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II. Regelungsinhalt des § 3 Abs 1

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Ist schon die abstrakte Markenfähigkeit nicht gegeben, besteht kein Raum für eine Verkehrsdurchsetzung (BGH GRUR 2001, 334, 335 – Gabelstapler). Dies war nach Inkrafttreten des MarkenG insb bei Farbmarken von Bedeutung. Das BPatG hatte § 3 Abs 1 zunächst restriktiv ausgelegt und Farben nur im Rahmen einer konkreten Aufmachung als markenfähig beurteilt (BPatG GRUR 1996, 881 – Farbmarke: gelb/schwarz). Die anmelderfreundliche Auslegung durch den BGH, wonach auch konturlose Farben markenfähig sind und für § 8 Abs 1 eine mittelbare graphische Darstellbarkeit durch Angabe von RAL-Nummern oder Rechtecke ausreicht (BGH GRUR 1999, 491, 492 – Farbmarke gelb/schwarz; BGH GRUR 1999, 730, 731 – Farbmarke magenta/grau; GRUR 2002, 427 f – Farbmarke gelb/grün; zu den Anmeldeerfordernissen vgl § 32 Rn 22), hat zu einer Änderung der Spruchpraxis des DPMA und der Rspr des BPatG geführt. Danach wird die abstrakte Markenfähigkeit von konturlosen Farben und Farbzusammenstellungen nach § 3 Abs 1 bejaht, die konkrete Unterscheidungseignung iSv § 8 Abs 2 Nr 2 idR verneint (BPatG GRUR 2000, 428, 430 – Farbmarke gelb/schwarz; MarkenR 1999, 211 – Farbmarke: violettfarben, vom BGH GRUR 2001, 1154 aufgehoben), wenngleich im Einzelfall die Schutzfähigkeit bejaht worden ist (BPatG GRUR 2003, 77, 78 – magenta). Indes hat der EuGH nunmehr mit der „Libertel“-Entsch eine eher „anmelderfeindliche“ Richtung eingeschlagen (EuGH GRUR 2003, 604 – Libertel). Danach soll die abstrakte Markenfähigkeit von Farben nicht generell, sondern nur unter bestimmten – nicht näher genannten Voraussetzungen – zu bejahen sein. Nach der Entsch „Heidelberger Bauchemie“ (EuGH GRUR 2004, 858 ), die auf die Vorlage durch das (BPatG GRUR 2002, 429 – abstrakte Farbmarke) ergangen ist, sind konturlose Farbzusammenstellungen nicht markenfähig, sofern in der Anmeldung nicht eine systematische Anordnung enthalten ist, in der die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind (vgl auch Weiher/Keser MarkenR 2005, 117, 120). Insoweit empfiehlt es sich für Anmelder, bereits mit der angemeldeten Farbmarke eine Beschreibung einzureichen, in der der konkrete Verwendungszusammenhang angegeben wird, dh wie die Farbe(n) iVm der Ware in Erscheinung tritt (vgl BGH GRUR 2002, 427 – Farbmarke gelb/grün; BPatG MarkenR 2005, 286, 289 f – Farbmarke gelb). Bei der Beurteilung auch schon der abstrakten und erst recht der konkreten Unterscheidungskraft ist das Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendung von Farben zu berücksichtigen (vgl insoweit auch Sack WRP 221, 1022, 1030). In der Regel soll die Eintragung nur iF der Verkehrsdurchsetzung gerechtfertigt sein (EuGH GRUR 2003, 604, 607 – Libertel; vgl auch BPatG GRUR 2002, 429, 434 – abstrakte Farbmarke; Meinel/Bonn MarkenR 2004, 1 ff und Theißen GRUR 2004, 729 ff; Samwer S 83 ff), was allerdings voraussetzt, dass die angemeldete Farbzusammenstellung überhaupt abstrakt markenfähig ist. Bezieht sich der Schutz auf eine Vielzahl von Marken, so ist die erforderliche Markenfähigkeit zu verneinen (BGH PAVIS PROMA –I ZB 85/11 – Variable Bildmarke).

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Hörmarken bzw Schallmarken (vgl HABM GRUR 2003, 1054 – Roar of a Lion) sind abstrakt markenfähig, wie der EuGH zu Recht festgestellt hat (EuGH GRUR 2004, 54, 56 – Shield Mark). So können Werbemelodien als akustische Marke angemeldet werden. Hierbei bezieht sich der Schutz allerdings nicht auf einen in der Werbemelodie enthaltenen Text (HABM GRUR 2006, 343 – Arzneimittel Ihres Vertrauens: Hexal; Lewalter GRUR 2006, 546, 547).

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Bei allen Markenformen ist § 3 Abs 1 erfüllt, wenn die angemeldete Marke die allg Anforderungen an die Markenfähigkeit erfüllt, dh sie muss abstrakt zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen geeignet sein (BGH GRUR 1999, 491 f – Farbmarke gelb/schwarz). Dies wird idR bei allen in der Bestimmung genannten Markenformen ohne weiteres zu bejahen sein. Allerdings macht der BGH die Markenfähigkeit nach § 3 Abs 1 zusätzlich davon abhängig, dass die Marke kein funktionell notwendiger Bestandteil der Ware ist, sondern über die technische Grundform hinausreichende nichttechnische Elemente aufweist, die – wenn auch nicht physisch – gedanklich von der Ware abstrahierbar sind (BGH GRUR 2001, 334, 335 – Gabelstapler; vgl auch Fezer § 3 Rn 227; Ströbele/Hacker/Thiering/Miosga § 3 Rn 32). Indes ist die Frage der funktionalen Notwendigkeit in § 3 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 geregelt. Das Erfordernis der Selbstständigkeit von Ware und Marke ist zudem irreführend, weil die dreidimensionale Marke mit der Ware identisch sein kann, so dass die Ware zugleich ihre eigene Kennzeichnung bildet (vgl Sambuc GRUR 2009, 333, 334), was der BGH letztlich bei Beurteilung der konkreten Unterscheidungseignung von „dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Formmarken“ selbst zum Ausdruck bringt (BGH GRUR 2001, 334, 336 – Gabelstapler; vgl auch Ströbele/Hacker/Thiering/Miosga § 3 Rn 19, 20; Würtenberger GRUR 2003, 912, 915 ff). Unproblematisch ist die Selbstständigkeit von Marke und Ware jedenfalls dann, wenn es sich um eine produktunabhängige Form handelt, wie etwa beim Mercedes-Stern (Sambuc GRUR 2009, 333, 334).

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§ 3 Abs 1 enthält keine abschließende Aufzählung der Markenformen, wie sich aus der mit „insbesondere“ eingeleiteten beispielhaften Nennung möglicher Markenformen ergibt. Deshalb ist auch eine Riechmarke abstrakt markenfähig iSv § 3 Abs 1 (BPatG GRUR 2000, 1044, 1046 – Riechmarke; Vifhues MarkenR 1999, 249), wie der EuGH in der „Siekmann“–Entsch, die auf Vorlage durch das BPatG (GRUR 2000, 1044) ergangen ist, festgestellt hat (GRUR 2003, 145, 147). Fühlmarken oder Tastmarken, wie sie für ein Kennzeichen in Blindenschrift oder die Verkleidung eines Autositzes denkbar ist, können durchaus abstrakt markenfähig sein (Lewalter/Schrader GRUR 2005, 476, 477), werden idR aber wie auch die Geruchsmarken und auch Geschmacksmarken sowie Bewegungsmarken mangels grafischer Darstellbarkeit an § 8 Abs 1 scheitern (BPatG GRUR 2005, 770, 771 f – Tastmarke; Guth Mitt 2003, 97, 99 f), soweit der den Wahrnehmungsvorgang auslösende Gegenstand in seinen maßgeblichen Eigenschaften nicht objektiv hinreichend bestimmt bezeichnet wird (BGH Mitt 2007, 31, 33 – Tastmarke; vgl auch Fabry Mitt 2008, 160, 168 f). Verpackungen stehen den Warenformen gleich und fallen unter § 3 Abs 2 Nr 1, wenn die Verpackung der Warenform gleichzusetzen ist. Dies setzt jedoch voraus, dass die Verpackung der Warenform entspricht oder ihr zumindest so nahesteht, dass zwischen Form und Verpackung nicht unterschieden werden kann (BGH GRUR 2018, 404, 408 Quadratische Tafelschokoladenverpackung).

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Die Positionsmarke oder Positionierungsmarke (vgl Bingener MarkenR 2004, 377 ff) fällt unter den Begriff der Aufmachung iSv § 3 Abs 1. Wesensnotwendig hierfür ist, dass das Ausstattungselement auf einem bestimmten Warenteil in stets gleichbleibender Platzierung bzw Positionierung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 1998, 390 f – Roter Streifen im Schuhabsatz; 1998, 819 f – Jeanstasche mit Ausrufezeichen; Mitt 2000, 114 f – Positionierungsmarke; BPatG PAVIS PROMA – 27 W(pat) 369/03). Bei der Positionsmarke kann es sich um eine Bild- oder 3D-Marke handeln (vgl Ströbele/Hacker/Thiering/Miosga § 3 Rn 70), was bei der Anmeldung ebenso anzugeben ist wie die Wahl einer Positionsmarke. Da das Ausstattungselement an einer bestimmten Stelle positioniert sein muss, bedarf es einer nach § 8 Abs 5 bzw § 9 Abs 5 MarkenV zulässigen Beschreibung der Stelle, an der sich das Ausstattungselement stets gleichbleibend befinden soll, wenn sich dies nicht schon aus der eingereichten Darstellung ohne weiteres ergibt (vgl Bingener MarkenR 2004, 377, 379 f). Entscheidend soll sein, dass die Marke mit dem Erscheinungsbild der Ware, an dem sich das Positionselement befindet, praktisch verschmilzt (Rohnke/Thiering GRUR 2012, 967,969 unter Berufung auf PAVIS PROMA EuGH C-0042/10). Nicht markenfähig als Formmarke ist ein Zeichen, das aus einer auf der Sohle eines hochhackigen Schuhs aufgebrachten Farbe besteht, da sie nicht ausschließlich aus der „Form“ dieser Ware besteht (EuGH GRUR 2018, 842 – Chistian Louboutin/Van Haren; zustimmend Ruess GRUR 2018, 898, 899 f.).

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Eine Kombination von 3D-Marke mit einem weiteren Element – etwa einem Wortbestandteil – ist zulässig und steht einer Anmeldung als 3D-Marke nicht entgegen; vielmehr sind dies die Fälle, in denen der traditionelle Gedanke der Selbstständigkeit von Marke und Ware, wie er praktisch uneingeschränkt zu Zeiten des WZG galt, weiterhin gewahrt ist (vgl Sambuc GRUR 2009, 333, 34). Darüber hinaus kann ein zusätzliches Wortelement wie bei der Aufschrift „Lindt“ eines Goldhasen die Marke unterscheidungskräftig iSv § 8 Abs 2 Nr 1 machen; ohne diesen Bestandteil ist die Unterscheidungskraft zu verneinen (EuGH GRUR 2012, 925 – Goldhase mit Glöckchen). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem weiteren Bestandteil um das schutzbegründende Element handelt. Eine 3D-Marke ist deshalb auch bei Kombination verschiedener Markenkategorien einem Markenschutz zugänglich (BPatGE 43, 122, 124 – MAG-LITE Taschenlampe; BGH GRUR 2005, 158, 159 – Stabtaschenlampe „MAGLITE“; vgl Rohnke/Thiering GRUR 2012, 967, 969, EuGH GRUR 2012, 925 – Goldhase mit Glöckchen). Nicht markenfähig als Formmarke ist ein Zeichen, das aus einer auf der Sohle eines hochhackigen Schuhs aufgebrachten Farbe besteht, da sie nicht ausschließlich aus der „Form“ dieser Ware besteht (EuGH GRUR 2018, 842 – Chistian Louboutin/Van Haren; zustimmend Ruess GRUR 2018, 898, 899 f), wobei allerdings die Form des Schuhs nicht von der Marke umfasst war (Ruess GRUR 2018, 898,899). Deshalb bedarf es bei der Prüfung der Eintragungsfähigkeit keiner Entscheidung der Frage, ob die Gestaltung der Ware als solche – ohne das zusätzliche Element – schutzfähig nach § 8 Abs 2 wäre. Eine solche Prüfung wäre ggf im Kollisionsverfahren nachzuholen.

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