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Vorwort

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Der 28. April 1789 war der schwärzeste Tag im Leben von William Bligh. Eine Gruppe von Meuterern unter Führung des Ersten Offiziers Fletcher Christian riss das Kommando über Seiner Majestät Transportschiff BOUNTY an sich und setzte den Kommandanten zusammen mit 18 Getreuen mitten im Pazifischen Ozean aus. Es gab in der Geschichte der Seefahrt zahlreiche andere, blutigere Meutereien, dennoch hat keine andere Rebellion an Bord eines Schiffes die Gemüter der Menschen so fasziniert wie die Ereignisse auf der BOUNTY. Verglichen mit anderen Meutereien war das Geschehen an Bord der BOUNTY unspektakulär. So lehnte sich 1797 die Mannschaft der britischen Fregatte HERMIONE gegen die sadistische Schreckensherrschaft ihres Kommandanten Hugh Pigot auf, der seine Männer gnadenlos auspeitschen ließ. Die Seeleute ermordeten ihn und neun seiner Schiffsoffiziere und liefen anschließend zu den Spaniern über. Es war die blutigste Meuterei in der Geschichte der Royal Navy. Demgegenüber hatte es an Bord der BOUNTY weder Tote noch Verwundete gegeben. Wäre Bligh auch nur im Entferntesten so brutal wie Pigot gewesen, hätte er die Meuterei wohl nicht überlebt. Dennoch ist er zum Sinnbild für einen Tyrannen auf dem Achterdeck geworden. In zahllosen Filmen und Romanen wurde Bligh als brutaler Despot porträtiert, der seine Seeleute so lange schikanierte, bis diese schließlich keinen anderen Ausweg mehr sahen, als sich gegen ihn zu erheben.

Dies ist auch die Geschichte, die in dem berühmten Film „Meuterei auf der Bounty“ von 1962 erzählt wird, mit Trevor Howard als William Bligh und Marlon Brando als Fletcher Christian. Seitdem ich diesen Klassiker zum ersten Mal sah, fasziniert mich die Geschichte der BOUNTY und ihres Kommandanten. In diesem Film wird Fletcher Christian als aufrechter Held porträtiert, den sein Gewissen schließlich dazu zwingt, sich gegen seinen tyrannischen Kommandanten aufzulehnen. So wurde die Meuterei auf der BOUNTY zum Musterbeispiel für einen gerechten Aufstand gegen einen Despoten. Doch nachdem ich mich als Historiker intensiver mit der Biographie William Blighs beschäftigt habe, ergibt sich ein deutlich differenzierteres Bild. Bligh war kein unbarmherziger Menschenschinder, besaß allerdings ein aufbrausendes Temperament. Insbesondere Pflichtvergessenheit und Inkompetenz erregten seinen Zorn. Gleichzeitig war er ein brillanter Navigator, ein tüchtiger Seemann und ein tapferer Offizier, der sich aufrichtig um das Wohl seiner Untergebenen bemühte. Doch obschon es das zentrale Ereignis seiner Biographie ist, umfasst das Leben von William Bligh weit mehr als nur die Meuterei auf der BOUNTY.

Vieles an den Ereignissen an Bord der BOUNTY bleibt bis heute mysteriös, nicht zuletzt die Motive Fletcher Christians für seine Rebellion gegen Blighs Autorität. Zumindest teilweise lässt sich die Meuterei als der unvermeidliche Konflikt zwischen zwei Männern mit höchst unterschiedlichem Charakter erklären. In den letzten 225 Jahren wurde über die Meuterei auf der BOUNTY viel geschrieben und spekuliert. 1831 veröffentliche Captain Frederick William Beechey seinen Reisebericht „Voyages to the Pacific“, in dem er auch wiedergab, was ihm John Adams, der letzte überlebende Meuterer, über die Ereignisse an Bord der BOUNTY berichtet hatte. Im gleichen Jahr erschien das von John Barrow, dem zweiten Sekretär der britischen Admiralität, verfasste Buch „The Eventful History of the Mutiny and Piratical Seizure of the Bounty“, in dem Bligh die alleinige Schuld an der Meuterei zugeschrieben wird. An dieser Beurteilung Blighs und der Ereignisse an Bord der BOUNTY hat sich – zumindest in der breiten Wahrnehmung – bis heute nicht viel geändert. Allerdings sind seither zahlreiche weitere Dokumente ans Tageslicht gekommen, die ein differenziertes Bild dieses Mannes zeichnen. Die aktuellste und bislang beste Darstellung der Meuterei auf der BOUNTY gibt das 2003 erschienene Buch „The Bounty. The True Story of the Mutiny on the Bounty“ (dt. „Die Bounty. Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty“) von Caroline Alexander. Die wichtigsten Biographien über Bligh sind das zweibändige Werk „The Life of Vice-Admiral Bligh“ von George Mackaness aus dem Jahr 1932 sowie „Captain Bligh – the Man and his Mutinies“ von Gavin Kennedy aus dem Jahr 1989.

Zu den wichtigsten Quellen über die Meuterei auf der BOUNTY gehören neben dem Logbuch der BOUNTY und Blighs eigenen Aufzeichnungen die Berichte von John Fryer, dem Sailing Master der BOUNTY, und dem Bootsmannsmaaten James Morrison. Allerdings müssen alle diese Dokumente mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden. Denn während es Bligh vor allem darum ging, sich und seine Handlungen nach der Meuterei in einem möglichst guten Licht zu präsentieren, wurde Fryer von einem tiefen Groll auf seinen ehemaligen Kommandanten verzehrt; der begnadigte Meuterer Morrison wiederum versuchte, seine Beteiligung an der Rebellion nachträglich dadurch zu rechtfertigen, dass er Bligh als kleinlichen Tyrannen diskreditierte. 225 Jahre nach der Meuterei auf der BOUNTY ist es an der Zeit, mit der vorliegenden biographischen Skizze eine nuancierte Darstellung zu präsentieren, um William Bligh mit der Achtung, aber auch der Kritik zu würdigen, die er verdient.

Um den Lesefluss nicht zu stören, habe ich ein Glossar der wichtigsten Fachausdrücke sowie eine Besatzungsliste der BOUNTY im Anhang beigefügt. Als Historiker habe ich mich an die Regeln der Geschichtswissenschaft gehalten; alle Fakten sind sorgfältig überprüft, auch wenn ich der besseren Lesbarkeit willen auf einen Anmerkungsapparat verzichtet habe. Leider kann ich nicht die Namen all derer erwähnen, die mich bei der Arbeit an diesem Buch unterstützt haben. Besonderer Dank gebührt Dr. Marina Vollstedt von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg für ihre konstruktive Kritik. Etwaige Fehler fallen allein in meine Verantwortung.

Kiel, im Winter 2013, Jann M. Witt

Die BOUNTY war sein Schicksal

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