Читать книгу Tödlicher Samba - Jack Franklin - Страница 11

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Der, der ihn köderte, war sein Nachbar.

Sein Nachbar Heitor.

Antônio kannte ihn seit ewigen Zeiten. Heitor war älter als er

Und größer.

Ein schlaksiger, feingliedriger Typ.

Heitor war ein Musikfreak. Er hörte, was er in die Hände bekam. Jede Stilrichtung. Er hatte nur einen Anspruch: Die Musik musste Qualität besitzen. Wie sein berühmter Namensvetter Heitor Villa-Lobos, der berühmte brasilianische Komponist, hatte er ebenso musikalisches Talent und konnte gut mit Trommeln umgehen. Da seine Trommel fast größer war als er selbst, sagte ein Mann im Spaß zu ihm, er wäre so wie Mozart. Der wäre auch ganz klein gewesen, als er mit dem Klavierspielen angefangen hatte. Und so blieb der Name haften. Ab dem Zeitpunkt war er:

Mozart

Mozarts Vater verließ die Familie, als dieser acht war. Seine Mutter war mit ihm und seinen drei Geschwistern komplett überfordert. Um die vier versorgen zu können, musste sie schwer arbeiten und war den ganzen Tag außer Haus. Wenn sie dann abends nach Hause kam, war sie so erschöpft, dass sie oft kurz nach dem Essen - das sie meist morgens kochte - vor dem Fernseher einschlief.

Ihr Leben war scheiße und das ließ sie ihre Kinder spüren.

Im Haushalt wurde nicht geredet.

Es wurde geschlagen.

Mozarts aufgeweckter Blick sah, wie die Drogenbosse lebten.

Er wollte auch so

Leben.

Zur Gang gehören.

Wollte Drogenboss werden.

Wollte der Dono sein.

Zur Gang zu gehören, war leicht.

Sie brauchten immer jemanden.

Mal einen, der Schmiere stand.

Mal einen, der Drogen verkaufte

Oder anderweitig half.

Die Sterberate war hoch und der Bestand an Handlangern musste immer wieder aufgefüllt werden. Mozart kannte einen Jungen, von dem er wusste, dass der Drogen verkaufte. Getúlio, der Schöne, war älter als er, hatte immer Geld und die neusten, coolsten Sachen und Klamotten. Ein ausgesprochen hübscher Kerl, Typ Surfer-Boy mit blonden Haaren und durchdringenden stahlblauen Augen. Der Schwarm vieler Frauen.

Auf Mozarts Wunsch in der Gang mitzumachen, entgegnete er ihm, er wäre noch zu klein. Aber dieser bettelte so lange, bis Getúlio eines Tages zu ihm meinte, er solle mitkommen. Sie gingen zu Reizhos Haus. Reizho war der Boss der Rocinha, der Dono, den jeder im Viertel kannte.

Mozart war aufgeregt.

Wenn er sich nicht sofort wieder beruhige, könne er gleich wieder gehen, stellte Getúlio unmissverständlich klar. Vor dem Haus standen ein paar Männer, einige kannte er, andere nicht. Als sie reingehen wollten, sprach einer den Schönen belustigt an: »Hey, Babys dürfen hier nicht rein.«

Getúlio antwortete genervt: »Du meinst wohl doch nicht mich, oder?«, und funkelte den Mann aufgebracht an. Dieser lachte laut auf: »Oh, mein hübscher Getúlio, bitte tu mir nix, du großer starker Mann, ich habe sooo Angst vor dir«, und machte mit einer gespielten Geste deutlich, wie angsterfüllt er wäre. Die anderen anwesenden Männer, verwegene Typen, barfüßig und halbnackt, nur mit Bermudashorts bekleidet, in denen die Pistolen stecken, oder denen Maschinengewehre locker über die Schultern hingen, lachten auf.

Der Mann sprach weiter: »Aber nein, Schöner, beruhige dich, ich meine dein Findelkind, das du da mit dir herumschleifst. Er sieht so schmächtig aus. Fast so, als ob man ihn noch auf den Arm nehmen und tragen müsste. So klein ist er«, und wiegte ein imaginäres Baby in den Armen.

»Der Dono will ihn sehen«, schnauzte Getúlio zurück.

Mozart sagte kein Wort und glotzte mit großen Augen.

Getúlio gab ihm eine Kopfnuss und zischte schroff: »Geh´ schon rein!« Die umstehenden Männer lachten alle laut auf. Im Haus wurden sie in einen Raum geführt und auf eine Couch gesetzt.

Dann kam der Dono

Und Mozart wollte am liebsten wieder gehen.

Er war fertig

Total nervös und

Reizho war so cool

Und so imposant.

Eine absolute Respektsperson.

Mozart hatte ihn schon ein paarmal gesehen, aber nie von Angesicht zu Angesicht.

Und nun stand er da, mit nacktem Oberkörper. Seine gewaltige Muskelkraft für jeden ersichtlich. Ein riesiges Drachen-Tattoo, aus dessen Maul Blut troff, schmückte seine Brust und seinen Bauch. Die braunen Augen unter der Stirn, mit den kleinen vernarbten Wunden, die ihn fest fixierten, zeigten vage an, dass sich das Lächeln in dem dunklen Gesicht binnen des Bruchteils einer Sekunde ins Gegenteil verwandeln konnte. Die Gesichtszüge spiegelten die ganze Härte wider, die dieses Leben schon erlebt hatte und dieses Lächeln passte dazu. Es sah gefährlich aus.

Der Boss der Rocinha bot den beiden etwas zu trinken an. Dann sprach er: »Getúlio hat mir von dir erzählt. Du scheinst gut Gitarre zu spielen.«

Mozart saß starr auf der Couch und schaute nur mit großen Augen.

Getúlio gab ihm wieder eine Kopfnuss: »Reizho hat sich was gefragt!«

Mozart nickte.

»Und du möchtest mir also helfen?«

Wieder konnte er sich vor lauter Anspannung kaum bewegen.

Als Getúlio ihm nochmals eine verpassen wollte, packte Reizho schnell dessen Arm und meinte: »Ist gut, geh‘ mal raus.«

Nun waren er und Mozart alleine.

»Du möchtest mir also helfen…? Aber wenn du so still bist, weiß ich nicht, ob ich Recht habe.«

Mozart nickte: »Ja.«

»Ok, du bekommst einen Auftrag. Du gehst zu Oswaldo, er hat etwas für mich und bringst es zu mir. Du kennst doch Oswaldo, den Krummen?«

»Ja, klar.«

»Ok, dann geh‘ und beeile dich.«

Mozart sprang auf und wollte losrennen, als er plötzlich inne hielt. »Gibt mir der Krumme es einfach so oder was soll ich ihm sagen?«

»Ah, schlauer Kerl. Du sagst, du kommst von mir und er soll es dir geben.«

Mozart zischte ab.

Sein erster Auftrag.

Sein Herz sprang.

Und er rannte, wie er vorher noch nie gerannt war. Der Krumme wollte ihm erst nichts geben und versuchte ihn abzuwimmeln, weil er ihn nicht kannte, aber Mozart sagte todernst, wenn er mit leeren Händen zum Dono der Rocinha kommen würde, wäre das nicht sein Problem, sondern

Oswaldos. Widerwillig gab dieser ihm ein Päckchen und Mozart rannte wie der Blitz zurück.

Reizho war erstaunt: »Na, das ging aber schnell, prima!« Er gab ihm ein bisschen Geld und sagte freundlich, er würde ihn holen lassen, wenn er wieder einen Auftrag hätte.

Mozart kaufte sich von diesem Geld seinen ersten Walkman.

Er konnte nun überall Musik hören.

Mozart war glücklich

Mozart war cool

Tödlicher Samba

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