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3.1.2 Kritische Würdigung

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Nach Beyer hat der christliche DiakoniebegriffDiakoniebegriff eine Fülle an Bedeutungen, die nur schwerlich unter einen Oberbegriff zu bringen sind. Jedoch wird deutlich, dass sich die so bezeichneten Tätigkeiten zumeist im Raum der Gemeinde vollziehen, dort ihren Sitz im Leben haben und der Begriff mehr bezeichnet als nur den TischdienstTischdienst. Diese Tätigkeiten dienen vielmehr dem Aufbau der Gemeinde. Offen bleibt, ob diesen Tätigkeiten damit eine gewisse Exklusivität anhaftet, da die Adressatinnen und Adressaten Gemeindeglieder sind. Im Gegensatz zur paganen Umwelt erhalte der Begriff zudem durch die Qualifizierung und die Orientierung am Leben Jesu eine besondere Qualität. Er werde zur Bezeichnung eines OpferdienstesOpferdienst, wie Beyer unter Rückgriff auf Mk 10,43–45Mk 10,43–45 bzw. Mt 20,26–28Mt 20,26–28 festhält. „Diakonie“ ist damit als OpferdienstOpferdienst zu verstehen, weil der Dienst für die Nächste bzw. den Nächsten das gesamte Leben in Anspruch nehme und fordere. Orientierung erhalte dieses Verhalten durch die Ausrichtung an dem und der NachahmungNachahmung des Lebens Jesu Christi. Damit bekomme das Dienen eine neue Qualität: Entgegen der vermeintlichen Abqualifizierung des Dienens als unwürdige Arbeit erhalte das Dienen unter christlichen Vorzeichen seine WürdeWürde durch die Ausrichtung auf Jesus Christus, der Ziel und Empfänger aller „Diakonie“ sei. Genau genommen enthalte diese Begriffsbestimmung aber eine noch weitergehende Konsequenz als die paganen Begriffe für das Dienen: Es handle sich dabei um die notwendige SelbstaufgabeSelbstaufgabe des Dienenden, der nur dadurch zur „richtigen“ Dienerin bzw. zum „richtigen“ Diener und Diakon bzw. zur Diakonin werden könne. Das eigene „Ich“ müsse gänzlich im Dienen aufgehen bzw. dahinter zurücktreten. Insofern sei christliche „Diakonie“ nicht frei von Vorbedingungen, sondern verlange einen entsprechenden LebenswandelLebenswandel, der den Geringsten unter den Mitmenschen ähnlich werde. Darüber hinaus wird deutlich, dass der Begriff innerhalb der neutestamentlichen Literatur eine Vielzahl an Bedeutungen besitzt und nicht allein auf sozial-fürsorgliches HandelnHandeln, sozial-fürsorglich zu begrenzen ist. Aus den vorliegenden Wörterbucheinträgen wird also ersichtlich, dass sich die Verwendung des DiakoniebegriffsDiakoniebegriff nicht allein in der Bezeichnung von diesem Bereich zugehörigen Tätigkeiten erschöpfen kann.

Kritisch zu hinterfragen ist – neben dem fragwürdigen Gebrauch des Begriffs „Spätjudentum“ – die negative Zeichnung des Dienstgedankens im Judentum, dessen MotivationMotivation nach Beyer lediglich im Vollbringen guter Taten zur Rechtfertigung vor Gott zu sehen sei. Schwierigkeiten ergeben sich dabei aus einer fehlenden Quellenangabe und einer ebenfalls fehlenden hermeneutischen Grundlegung. Ebenso kritisch anzufragen ist die von Beyer festgestellte Bereinigung dieser angeblichen negativen Motivation durch Jesus.1 Weiterhin ist auch das Motiv der persönlichen SelbsthingabeSelbsthingabe zu hinterfragen, zumal persönliche SelbsthingabeSelbsthingabe in der NachfolgeNachfolge Jesu limitiert und in ihrer Zielrichtung von der des Lebens Jesu verschieden ist, wie später noch dargestellt werden wird.2

Im Gespräch mit den Ausführungen Beyers ergeben sich mehrere Aspekte, die gleichermaßen eine Relevanz für die exegetischen und diakoniewissenschaftlichen Fragestellungen besitzen. Im Einzelnen sei auf folgende Anfrage verwiesen: Wenn die von Beyer herausgestellte (und zu kritisierende) SelbsthingabeSelbsthingabe eines diakonisch Handelnden eine evidente Bedeutung für den DiakoniebegriffDiakoniebegriff besitze, ist zu fragen, warum dieser keine Relevanz in aktuellen Verlautbarungen diakonischer WerkeDiakonische Werke und Verbände zukommt. Zumindest für die durchgeführte exemplarische Bestandsaufnahme aus aktuellen Texten der Diakonie ist ein negativer Befund festzuhalten: Das Motiv der persönlichen SelbsthingabeSelbsthingabe erfährt keine Würdigung innerhalb aktueller Verlautbarungen. Welche Verbindung besteht also zwischen exegetischer Wissenschaft und den Verlautbarungen der Diakonie bzw. der DiakoniewissenschaftDiakoniewissenschaft?

Zugleich ist die Frage zu stellen, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Diakonie ihre Arbeit selbst als einen solchen Dienst der SelbsthingabeSelbsthingabe verstehen bzw. verstehen können. In diesem Zusammenhang drängt sich ferner die Frage auf, ob der Gedanke der SelbsthingabeSelbsthingabe überhaupt eine praktische Plausibilität besitzt und besitzen kann, wenn zunehmend Menschen in der Diakonie arbeiten, die keinen oder nur einen marginalen Bezug zum christlichen GlaubenGlaube besitzen. Liegt hierin die Ursache für den negativen Befund, dass das Motiv der SelbsthingabeSelbsthingabe keine Relevanz in den Texten der Diakonie besitzt? Letztlich stellt sich damit die Frage nach der MotivationMotivation für die Arbeit in der Diakonie und es schließt sich die Frage nach einer biblischen Begründung diakonischer Arbeit an, die u.U. weitere Perikopen einschließen muss als allein die Belegstellen für die skizzierte Wortgruppe.

Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl

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