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2.2 V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD

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Im März 2014 erschien die Auswertung der V. KirchenmitgliedschaftsuntersuchungKirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD. Unter dem Titel „Engagement und Indifferenz – Kirchenmitgliedschaft als soziale Praxis“ werden die Ergebnisse der Befragung innerhalb von vier Themenbereichen ausgewertet. Die Untersuchung bietet repräsentative Ergebnisse für Befragte im Alter von über 14 Jahren, die entweder MitgliederMitglied einer evangelischen Landeskirche sind oder aber konfessionslos und noch nie einer Religionsgemeinschaft angehörten bzw. Mitglied einer evangelischen Landeskirche waren. Die Repräsentativität wird durch die Befragung von 3027 Personen erzielt.1 Für die vorliegende Studie sind die Bereiche drei und vier von besonderem Interesse: „Entwicklungen des evangelischen Profils“ und „Protestantische Potenziale in der Zivilgesellschaft“.2 Die genannten Bereiche bieten einen Einblick in die ErwartungshaltungErwartungshaltung von Kirchengliedern in Bezug auf die Gestalt von und die Erwartungen an Kirche. In diesem Kontext wird auch „Diakonie“ thematisiert. Weiterhin wird unter dem Begriff des „SozialkapitalsSozialkapital“ deutlich, inwieweit, in welchen Bereichen und mit welcher MotivationMotivation sich Christinnen und Christen in der Gesellschaft engagieren.

Zunächst ist deutlich zu machen, dass das Themenfeld „Diakonie“ in verschiedenen Kontexten Beachtung findet und Studienteilnehmende daraufhin befragt werden. Konkretere Fragestellungen zum diakonischen Handeln der Kirche formuliert die Studie jedoch nicht.3 „Diakonie“ kommt unter den Stichworten „Verbundenheit, Mitgliedschaft und Erwartungen – Die Evangelischen und ihre Kirche“ in den Fokus.4 Unter dieser Überschrift wird eruiert, aus welchen Gründen Menschen MitgliederMitglied der evangelischen Kirche sind. Die Gründe und Antwortmöglichkeiten sind vielfältig und „Evangelische, die sich ihrer Kirche verbunden fühlen, stimmen vielfältigen Mitgliedschaftsgründen zu. Besonders hohe Zustimmung erfahren dabei kirchliche Begleitung am Lebensende, ethische Werte, welche die evangelische Kirche vertritt, diakonisches Handeln derselben und der christliche GlaubeGlaube.“5 Interessant ist, dass der Fragebogen nicht dezidiert nach diakonischem Handeln bzw. nach der Diakonie fragt, sondern allgemein die Antwortmöglichkeit „Ich bin in der Kirche, weil sie etwas für Arme, Kranke und Bedürftige tut“6 vorgab.7 Diese Antwortmöglichkeit fand unter der Gruppe der mit der evangelischen Kirche „verbundenen und nicht austrittsbereiten“ Kirchenglieder eine starke Zustimmung. Für „kaum oder nicht“ kirchenverbundene Kirchenglieder spielt die genannte Antwortmöglichkeit hingegen eine geringe bis untergeordnete Rolle. Für diese beiden Gruppen spielen eher der Gedanke einer christlichen BestattungBestattung und der Tradition (Kirchengliedsein, weil es die Eltern auch waren bzw. weil es sich so gehört) eine signifikante Rolle. Keine Ablehnung sondern vielfach Zustimmung findet bei allen befragten Gruppen die Frage nach der kirchlichen Betreuung von Armen, Kranken und Bedürftigen. Die mit der Kirche verbundenen MitgliederMitglied stimmten dieser Frage überwiegend stark zu. Annähernd gleiche Zustimmung wie Ablehnung wird von der Gruppe der kaum oder nicht verbundenen und austrittsbereiten Kirchenglieder formuliert. Die Gruppen der Konfessionslosen stimmten der Fragestellung hingegen überwiegend zu. „Während für weniger kirchenverbundene Evangelische, die nicht austreten möchten, Diakonie, VerkündigungVerkündigung und die Vertretung von Werten zustimmungsfähige kirchliche HandlungsfelderHandlungsfelder sind, befürworten die konfessionslosen Befragten mehrheitlich ausschließlich diakonische Tätigkeiten als Aufgabengebiet der evangelischen Kirche. Abgesehen von den austrittsbereiten Evangelischen, die keiner Aussage dazu, was Kirche tun soll, mehrheitlich zustimmen, wird die Förderung von Kunst und Kultur als kirchliches Tätigkeitsfeld generell akzeptiert.“8 Eine anschließende Frage führt nun doch den Begriff „Diakonie“ ein, indem sie die Zustimmung zum Betreiben diakonischer Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen) abfragt, die im Ergebnis in allen Gruppen vorhanden ist. Lediglich in der Gruppe der kaum oder nicht verbundenen und austrittsbereiten Evangelischen halten sich Zustimmung und Ablehnung die Waage. Damit wird deutlich, dass „[d]iakonisches Handeln […] das einzige auch unter Konfessionslosen mehrheitlich zustimmungsfähige Gebiet kirchlichen Handelns [ist].“9 Allerdings ist die ErwartungshaltungErwartungshaltung der Konfessionslosen in Bezug auf das diakonische Handeln der Kirche geringer ausgeprägt als bei den Kirchengliedern.

Das folgende Kapitel der V. KMU wendet sich der Frage nach sogenannten Diakonischen Potenzialen zu und knüpft damit nahtlos an das vorangehende Kapitel an, das deutlich zeigte, dass sowohl Evangelische als auch Konfessionslose ein soziales Engagement der Kirche erwarten.10 Aufgrund der hohen Zustimmungswerte für das diakonische Engagement von Kirche legt sich der Gedanke nahe, „dass diakonische Einrichtungen hier eine wichtige Brückenfunktion innehaben. Dies schlägt sich nicht zuletzt darin nieder, dass Konfessionslose der Diakonie weitaus mehr Vertrauen entgegenbringen als der evangelischen Kirche […] – ein Rahmen, in dem sogar religiöse KommunikationKommunikation denkbar werden kann. So tauschen sich z.B. Konfessionslose, welche der Diakonie vertrauen, im Vergleich zu den übrigen Konfessionslosen wesentlich häufiger über Sinnfragen oder religiöse Themen aus.“11 Aus praktisch-theologischer Perspektive könnte an diese Wahrnehmung angeschlossen werden, indem stärker danach gefragt wird, inwiefern „Diakonie“ ein missionarischer Aspekt inhärent ist und inwiefern dieser für das kirchliche Leben fruchtbar zu machen ist. Eine geringe Kompetenz wird der Kirche von den Konfessionslosen allerdings in Bezug auf die Lösung von sozialen Problemen zugesprochen. Zunächst werde daran deutlich, „dass das Alleinstellungsmerkmal der Kirche im Bereich Religion und nicht so stark im Bereich Soziales liegt, was einen ganz engen Zusammenhang von Religion und Sozialem relativiert.“12 Interessant an dieser Aussage ist, dass Tätigkeiten im Bereich Religion von den Befragten aber gerade nicht als primäres Handlungsfeld kommuniziert wurden – der Fokus lag wie soeben dargestellt auf den sozialen Tätigkeiten. Zu erklären könnte dieses Paradox mit dem Hinweis sein, dass „Diakonie“ von den Befragten nicht bzw. wenig als „sozialer Beitrag der Kirche wahrgenommen [wird.] Das recht verbreitete Vertrauen in die Diakonie schlägt deshalb vor allem bei den Konfessionslosen nicht auf die der Kirche zugeschriebene Kompetenz in sozialen Dingen durch.“13 Eventuell könnte dieses Ergebnis als ein Hinweis darauf verstanden werden, dass für einen Großteil der Befragten eine Verbindung zwischen evangelischer Kirche und institutionalisierter Diakonie nicht mehr deutlich ist. Worauf dies zurückzuführen ist, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Jedoch erscheint dieser Umstand höchst bedenklich, wenn „Diakonie“ als LebensäußerungLebensäußerung von Kirche verstanden werden soll.14

Weiterführend wäre nach dem sozialen Engagement von Evangelischen und Konfessionslosen zu fragen. Auch diesem Themenbereich widmet die V. KMU ihre Aufmerksamkeit, befragt sie doch die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer nach ihrem ehrenamtlichen Engagement. Dies geschieht unter dem Stichwort des „SozialkapitalsSozialkapital“. Darunter ist die „Frage nach der Existenz und der Entwicklung sozialen Vertrauens aufgrund sozialen Engagements“15 zu verstehen unter der zentralen Annahme, „dass freiwilliges Engagement sich günstig auf die Ausbildung sozialen Vertrauens gegenüber (allen) Mitmenschen auswirkt.“16 Grundsätzlich festzuhalten ist das innerkirchliche Engagement von Evangelischen, darüber hinaus sind viele Evangelische aber auch außerhalb der Kirche engagiert; sie sind „überdurchschnittlich oft bereit, sich sozial zu engagieren.“17 Offen bleibt, mit welcher MotivationMotivation dieses Engagement geschieht.18 Anhand der Ergebnisse wird hingegen deutlich, dass mit dem Engagement offensichtlich ein starkes Vertrauen in Institutionen, soziale Gefüge und Menschen verbunden ist, das sich positiv auf das soziale Gefüge innerhalb der Gesellschaft auswirkt. Dieses Vertrauen könnte sich unter anderem aus „religiös-normativen Motive[n] christlicher NächstenliebeNächstenliebe“19 speisen. Oder auch aus dem aktiven Engagement, das vielfältige Begegnungsmöglichkeiten schafft.

Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl

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