Читать книгу Die BOUNTY war sein Schicksal - Jann M. Witt - Страница 8
Kindheit und Jugend
ОглавлениеÜber William Blighs Kindheit und Jugend ist nicht viel bekannt, doch hat es den Anschein, dass er eine gute und umfassende Schulbildung genoss. Er besaß eine natürliche Begabung für Mathematik und zeigte zudem als Erwachsener ein weitgefächertes wissenschaftliches Interesse. Schon früh zeichnete sich ab, dass William Bligh die Laufbahn des Marineoffiziers einschlagen würde. Ob dies sein eigener Wunsch war, ist unbekannt. Allerdings war ihm der Anblick von Kriegsschiffen seit seinen frühesten Kindheitstagen vertraut. Damals wie heute war Plymouth einer der wichtigsten Stützpunkte der Royal Navy, die hier seit 1691 eine eigene Werft für die Reparatur und Wartung von Kriegsschiffen unterhielt. Da sein Vater als Zolloffizier zu den Gentlemen zählte, besaß William Bligh überdies den richtigen gesellschaftlichen Hintergrund für eine erfolgreiche Offizierskarriere in der Royal Navy. Denn der Dienst als Seeoffizier galt für Söhne aus der Mittelschicht und aus verarmten Adelsfamilien damals als standesgemäße und gesellschaftlich angesehene Profession.
Während Bligh in Plymouth aufwuchs, tobte von 1756 bis 1763 der Siebenjährige Krieg. Es war der wohl folgenreichste Konflikt des 18. Jahrhunderts und zugleich der erste weltumspannend ausgetragene Krieg europäischer Mächte. Während Preußen und Österreich in Europa um den Besitz Schlesiens kämpften, rangen Großbritannien und Frankreich um die Vorherrschaft in Indien, Nordamerika und der Karibik. Von Anfang an wurde der Siebenjährige Krieg auch auf See ausgefochten. Großbritanniens Stärke beruhte vor allem auf der Schlagkraft seiner Marine. Die Schiffe der Royal Navy segelten und kämpften im 18. Jahrhundert weltweit auf allen Meeren – in den europäischen Gewässern ebenso wie in Indien, Nordamerika und in der Karibik. Durch den Niedergang des spanischen Kolonialreichs war ein Machtvakuum entstanden, in das nun England und Frankreich drängten, die weltweit um die koloniale Vorherrschaft rangen.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts hatten die Briten ihre klassische Seekriegsstrategie entwickelt, nach der die Royal Navy die Aufgabe hatte, die britischen Inseln vor einer Invasion zu schützen und die Kontrolle über die Seewege zu erringen. Daher versuchten die britischen Kriegsschiffe, den Feind in seinen eigenen Häfen zu blockieren. Sollte der gegnerischen Flotte dennoch das Auslaufen gelingen, war es das Ziel der Royal Navy, diese so schnell wie möglich zur Schlacht zu stellen und zu vernichten. Demgegenüber war Frankreich in erster Linie eine Kontinentalmacht, weshalb die Franzosen ihre Marine als eine im Vergleich zu ihren Landstreitkräften zweitrangige Waffe betrachteten und folglich versuchten, ihre Kriege mit ihrem Heer an Land und nicht mit ihrer Flotte auf See zu gewinnen.
Im Siebenjährigen Krieg stieg Großbritannien zur weltweit bedeutendsten See- und Kolonialmacht auf. In dem am 10. Februar 1763 geschlossenen Frieden von Paris verlor Frankreich Kanada, seine indischen Besitzungen mit Ausnahme von fünf Hafenplätzen, dazu die westindischen Inseln St. Vincent, Dominica und Tobago, während Spanien, das erst kurz vor Kriegsende auf der Seite Frankreichs in den Konflikt eingetreten war, ihre Kolonie Florida an die siegreichen Briten abtreten musste.
Wenige Monate vor Ende des Siebenjährigen Kriegs, am 1. Juli 1762, wurde der damals siebenjährige William Bligh in die Musterrolle des mit 64 Kanonen bewaffneten Linienschiffs MONMOUTH eingetragen. Damit gehörte er offiziell zur Besatzung des Zweideckers, auch wenn er vermutlich nie einen Fuß an Bord setzte. Williams ältere Halbschwester Mary, Jane Blighs Tochter aus erster Ehe, war mit John Bond, dem Schiffsarzt der MONMOUTH, verheiratet. Er war es offenbar gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass Bligh auf die Mannschaftsliste des Schiffes gesetzt wurde. Dies war damals eine illegale, aber allgemein übliche Praxis, angehenden Marineoffizieren auf dem Papier zusätzliche Seefahrtszeit zu verschaffen, um eine spätere Beförderung zum Leutnant zur See zu beschleunigen.
Seit dem 17. Jahrhundert war im Krieg zur See an die Stelle eines reinen Handelskriegs mehr und mehr der Kampf großer Flotten aus speziell erbauten, mit Kanonen bewaffneten Kriegsschiffen getreten. Im Laufe der Zeit hatten sich verschiedene Kriegsschiffstypen entwickelt, die für unterschiedliche Aufgaben eingesetzt wurden. Große Kriegsschiffe wie die MONMOUTH mit zwei oder drei Kanonendecks wurden als „Linienschiffe“ bezeichnet, da sie groß genug waren, um in der Schlachtlinie zu kämpfen. Indem sie im Gefecht hintereinander in Kiellinie segelten, konnten die Linienschiffe ihre Geschütze optimal einsetzen, ohne sich gegenseitig zu behindern. Die schnellen Fregatten besaßen dagegen nur ein Kanonendeck und wurden hauptsächlich für Aufklärungszwecke oder die Jagd auf feindliche Handelsschiffe eingesetzt. Kleiner als Fregatten waren die Korvetten, in der Royal Navy gewöhnlich als Sloops bezeichnet. Sie waren als Vollschiff oder Brigg getakelt und wurden ähnlich wie die Fregatten zur Aufklärung und im Handelskrieg eingesetzt. Darüber hinaus gab es noch eine Vielzahl kleinerer Kriegsschiffe, wie Kanonenbriggs, Schoner, Kutter sowie bewaffnete Transportschiffe.
Eine große Flotte wie die Royal Navy benötigte eine effektive Verwaltung. Die oberste Verwaltungs- und Kommandobehörde der Royal Navy war die Admiralität. Keine andere Marine, auch nicht die französische, verfügte über eine vergleichbare Institution. Im Admiralty Office in Whitehall, dem Herz und Hirn der britischen Marine, liefen alle Fäden zusammen. An der Spitze der Admiralität stand der Erste Lord oder Marineminister. Seine Position war sowohl administrativ als auch politisch. Er wurde vom Premierminister ernannt und war Mitglied des Kabinetts. Dennoch wurde der Posten des Ersten Lords oft mit einem Admiral besetzt, denn es war damals nicht ungewöhnlich, dass Marineoffiziere im Parlament saßen oder politische Ämter übernahmen. Neben der Admiralität existierten noch weitere Marinebehörden, darunter das Navy Board, in dessen Verantwortung alle technischen und finanziellen Angelegenheiten der Royal Navy fielen, das für die Versorgung mit Lebensmitteln zuständige Victualling Board, das für das Gesundheitswesen maßgebliche Sick and Hurt Board sowie das für die Bewaffnung verantwortliche Ordnance Board, das jedoch nicht der Admiralität unterstand, sondern eine eigenständige Behörde bildete.