und Silben merken, die er überhaupt nicht aussprechen konnte, aber der Wein war ihm so wichtig, dass sein Gedächtnis jeden damit zusammenhängenden Laut behielt. Duke war nie in Europa gewesen und wusste nichts über europäische Geschichte. Mr. Perkins war nicht viel in Amerika herumgekommen und einem solchen Bildungsmangel noch nie begegnet. So einem Talent allerdings auch nicht. Er amüsierte sich gut.

Duke hatte aber weiterhin Alpträume. Nacht für Nacht war er wieder mit den Jungs zusammen, um sich volllaufen zu lassen, gepeinigt von einem Verlangen nach Weinen, die er sich nicht leisten konnte. Der Wein ruinierte Duke Butler, er rettete ihn nicht. Dem gesellschaftlichen Kreis, den Biographie und eigene Wahl ihm vorgegeben hatten, entfremdete er sich. Bei der Arbeit dachte er nicht an diese Gefahr. Doch sobald er Mr. Perkins’ Laden verließ, befiel ihn die Angst.

Angst und Umsicht auf dem neuen Terrain machten ihn verschlossen; die Verschlossenheit machte ihn in den Kreisen älterer Leute in Manhattan sogar noch populärer, die ihre Intelligenz als seltenen, bedrohten Artikel feierten und deren Gaumen durch jahrelange demokratische Kost stumpf geworden war. Sie liebten diesen höflichen schwarzen Soldatenjungen, diesen Nachfahren von Jefferson, mit seinen herausragenden Manieren und den vorzüglichen Geschmacksknospen – ein echtes Novum. Ein paar Wochen lang bestanden sie darauf, dass er die Stones zu jeder Party begleitete. Lili wurde in den Hintergrund gedrängt, während sie über ihn herfielen, ihn mit den Stones zusammen mit Einladungen bombardierten, Lili ignorierten und in der Absicht, Duke zu unterhalten, illustre Namen fallen ließen. Das fing mit berühmten Autoren an, weiter ging es mit Politikern und Schauspielern. Er hatte keine Ahnung, wer diese »Susan« sein sollte, über die alle sprachen. Als Reaktion auf seinen verständnislosen Blick ergänzten sie Nachnamen. Auch der sagte ihm nichts, ach wie charmant. Sie stachelten sich gegenseitig auf: »Wir müssen etwas für ihn tun!«

Bis zum Hochsommer musste nicht sehr viel getan werden. Lilis sonderbarer Freund stand bereits hoch in der Gnade des menschenscheuen Mr. Perkins. Eines Tages stieg er noch höher auf.

Der Weinexperte beauftragte Duke damit, für seinen Laden Werbetexte zu verfassen. Perkins hatte die ausgefallene Idee, einem Wein, den er zum Wein des Monats erklärte, eine schriftliche Erläuterung seiner Wahl, unterzeichnet mit »Samuel Perkins«, beizugeben und diese Urkunde ans Regal zu pinnen. In Wahrheit handelte es sich um den letzten Versuch, die Ladenhüter loszuwerden.

»Das schreiben Sie diesen Monat, Mr. Butler«, wies er Duke an. »Der Kunde braucht diese kleine Rückversicherung, dass er keinen Fehler macht. Gehen Sie alles durch, doch lassen Sie sich zum Bouquet etwas Originelles einfallen.«

»Für den Geschmack bietet sich immer ›komplex‹ an. Und erwähnen Sie bitte auch, dass es sich um ein günstiges Angebot handelt.« Mr. Perkins drückte Duke die Flasche in die Hand. »Gehen Sie nach Hause, kosten Sie diesen herrlichen Wein und schreiben Sie alles auf, was Ihnen dazu einfällt.« Er sah Dukes entsetzten Blick und stutzte. »Die Stones haben bestimmt einen Schreibtisch für Sie. Ganz sicher. Die Stones haben wahrscheinlich sogar in ihren Badezimmern Schreibtische.«

Früher waren Schreibtische für Duke Gegenstände aus dem offenen Vollzug gewesen. Nach seiner Ankunft in New York hatte er gelernt, dass dieses Möbel das Herzstück des höfischen Lebens war. Schon das Herausziehen des Stuhls und das Hinsetzen zum Schreiben kamen ihm wie anspruchsvolle Tanzschritte vor. Zu Hause entkorkte er den Beaujolais, schenkte sich ein kleines Glas ein und zog sich in sein Zimmer zurück. Er setzte sich an den Schreibtisch, nahm einen Fünf-Cent-Kugelschreiber wie eine Gabel in die Hand und richtete seine Spitze auf das Blatt. Mit der anderen Hand hob er das Glas an seine Lippen. Er kostete. Aber seine Schreibhand rührte sich nicht. Er war geduldig. Er wartete und schaute sich das Abendkonzert auf dem Hudson an: einen gierig schlingenden Sonnengott, der sich in den Fluss senkte, welcher in Flammen aufzugehen schien, die lumpige zweistöckige Skyline von Weehawken unter einem glühend roten Himmel, Rampenscheinwerfer, die langsam erloschen, bis der Fluss verschwand und ein paar Lichter am anderen Ufer aufblinkten, als bescheidene Imitation des darüber befindlichen Weltalls. Ende. Er schaute wieder auf das Blatt. Der Stift hatte ein Loch hineingebohrt.

Er riss das Blatt vom Block ab und warf es in den Papierkorb. Lili beobachtete ihn durch die offene Tür. Er starrte auf das nächste leere Blatt. »Kann ich dir helfen?«, platzte es aus ihr heraus.

»Schreib Folgendes«, diktierte sie und kam damit ins Zimmer. »Dieser Wein hat Noten von Kaffee … Himbeeren … der Geschmack ist komplex. Und er ist preiswert.« Buchstaben machen den Mann, dachte Duke und formte jeden einzelnen mit Akribie. Er stellte sich vor, wie seine schön geschriebene Empfehlung für alle sichtbar an der Wand hing.

»Können Sie nicht tippen?«, schnauzte ihn Mr. Perkins tags darauf an. »Blumige Handschriften kann ich nicht lesen. Lesen Sie einfach laut vor!«

»Es ist ein sehr langweiliger Wein, Sir«, stammelte Duke. »Ich mochte ihn nicht. Er ist wie ein … Backstein … in einem Garten. Mir ist nichts dazu eingefallen!«

Mr. Perkins schämte sich. Er misshandelte seinen jungen schwarzen Assistenten, wenn er ihn dazu zwang, sich zu bücken und an einem Backstein zu riechen, während rundum die Rosen blühten. »Verzeihen Sie bitte«, entschuldigte er sich. »Ich möchte es wieder gutmachen. Hier, bitte.« Er bot Duke einen Schluck von einem jungen Barbaresco an.

Mr. Perkins sah, wie Dukes Wangen durch die Stöße aus seinem Inneren zu zittern begannen. Sollte der junge Mann die Noten von Kaffee und Himbeeren doch wirklich genießen. Der Anfänger beugte sich über den Spucknapf und spie die feurige rote Flüssigkeit aus. Er murmelte: »Er pirscht nach vorne!« Sich langsam aufrichtend, fuhr er enttäuscht fort: »Aber es hält nicht vor. Es verwandelt sich in ein Gespenst und … verschwindet … es bleibt nur ein Abgang … von Schießpulver. Es ist wunderbar. Vielen Dank, Sir«, setzte er höflich hinzu.

Mr. Perkins öffnete eine Kiste, in der er seine besten Weine verwahrte. Er breitete eine Serviette darüber, damit man die Etiketten nicht sah. »Dies ist sehr teurer Wein, ich opfere ihn für Sie«, erklärte Mr. Perkins. »Nur um zu hören, was Sie dazu sagen.« Er schenkte jedem von ihnen ein Glas ein.

Mr. Perkins achtete genau auf Dukes Reaktion. Der junge Mann kaute den Wein. Der demütige Ausdruck war einer imposanten Konzentration gewichen. Seine Haltung war nicht mehr militärisch devot, sondern zwanglos, vertraulich – Upper Class. Während er ausspuckte, streckte er die Hand aus und riss die Serviette von der Flasche herunter. Er las laut vor: »1968er Gevrey-Chambertin Lavaux-St.-Jacques Premier Cru«, und wandte sich dann an seinen Chef: »Da stimmt was nicht.«

»Du lieber Gott!«, rief Mr. Perkins mit Angst in der Stimme.

Schwarz und Weiß

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