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Navigator und Wissenschaftler:
James Cook
ОглавлениеJames Cook ist das wohl berühmteste Beispiel für einen Aufstieg vom einfachen Matrosen zum Kapitän in der Royal Navy. Seine spektakuläre Karriere war außergewöhnlich und in erster Linie seinen überragenden Talenten als Navigator und Wissenschaftler geschuldet.
Cook war am 27. Oktober 1728 als zweites von acht Kindern im Dorf Marton-in-Cleveland in Yorkshire geboren worden. Sein Vater hatte sich vom Landarbeiter zum Gutsverwalter emporgearbeitet. Mit 17 Jahren wurde Cook bei einem Kaufmann in die Lehre gegeben. Doch als er nach anderthalb Jahren beschloss, Seemann zu werden, sorgte sein Lehrherr großzügig dafür, dass er von dem Reeder John Walker aus Whitby als Schiffsjunge angenommen wurde.
Whitby war damals das Zentrum des englischen Kohlentransports. Von der kleinen Hafenstadt aus versorgten die langsamen, aber seetüchtigen Kohlenschiffe die britische Hauptstadt London mit dem dringend benötigten Brennstoff. An Bord dieser Kohletransporter wurde James Cook in den folgenden zehn Jahren zu einem erfahrenen Seemann. Als ihm Walker im Sommer 1755 das Kommando über eines seiner Kohleschiffe anbot, lehnte Cook dankend ab. Stattdessen meldete er sich freiwillig für den Dienst in der Royal Navy. Dank seiner Fähigkeiten als Nautiker stieg James Cook in der britischen Marine rasch vom einfachen Seemann zum Sailing Master auf.
Nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs hatten England und Frankreich ihre Rivalität zur See zeitweilig von der militärischen Auseinandersetzung auf einen friedlichen Wettstreit bei der Erforschung der Meere verlagert. Dabei ging es nicht allein um neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch um handfeste ökonomische und strategische Interessen. Seefahrer wie Louis-Antoine de Bougainville (1729–1811), der von 1766 bis 1769 die erste französische Erdumsegelung unternahm, oder Samuel Wallis (1728–1795), der mit der Fregatte DOLPHIN von 1766 bis 1768 im Pazifik nach dem legendären Südkontinent gesucht hatte, stießen in die damals noch unbekannte Welt des Pazifik vor und revolutionierten mit ihren Erkenntnissen die Vorstellung von der Erde.
Als die Royal Academy, die britische Akademie der Wissenschaften, die Marine im Jahre 1768 bat, eine Forschungsreise zur Pazifikinsel Tahiti auszurüsten, um den Durchgang des Planeten Venus vor der Sonne zu beobachten, wurde Cook aufgrund seines guten Rufes als Nautiker und Kartograph zum Leutnant befördert und zum Kommandanten des Expeditionsschiffs ENDEAVOUR ernannt. Bewusst hatte Cook einen ehemaligen Kohlefrachter für die Reise ausgewählt, denn er hatte in den rauen Gewässern der Nordsee die Robustheit und Seetüchtigkeit dieser langsamen, aber stabilen Schiffe schätzen gelernt.
Doch nicht nur das Ziel der Reise der ENDEAVOUR, auch die Fahrt selbst diente der Wissenschaft. An Bord waren neuartige Lebensmittel wie Sauerkraut, Zitronensaftkonzentrat und Malzextrakt, von denen man hoffte, dass sie den Ausbruch des Skorbut verhindern würden – der Vitamin-C-Mangelkrankheit, die durch das Fehlen frischer Nahrungsmittel auf langen Seereisen hervorgerufen wurde. Jahrhundertelang galt der Skorbut als die Geißel der Seefahrer. Durch die regelmäßige Ausgabe von Sauerkraut gelang es Cook, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern. Während seiner drei Reisen verlor Cook nicht einen Mann durch Skorbut, was dazu führte, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts dem Skorbut vorbeugende Lebensmittel wie Sauerkraut oder Zitrusfrüchte in der Royal Navy zur Standardverpflegung gehörten.
Mit an Bord der ENDEAVOUR war auch eine Gruppe Wissenschaftler unter der Leitung des erst 25-jährigen Joseph Banks, eines wohlhabenden und hochbegabten Amateurforschers. Nach einer fast dreijährigen Weltumsegelung traf die ENDEAVOUR im Juli 1771 wieder in England ein. Cooks Entdeckungen wurden in England begeistert aufgenommen; König Georg III. beförderte Cook zur Belohnung zum Commander. Vor allem die Berichte über die Inseln der Südsee faszinierten viele Menschen, die in der polynesischen Kultur das Traumbild des von der westlichen Zivilisation unverdorbenen „edlen Wilden“ entdeckt zu haben glaubten.
Cooks Schiffe in der Matavai-Bucht auf Tahiti vor Anker liegend
Cooks zweite Expedition dauerte vom 1772 bis 1775 und markierte den Beginn der wissenschaftlichen Erforschung der Antarktis. Cook befehligte die RESOLUTION, wie die ENDEAVOUR ein ehemaliger Kohlefrachter, während das kleinere Begleitschiff ADVENTURE von Tobias Furneaux kommandiert wurde. Mit an Bord war auch eine revolutionäre navigatorische Neuerung: der von John Harrison (1693–1776) konstruierte „Chronometer“, die erste Uhr, die auch unter den extremsten Bedingungen so exakt ging, dass man den Längengrad und damit die Position des Schiffs mit großer, bis dahin unbekannter Präzision bestimmen konnte.
Lange war die Navigation weniger eine Wissenschaft als eine Kunst gewesen, die mehr auf Mutmaßungen als auf Wissen über die genaue Schiffsposition beruhte. Nur in Küstennähe war durch Loten oder die Standortbestimmung mit Hilfe von Landmarken ein relativ sicheres Navigieren möglich. Auf hoher See war die Navigation wesentlich schwieriger. Zwar konnte man den Breitengrad bereits annähernd genau berechnen; doch da das Problem der Längengradbestimmung noch nicht gelöst war, erfolgte die Ortsbestimmung auf hoher See meist durch Schätzung des Schiffsstandortes auf der Basis von Kurs und Segelgeschwindigkeit, was jedoch oft zu erheblichen Fehlkalkulationen führte. Schiffbrüche durch mangelhafte Navigation waren damals beinahe an der Tagesordnung. Erst Harrisons Erfindung ermöglichte eine vergleichsweise unkomplizierte Längenbestimmung durch den Abgleich der Ortszeit mit der Zeit eines geographisch bekannten Referenzortes, wie beispielsweise Greenwich.
Bei dem Chronometer an Bord der RESOLUTION handelte es sich um eine von dem Uhrmacher Larcum Kendall angefertigte exakte Kopie der „H4“ – der bahnbrechenden Konstruktion von Harrison. Der erfahrene Navigator Cook war zunächst skeptisch gewesen, doch ließ er sich bald von der neuen Methode überzeugen. In seinem Logbuch nannte er die von Kendall gebaute Uhr seinen „nie versagenden Führer“. Fortan war eine präzise Zeitmessung und damit eine genaue Längenbestimmung auf See möglich. Bereits um 1800 waren Chronometer auf britischen Kriegs- und Handelsschiffen recht weit verbreitet.
Nach der Rückkehr von seiner zweiten Reise wurde Cook zum Kapitän zur See befördert und in Anerkennung seiner außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen zum Mitglied der Royal Society gewählt. Cooks Reisen hatten den Traum von einem unbekannten, reichen Kontinent im Südpazifik endgültig zerplatzen lassen. Doch gab es noch die Hoffnung, die legendäre Nordwestpassage zu finden, einen neuen Seeweg, der im Norden Nordamerikas den Atlantik mit dem Pazifik verbinden sollte.