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10 – Kleve, 24. April 1531

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Herzog Johann stand mit seinem Berater Konrad Heresbach im Archiv des Spiegelturms und warf einen skeptischen Blick auf die Gewölbedecke. »Mir wurde zugetragen, Mauerwerk riesele herunter. Nicht, dass uns das Gemäuer auf den Kopf fällt wie einst der alte Donjon.«

»Das glaube ich nicht, Durchlaucht. Ich habe mit Eurem Baumeister gesprochen, der zusätzlich Rat bei einem erfahrenen Kölner Kollegen eingeholt hat. Er kennt den Mann von früher. Es handele sich nicht um Mauerwerk, sondern lediglich um etwas Putz, haben die Herren übereinstimmend festgestellt. Der sei damals zu früh mit Kalk gestrichen worden und nicht richtig durchgetrocknet. Jetzt, wo die Bindung des Kalks nachlasse, komme es an manchen Stellen zu einem Herausbröckeln kleiner Putzteile. Das Schlimmste, was passieren könne, sei, dass jemandem ein Stückchen Putz auf den Kopf fällt und alles abgeschlagen und neu aufgebracht werden müsse. Das Tonnengewölbe, hat Euer Baumeister versichert, sei von überragender Festigkeit.«

Der Herzog schien nicht überzeugt. »Euer Wort in Gottes Ohr. Und ich hoffe, dass nicht gerade ich dort stehe, wo der Putz herunterplumpst.«

»Das hoffe ich auch, Durchlaucht.«

»Nett von Euch.«

Die beiden Männer verließen das Archiv und traten unter die Arkaden im Innenhof. Es hatte zu regnen begonnen und ein stürmischer Westwind versetzte den vergoldeten Schwan, der auf dem Schwanenturm als Wetterfahne prangte, in heftige Drehbewegungen. Ein Geräusch erklang, das sich wie das entfernte Heulen eines wilden Tieres anhörte.

»Der Schwan ruft«, meinte der Herzog lächelnd. »Hoffen wir auf besseres Wetter.«

»Das sind nur die letzten Zuckungen des Winters«, erwiderte Konrad Heresbach. »Man kann den Frühling schon riechen.«

»Tatsächlich?« Der Herzog sog lautstark die Luft durch die Nase ein. »Das Einzige, was ich rieche, sind die Kochschwaden der Küche.« Er drehte sich um. »Kommt, lasst uns den Saal aufsuchen. Da ist es zwar auch nicht viel wärmer als hier, aber wenigstens nicht so stürmisch.«

Wie immer brannte im Palas ein heftig flackerndes Kaminfeuer. Bedienstete brachten gewürzten Wein und kandiertes Obst und der Herzog nahm auf einem der Stühle Platz, die vor dem Tisch standen.

»Was macht mein Sohn für Fortschritte?«

»Beim Reiten oder im Lateinunterricht?«, fragte Heresbach zurück.

Der Landesherr schmunzelte. »Ihr wisst, was ich meine.«

»Wenn ich ehrlich bin, keine. Wilhelm ist mit seinen Gedanken nicht recht bei der Sache, hat mir sein Lehrer berichtet. Und die Offiziere, mit denen er in seiner Freizeit verkehrt, sind nicht gerade das, was ich als gute Vorbilder bezeichnen würde.«

Johann hob, spielerisch drohend, den Zeigefinger. »Vorsicht, Heresbach. Ihr bewegt Euch auf dünnem Eis. Lasst sie das bloß nicht hören. Die Armee ist nur so gut wie ihre Offiziere und mein Herzogtum so bedeutend wie meine Armee.«

»So habe ich das nicht gemeint, Durchlaucht.«

»Ich weiß ja.«

»Euer Sohn braucht anderen Umgang. Wenigstens einige Stunden am Tag.«

Der Herzog seufzte. »Wenn ich Euer Gesicht sehe, ahne ich bereits, dass Ihr mir gleich einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten werdet. Nun raus damit. Wen von Euren verknöcherten Gelehrtenkollegen habt Ihr zum Vorbild meines Sohnes auserkoren?«

»Keinen Gelehrten, Euer Durchlaucht. Einen annähernd Gleichaltrigen.«

»Ich höre wohl nicht recht. Welcher Adelssprössling im Umkreis von einhundert Meilen taugt für diese Rolle?«

»Der junge Mann, den ich im Auge habe, ist nicht von Adel. Er stammt aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie aus Hattingen und ist rund drei Jahre älter als Euer Sohn. Sein Vater ist Jorge von Linden, seine Mutter die Tochter eines ehemaligen Bürgermeisters der Stadt. Hinrick, so heißt er, ist gut erzogen, äußerst belesen für sein Alter und spricht mehrere Sprachen. Er wäre der geeignete Begleiter für Euren Sohn. Sein Vater hat übrigens vor gut zwanzig Jahren damit gedroht, den Euren vor das Femegericht zu zerren.«

Die Verblüffung stand dem Herzog ins Gesicht geschrieben. Dann lachte er los. »Er wollte meinen Vater verklagen?«

»So heißt es.«

»Weshalb?«

»Es ging um eine Wiese in Linden. Aber er hat seine Drohung nicht wahr gemacht. Mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen.«

»Ihr haltet also den Sohn eines Mannes, der meinen Vater der Feme ausliefern wollte, für geeignet, Wilhelm zum Lernen zu bewegen?«

»So ist es.«

»Ich nehme an, wenn ich nicht zustimme, droht Ihr wieder mit Demission oder Ähnlichem?«

Heresbach senkte nur den Kopf.

»Einen Versuch ist es wert. Auf jeden Fall ist es ein amüsanter Gedanke.« Der Herzog schüttelte den Kopf. »Auf so einen Vorschlag könnt wohl nur Ihr kommen, Heresbach.«

»Kann ich also mit dem Vater des Jungen sprechen?«

»Tut das. Aber sagt ihm unmissverständlich, dass er mir weder die Feme noch den Kölner Erzbischof auf den Hals hetzen soll.« Johanns breites Grinsen verdeutlichte, dass er seine Worte selbst nicht ernst nahm. »Ihr werdet den Auserwählten bezahlen müssen.«

»Natürlich, Durchlaucht.«

»An was hattet Ihr gedacht?«

»Dreißig Gulden im Jahr.«

»Der Sold eines einfachen Soldaten«, stellte Herzog Johann fest. »Sei’s drum. Tut, was Ihr nicht lassen könnt. Eins noch.«

»Ja, Euer Durchlaucht?«

»Was ist mit dem Entwurf der Kirchenreform?«

»Wir arbeiten daran.«

»Und wie lange wollt Ihr mich noch warten lassen?«

»Bis zum Ende des Jahres werdet Ihr Euch noch gedulden müssen.«

Der Herzog griff zum Weinbecher. »Wenn uns die Prädikanten bis dahin nicht die Butter vom Brot genommen haben«, erwiderte er nachdenklich.

Ein Königreich von kurzer Dauer

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