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Die Hierarchie an Bord

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An der Spitze der Bordhierarchie stand der Kommandant. Auch auf Handelsschiffen gab es eine klare Befehlsstruktur mit dem Kapitän an der Spitze, obgleich hier die Disziplin meist weniger streng gehandhabt wurde. Große Kriegsschiffe, wie Linienschiffe und Fregatten, wurden von Offizieren im Range eines Post Captains (deutsch Kapitän zur See), kleinere Kriegsschiffe wie Korvetten hingegen von Commandern (deutsch Korvettenkapitän) befehligt, während die kleinsten Schiffe, zum Beispiel Kanonenbriggs oder bewaffnete Transportschiffe, unter dem Kommando eines Leutnants standen.

Der Kommandant eines Kriegsschiffs besaß eine fast unumschränkte Kommando- und Strafgewalt über seine Männer. Es lag in der Macht des Kommandanten, ein glückliches Schiff oder eine schwimmende Hölle zu schaffen. Er allein entschied, ob er sein Schiff milde oder streng führte, ob er mit der Peitsche oder durch sein Vorbild an Bord regierte.

Die strenge Disziplin an Bord britischer Kriegsschiffe war nicht allein aus militärischen Gründen, sondern vor allem aufgrund der ständigen Auseinandersetzung mit den Naturgewalten erforderlich. Auf See können Notsituationen jederzeit und völlig unerwartet auftreten. Die sichere Beherrschung eines Segelschiffs setzte daher ein hohes Maß an Organisation und das koordinierte Handeln aller Besatzungsmitglieder voraus. Die rechtliche Grundlage der Disziplin in der Royal Navy bildeten die sogenannten Kriegsartikel, englisch: Articles of War. Viele Bestimmungen sahen als einzige Strafe den Tod vor – doch das galt auch für die damaligen Strafgesetze an Land. Während bei schweren Straftaten, wie Desertion oder Meuterei, ein Kriegsgericht zuständig war, wurden kleinere Delikte wie Nachlässigkeit oder Trunkenheit im Dienst ohne Gerichtsverfahren durch den Kommandanten geahndet. Bei geringfügigen Verfehlungen wurden Strafarbeiten oder der Entzug der täglichen Rumration verhängt, bei schwereren Vergehen die Matrosen mit der „neunschwänzigen Katze“ ausgepeitscht. Offiziell durfte ein Kommandant ohne ein Kriegsgerichtsurteil höchstens zwölf Peitschenhiebe verhängen, doch wurde diese Vorschrift regelmäßig missachtet.

Bei der Führung des Schiffs wurde der Kommandant von seinen Offizieren unterstützt. Sie standen im Rang eines Leutnants und waren durch ein königliches Patent bestallt. Zu ihren Aufgaben gehörte in erster Linie das Wachegehen; zugleich überwachten sie die Ausführung der Segelmanöver und führten im Gefecht den Befehl auf den Geschützdecks.

Im Idealfall verband Offiziere und Mannschaft ein auf gegenseitigem Respekt basierendes Vertrauensverhältnis. Gute Offiziere behandelten die ihnen unterstellten Seeleute anständig und sorgten sich um ihr Wohl, denn ohne die Kooperation der Matrosen konnten sie das Schiff nicht führen. Nur schlechte Offiziere schikanierten und tyrannisierten die Matrosen. Verstieß ein Offizier gegen den Verhaltenskodex oder drangsalierte er die Mannschaft über ein tolerierbares Maß hinaus, wurde er von seinen Kameraden sozial geächtet oder von seinen Vorgesetzten aus dem Dienst entfernt.

Ein Seeoffizier musste in erster Linie ein fähiger Seemann sein. Aus diesem Grund war seit 1677 für die Beförderung zum Leutnant ein mündliches Examen in Navigation und Seemannschaft vorgeschrieben. Die Kandidaten mussten 20 Jahre alt sein und sechs Jahre Seedienstzeit als Offiziersanwärter nachweisen können. Mehr als andere Institutionen in jener Zeit belohnte die Marine Verdienst und Leistung. Grundlage für eine erfolgreiche Offizierskarriere war professionelles Können. Doch für den Aufstieg in die höheren Dienstränge war neben Glück und der Fähigkeit, Gefechte und Krankheiten zu überleben, die Unterstützung durch hochgestellte Förderer innerhalb und außerhalb der Marine die wichtigste Voraussetzung. Ohne Patronage hatten auch tüchtige Offiziere nur wenig Aussicht auf einen raschen Aufstieg und warteten oft genug vergeblich auf eine Beförderung. Wie die englische Gesellschaft an Land, war auch die Royal Navy damals von einem komplizierten Geflecht gegenseitiger Beziehungen durchzogen, wobei aber zumeist darauf geachtet wurde, nur geeignete Kandidaten zu fördern, um das eigene Ansehen innerhalb des Seeoffizierskorps nicht zu gefährden. Diese eng gewobenen Patronageseilschaften umfassten Offiziere, Deckoffiziere und sogar einfache Matrosen, die für ihre Treue mit Beförderungen und Dienstposten belohnt wurden.

Obgleich die Besatzung eines Kriegsschiffs auf engstem Raum zusammenlebte, existierten zwischen Seeoffizieren und Matrosen deutliche soziale Schranken, deren Überschreiten nur in wenigen Fällen möglich war. Während die Offiziere meist aus dem Adel oder dem Bürgertum stammten, waren die einfachen Seeleute in der Regel Angehörige der ländlichen und städtischen Unterschichten. Der Aufstieg zum Deckoffizier oder Warrant Officer bot aber auch den einfachen Seeleuten gewisse Karrierechancen. Die Deckoffiziere standen im Rang zwischen den Seeoffizieren und den Unteroffizieren. Als erfahrene Fachleute bildeten sie das Rückgrat der Besatzung eines jeden Kriegsschiffs. Im Gegensatz zu den Seeoffizieren erhielten die Deckoffiziere ihre Ernennung jedoch nicht durch ein königliches Patent, sondern durch eine als Warrant bezeichnete Bestallung des Navy Board, der Marineverwaltung.

Der höchste Deckoffizier an Bord war der Sailing Master. Als Navigationsoffizier des Schiffs musste er ein tüchtiger Seemann und Nautiker sein. Sein Status und sein Sold entsprachen dem eines Leutnants. Häufig hatten sich die Master bereits als Kapitän oder Steuermann in der Handelsschifffahrt bewährt, bevor sie in den Dienst der Royal Navy getreten waren. Einen deutlich geringeren Rang besaßen die Handwerker unter den Deckoffizieren, wie Bootsmann, Kanonier und Zimmermann, die sich meist aus dem Mannschaftsstand hochgedient hatten.

In Friedenszeiten bestanden die Mannschaften der britischen Kriegsschiffe durchweg aus Freiwilligen. In Kriegszeiten, wenn Hunderte von Kriegsschiffen bemannt werden mussten, reichte die Zahl der Freiwilligen bei weitem nicht aus, sodass meist keine andere Wahl blieb, als Seeleute zu „pressen“, also zum Dienst in der Royal Navy zu zwingen. Laut Gesetz durften nur Seeleute zum Marinedienst zwangsverpflichtet werden. Vom Pressen ausgenommen waren alle Nicht-Seeleute sowie Jungen unter 18 Jahren und Männer über 55 Jahren, ebenso wie Fischer, Lotsen, Offiziere und Kapitäne von Handelsschiffen oder Männer, die einen Schutzbrief, englisch Protection, besaßen. Eine extreme Maßnahme in Zeiten höchster Not war die hot press, bei der die Presspatrouillen wahllos alle Seeleute aufgriffen, deren sie habhaft werden konnten, egal ob sie einen Schutzbrief hatten oder nicht.

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