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F. Zur systematischen Trennung von Unrecht und Schuld

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Oben (Rn. 3) wurde das „Standardmodell“ des Verbrechensaufbaus als Abfolge der Konzepte Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld angegeben. Bereits vor über 50 Jahren bezeichnete Welzel diese Gliederung des Verbrechens als „den wichtigsten dogmatischen Fortschritt der letzten zwei bis drei Menschenalter“.[133] Die beiden ersten Stufen lassen sich unter der Bezeichnung „Unrecht“ zusammenfassen.[134] Die Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld wird in der deutschsprachigen Strafrechtswissenschaft heute fast allgemein anerkannt,[135] auch wenn die Abgrenzung im Detail lange Zeit höchst umstritten war.[136] Sie ist darüber hinaus eines der kennzeichnenden Merkmale der neuen internationalen Strafrechtswissenschaft (→ AT Bd. 1: Eric Hilgendorf, Die deutsche Strafrechtswissenschaft der Gegenwart, § 18 Rn. 112 f.; 119 f.). Jescheck und Weigend nennen sie geradezu den „Angelpunkt der Verbrechenslehre“.[137]

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Auch in der Rechtsprechung ist die Unterscheidung von Unrecht und Schuld eine Selbstverständlichkeit geworden, zumal das Gesetz den Unterschied an mehreren Stellen explizit anspricht, etwa in den Vorschriften über die Teilnahme, §§ 26 und 27. Auch die Definition der „rechtswidrigen Tat“ in § 11 Abs. 1 Nr. 5 lässt sich dahingehend interpretieren, dass der deutsche Gesetzgeber vom Leitmodell eines Straftatsystems mit der Grundunterscheidung von Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld ausgeht. Auf der Ebene des Tatbestands wird der Unrechtstyp umschrieben, dessen Verwirklichung mit Strafe bedroht ist, auf der zweiten Ebene, der Rechtswidrigkeit, wird geprüft, ob die Verwirklichung des Unrechtstyps ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Ist dies nicht der Fall, so liegt „Unrecht“ vor. Auf der dritten Analyseebene werden die Besonderheiten des jeweiligen Täters in den Blick genommen und überprüft, ob man die – aus allgemeiner Perspektive unrechtmäßige – Tat dem Individuum vorwerfen kann. Dies meint das Schlagwort von der „Schuld als Vorwerfbarkeit“.

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Wie bei einer so grundlegenden Frage nicht anders zu erwarten, sind jedoch die kritischen Stimmen nie ganz verstummt, die der Unterscheidung von Unrecht und Schuld die Gefolgschaft versagen oder sie zumindest theoretisch anders fassen wollen als die h.M.[138] Die Kritiker argumentieren fast durchweg auf einem sehr hohen rechtstheoretischen Niveau, was der Rezeption ihrer Vorschläge in der juristischen Ausbildung, aber auch in der juristischen Praxis nicht zuträglich ist. In einer offenen, lebendigen Wissenschaft bedürfen jedoch auch die Grundlagen permanenter Kritik und argumentativer Auseinandersetzung. Dies gilt gerade dann, wenn man, wie hier, begriffliche Inhalte nicht als ein für allemal vorgegeben ansieht, sondern als Festlegungen, die sich praktisch bewähren, aber auch scheitern können und dann durch bessere Konzepte ersetzt werden sollten.

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