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Der Alltag an Bord

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Das Leben an Bord folgte eigenen Gesetzen. Der Tag an Bord begann nicht um Mitternacht, wie an Land, sondern mit der Messung der Sonnenhöhe um 12 Uhr Mittags. Auf einem Kriegsschiff dauerte der Dienst rund um die Uhr. Tag und Nacht mussten die Segel bedient, Wind und Wetter beobachtet und der Schiffsbetrieb koordiniert werden. Die Mannschaft war dabei in zwei oder drei Wachen eingeteilt, die abwechselnd Dienst taten; eine Wache dauerte in der Regel jeweils vier Stunden.

Die strikte Hierarchie an Bord machte sich auch in der Unterbringung bemerkbar. So wohnte der Kommandant achtern vergleichsweise komfortabel in einer großen Kajüte, die sich quer über die Schiffsbreite erstreckte. Die Offiziere und Deckoffiziere waren dagegen in kleinen, durch dünne Segeltuch- oder Holzwände abgeteilten Kammern untergebracht, die trotz ihrer Enge ein Mindestmaß an Privatsphäre gewährten – ein Luxus an Bord eines überfüllten Kriegsschiffs. Die einfachen Seeleute wiederum hausten auf den unteren Decks in qualvoller Enge. Sie schliefen in Hängematten, die so dicht hingen, dass jedem Mann nur ein etwa 60 Zentimeter breiter Raum blieb. Menschliche Ausdünstungen und der aufsteigende Gestank der Bilge verpesteten die Luft, und auch die hygienischen Zustände waren nach heutigen Maßstäben katastrophal; angesichts der eng bemessenen Frischwasservorräte blieb für Körper- und Kleidungswäsche nicht viel übrig.

Mit erstaunlicher Anpassungsfähigkeit arrangierten sich die Seeleute mit den harten Lebensbedingungen an Bord. Ohnehin dürfte es den ärmeren Bevölkerungsschichten im damaligen England an Land noch schlechter gegangen sein als an Bord eines Kriegsschiffs. Immerhin erhielten die Besatzungen der Royal Navy regelmäßige Mahlzeiten. Zu den wichtigsten Lebensmitteln an Bord gehörte der Schiffszwieback – trockene, harte Teigplätzchen, die trotz sorgfältiger Lagerung häufig von Ungeziefer befallen wurden, weshalb die Seeleute vor dem Verzehr Maden und Würmer vorsichtig herausklopfen mussten. Weitere Grundnahrungsmittel waren Hülsenfrüchte, wie Erbsen und Bohnen, die sich durch Trocknen gut haltbar machen ließen, sowie eingepökeltes Fleisch. Obgleich die Qualität der Nahrung oft fragwürdig und die Auswahl eintönig und wenig schmackhaft war, kam die Verpflegung an Bord einer ausgewogenen Ernährung wesentlich näher als das, was die meisten Menschen an Land zu essen bekamen.

Die Nahrungsmittel konnten oftmals nur mit Hilfe von Salz konserviert werden, und so stieg das Verlangen nach Trinkbarem. Weil das Wasser relativ schnell in den Holzfässern zu faulen begann, waren Bier und Wein oftmals die wichtigsten Getränke an Bord. In der Royal Navy stand jedem Seemann eine Gallone Bier pro Tag zu. Gab es kein Bier, wurde stattdessen Rum, das „Blut der Royal Navy“, mit Wasser verdünnt als sogenannter „Grog“ ausgegeben. Natürlich diente der Alkohol auch als Rauschmittel. Nicht selten gab es Probleme mit betrunkenen Seeleuten. Auf vielen Schiffen der britischen Flotte galt ein Matrose erst als echter Seemann, wenn er mindestens einmal volltrunken gewesen war.

Im Februar 1771 wurde Bligh offiziell zum Midshipman ernannt. Im September des gleichen Jahres wechselte er auf die mit 32 Geschützen bestückte Fregatte CRESCENT, auf der er die folgenden drei Jahre als Fähnrich zur See diente. An Bord der CRESCENT lernte er Navigation und Seemannschaft sowie Westindien und die heimischen Gewässer kennen. Im September 1774 wechselte Bligh auf die kleine, mit acht Kanonen bewaffnete Sloop RANGER. Hier wurde er erneut als Vollmatrose in die Mannschaftsliste eingetragen, tat jedoch Dienst als Offiziersanwärter.

An Bord der RANGER, die in der Irischen See Jagd auf Schmuggler machte, kam Bligh 1775 das erste Mal auf die Isle of Man. Erst zehn Jahre zuvor war die zwischen Irland und England gelegene Insel unter die Hoheit des britischen Königs gekommen. 1765 hatten die Herzöge von Atholl ihre Souveränitätsrechte an die britische Krone verkauft. Bis heute gehört die Insel zum Herrschaftsbereich der britischen Königin, ohne staatsrechtlich Teil Großbritanniens zu sein.

Auf der Isle of Man lernte Bligh die damals 20-jährige Elizabeth Betham kennen. Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie. Ebenso wie Blighs Vater war auch ihr Vater, Richard Betham, Zolloffizier. Er stammte aus Glasgow, hatte eine gute Bildung genossen und war den Ideen der schottischen Aufklärung verbunden; unter anderem gehörten die schottischen Philosophen David Hume und Adam Smith zu den Freunden der Familie. Elizabeth war gebildet, charmant, lebhaft und attraktiv, aber keine Schönheit. Auch sie interessierte sich für die Ideen der schottischen Aufklärer, ebenso wie für Naturwissenschaft und Kunst. Offenbar gefiel Elizabeth und ihren Eltern der junge, naturwissenschaftlich gebildete Seemann. Der Kontakt zwischen Bligh und Elizabeth blieb bestehen, auch nachdem er die Isle of Man wieder verlassen hatte.

Obgleich William Bligh ein tüchtiger Seemann war, geriet seine Karriere in eine Sackgasse. 1774 war er 20 Jahre alt geworden, verfügte über die erforderlichen sechs Jahre Seedienstzeit sowie über eine ausreichende seemännische Erfahrung, sodass er sich zur Leutnantsprüfung hätte melden können, was er jedoch aus unbekannten Gründen nicht tat. Ohnehin war mit dem Bestehen der Prüfung allein der Schritt in die Offiziersmesse noch nicht geschafft. Zunächst musste der examinierte Offizierskandidat eine freie Leutnantsstelle auf einem Schiff finden; erst dann konnte das Offizierspatent ausgestellt werden. In Friedenszeiten, wenn nur wenige Schiffe in Dienst gestellt waren, konnte sich die Suche nach einer freien Leutnantsstelle ohne Patronage als äußerst schwierig erweisen.

Trotz seiner offenkundigen Begabung schaffte Bligh den Sprung zum Leutnant nicht. Anscheinend besaß er keine hochgestellten Gönner, die wohlwollend über seinen Aufstieg wachten. Auch sein Cousin dritten Grades, Richard Rodney Bligh, der zu diesem Zeitpunkt bereits Leutnant war, unterstützte seinen jüngeren Verwandten bei seinem Bemühen um ein Offizierspatent anscheinend nicht. Stattdessen tauchte William Bligh plötzlich als Sailing Master des von dem berühmten Entdecker James Cook befehligten Expeditionsschiffs RESOLUTION auf, das gerade für dessen dritte Reise ausgerüstet wurde.

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