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3.1.1 Darstellung 3.1.1.1 Zu „διακονέω“

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Bevor Beyer auf das Neue Testament Bezug nimmt, bietet er einen Überblick über den Gebrauch des Begriffs außerhalb der biblischen Literatur. Dieser Überblick ermögliche einen Einblick in das Verständnis des Dienstbegriffs innerhalb der griechischen Kultur und des Judentums und damit in den kulturellen Horizont, innerhalb dessen sich der neutestamentliche Begriff zu verorten habe.

Als grundlegende Erkenntnis für das Verständnis des Begriffs, der zuerst bei Herodot zu finden sei, sei die Tatsache anzusehen, dass ihm eine dezidierte inhaltliche Füllung innerhalb der Profangräzität vorausgehe, nämlich die Aufwartung bei Tisch (vgl. Aristophanes, Ach 1015ff.; Diodorus, V 28,4; Euphron, AthenAthen IX 21; Plutarch, Virtutem Doceri Posse 3 II 440c), das Kredenzen (vgl. Pseudo-Lukian, Asin 53) bzw. das Herrichten des Hochzeitsmahles (vgl. Euphron, AthenAthen IX 20; Euphron, AthenAthen VI 46; Dion Chrysostomos, Or 7, 65).1 Darüber hinaus diene er auch zur Bezeichnung für das Sorgen um den Lebensunterhalt (vgl. Sophokles, Phil. 285ff.; als Tätigkeit der Frauen in: Platon, Leg VII 805e; Plutarch, Adulat 22, II 63 d).

Zunächst sei das Dienen, wie Beyer mit Rekurs auf Platon (vgl. Gorg 491e.492b.521a-b) festhält, in den Augen eines Griechen eine minderwertige Tätigkeit, die einem Mann unwürdig sei. Lediglich das Dienen für den Staat erfahre eine Hochachtung.2 Grundsätzlich sehe „der Grieche […] das Ziel des Menschenlebens in der vollkommenen Entfaltung der einzelnen Persönlichkeit. Von daher ist ihm der Sinn eines Diensts am Anderen verschlossen.“3 Auch der Dienst eines Staatsmannes, der ein διάκονοςδιάκονος τῆς πόλεως sei, führe nicht zu einem Dienst am Anderen, der mit Selbstaufopferung verbunden sei: „[Dieser Dienst, JQ] ist vom SelbstverständnisSelbstverständnis des Ichs als Mikrokosmos bestimmt und führt, auch wenn er gewisse Entsagungen auferlegt, nicht zu einer wirklichen Selbstentäußerung um des Anderen willen. Der Dienst wird nicht zur Hingabe, wie er nicht zu den Kräften gehört, die Himmel und Erde zusammenhalten.“4 Diese Auffassung bleibe auch bei Aristoteles und im HellenismusHellenismus bestehen (vgl. Epiktet, Diatr. III 22,69.24,65), fokussiere sich aber auf den Gedanken, dass der Weise ein Diener Gottes sei (vgl. Epiktet, Diatr. III 26,28; IV 7,20). „Aber die konkreten Pflichten gegenüber dem Nächsten verschwinden demgegenüber fast ganz. Vollends davon, daß er dazu da sei, einem Anderen zu dienen, kann bei dem freien und weisen Griechen keine Rede sein.“5

Ein tieferes Verständnis für den Sinn des Dienens bescheinigt Beyer dem Judentum: Dienen sei hier nicht per se etwas Unwürdiges. Besonders verweist Beyer auf das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, das als positives Knechts- bzw. Dienstverhältnis gezeichnet werden könne.6 Die angeführten Belege bei Philon (vgl. VitCont 70VitCont 70Philon von Alexandrien; VitCont 75VitCont 75Philon von Alexandrien) und Flavius JosephusJosephus, Flavius (vgl. Flav.Jos.Ant. XI 163Flav.Jos.Ant. XI 163Flavius Josephus; Flav.Jos.Ant. VI 52Flav.Jos.Ant. VI 52Flavius Josephus; Flav.Jos.Ant. XI 166Flav.Jos.Ant. XI 166Flavius Josephus; Flav.Jos.Ant. XI 188Flav.Jos.Ant. XI 188Flaivus Josephus; Flav.Jos.Ant. XVIII 74Flav.Jos.Ant. XVIII 74Flavius Josephus; Flav.Jos.Ant. IX 25Flav.Jos.Ant. IX 25Flavius Josephus; Flav.Jos.Ant. XVII 140Flav.Jos.Ant. XVII 140Flavius Josephus; Flav.Jos.Ant. VII 365Flav.Jos.Ant. VII 365Flavius Josephus) sollen zeigen, dass der Begriff neben der Bezeichnung eines allgemeinen Dienens (ohne Spezifikation des Aufgabenbereiches) auch wiederum den TischdienstTischdienst und einen liturgischen Dienst bezeichnen könne.7 Mit Lev 19,18Lev 19,18 sei ferner das Gebot und die Verpflichtung zum Dienst am Nächsten der jüdischen Tradition ins Stammbuch geschrieben worden. Im „Spätjudentum“ sei dann jedoch der Verdienstgedanke in den Vordergrund getreten, wodurch die Intention von Lev 19,18 eine Trübung erfahren habe.8

Beyer hält bei der Darstellung von διακονέω im Neuen Testament fest, dass der jesuanische DienstbegriffDienstbegriff aus dem alttestamentlichen LiebesgebotLiebesgebot heraus entstanden und in Erweiterung mit dem Gebot der GottesliebeGottesliebe „[durch Jesus selbst, JQ] zum Inbegriff der gottgewollten sittlichen Haltung des ihm nachfolgenden Menschen gemacht“9 worden sei. Damit verbunden sei eine „Reinigung“ des Begriffs von „Verfälschungen, die er im Judentum erfahren hat.“10 Nach Beyer ist das Dienen diejenige Haltung, die einen JüngerJünger Jesu als ebensolchen auszeichne.11 Im Anschluss an Lk 17,8Lk 17,8; Lk 12,37Lk 12,37 und Joh 12,2Joh 12,2 verortet Beyer den Ursprung von διακονέω zunächst im TischdienstTischdienst. In Lk 22,26f.Lk 22,26f. stelle Jesus das Verhältnis von Diener und Bedienten auf den Kopf, wenn er dem, der der Größte sein will, rät, ein Diener zu werden. Dabei bringe sich Jesus selbst als Beispiel in den Mittelpunkt dieser Aussage, wie Lk 22,27Lk 22,27 deutlich zeige. Beyer hält ferner fest, „daß Jesus nicht nur einen grundstürzenden Wandel in der Wertung menschlichen Seins und Tuns gedanklich heraufführt, sondern eine neue Gestaltung aller Beziehungen zwischen den Menschen als Wirklichkeit hinstellt.“12 Mit Rückgriff auf Apg 6,2Apg 6,2 komme nach Beyer sodann auch der Dienst im Zusammenhang mit einer Mahlzeit in den Blick. Also der Dienst der „Leitung der LiebestätigkeitLiebestätigkeit im Gegensatz zur WortverkündigungWortverkündigung in der Gemeinde.“13 Fürsorgende Tätigkeiten, besonders in Zusammenhang mit der Bewirtung von Gästen, könnten ebenfalls unter diesem DiakoniebegriffDiakoniebegriff subsumiert werden.14

Neben dem Gebrauch in Bezug auf den TischdienstTischdienst könne der Begriff auch zur Bezeichnung allgemeiner Dienste bzw. Aufgaben gebraucht werden. Diese Verwendung finde ihr inhaltliches Zentrum in Mt 25,42–44Mt 25,42–44. In dieser Perikope bezeichne der Begriff nach Beyer „den Vollsinn christlicher Liebesbetätigung gegenüber dem Nächsten und zugleich die rechte Jüngerschaft Jesu […], denn was der Christ dem Geringsten unter seinen Mitmenschen antut, das tut er dem Herrn selbst.“15 Der DiakoniebegriffDiakoniebegriff erhalte in dieser Lesart eine dezidiert christologische Füllung. Diese impliziere eine Umkehrung der Dienst- und AbhängigkeitsverhältnisseAbhängigkeitsverhältnis. Der Weg zur Herrlichkeit führe sodann – wie der Weg Jesu – durch Leiden und Tod. Somit sei es ein Weg der Umkehrung, wie Beyer mit Mk 10,43–45Mk 10,43–45 bzw. Mt 20,26–28Mt 20,26–28 festhält: Derjenige, der groß sein will, müsse zum Diener werden – orientiert am dienenden Verhalten des Kyrios Jesus Christus.16 „Der Sinn des Leidens liegt in dem Dienst, der darin geschieht. So erst wird es zum Opfer. Darum gibt es für den Christen nur einen Weg zur Größe, den, daß er Diener, διάκονοςδιάκονος ὑμῶν, ja Knecht aller, πἀντων δοῦλος, wird.“17 Mk 10,45Mk 10,45 weite den Fokus der Begriffsbestimmung so, dass nicht mehr primär der TischdienstTischdienst und andere karitative Tätigkeiten in den Blick genommen würden, sondern „Diakonie“ vielmehr „als Vollzug eines ganzen OpfersOpfer, als Hingabe des LebensLebenshingabe verstanden wird, die ihrerseits Inbegriff des Dienens, des Für-die-Anderen-da-seins im Leben und Sterben ist. Damit erreicht der Begriff des διακονεῖν seine letzte theologische Tiefe. […] Dem Nächsten, Christus und Gott zu dienen, ist eins. Die Gemeinschaft mit dem Vater, die dadurch entsteht, ist der Lohn solchen OpferdienstesOpferdienst.“18

1Petr 4,10f.1Petr 4,10f. betone zudem die Mannigfaltigkeit der GabenGaben innerhalb der Gemeinde und die Dienstmöglichkeiten der Christinnen und Christen, die sich nicht in einer bestimmten Art und Form der Hilfe erschöpfen würden. Beyer hält fest, dass 1Petr 4,111Petr 4,10f. – analog zu Apg 6Apg 6 – zu differenzieren wisse zwischen dem Dienst am Wort und allen anderen Diensten der Tat. Der „Dienst mit der Tat […] wird in besonderem Sinne als διακονεῖν beschrieben. Er soll geschehen aus der Kraft, die Gott verleiht, und allein zu Gottes Verherrlichung. Nichts von WerkgerechtigkeitWerkgerechtigkeit oder frommem Stolz darf dem rechten christlichen Dienen anhaften. Es geschieht von Gott her und auf Gott hin.“19 Auch das Apostelamt sei diesem Dienst zuzurechnen.20

Mit Bezug auf 2Kor 8,19f.2Kor 8,1ff. kann Beyer die KollekteKollekte unter dem entfalteten DiakoniebegriffDiakoniebegriff subsumieren. Ganz grundsätzlich könne der Begriff aber auch den allgemeinen LiebesdienstLiebestätigkeit der Christinnen und Christen untereinander bezeichnen (vgl. Hebr 6,10Hebr 6,10), weshalb die Kollekte in diesem Sinn als besondere inhaltliche Bestimmung des DiakoniebegriffsDiakoniebegriff innerhalb des Neuen Testaments anzusehen sei.21

Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl

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