Читать книгу Markenrecht - Jennifer Fraser - Страница 54
1. Allgemeines
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Die abstrakte Markenfähigkeit ist dann zu verneinen, wenn die Ausnahmevoraussetzungen des § 3 Abs 2 eingreifen. Danach sind dreidimensionale Gestaltungen nicht abstrakt markenfähig, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware, ihrer Verpackung (BGH GRUR 2001, 56, 57 – Likörflasche) oder anderen charakteristischen Merkmalen selbst bedingt oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist bzw der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Diese Bestimmung soll als spezielle Regelung des Freihaltungsbedürfnisses der Mitbewerber Dauermonopolrechte an essenziellen, technischen oder ästhetischen Produktmerkmalen verhindern (vgl Rohnke/Thiering GRUR 2011, 8, 9; Sambuc GRUR 2009, 333 f und 335; Hecht MarkenR 2017, 381, 383). Mitbewerber sollen nicht daran gehindert werden können, bei der Gestaltung ihrer Produkte eine bekannte technische Lösung einzusetzen oder ihren Produkten bestimmte vorteilhafte Eigenschaften zu verleihen (BGH GRUR 2006, 679, 681 – Porsche Boxster; vgl auch Schrader MarkenR 2006, 310, 311 ff zur Frage des Schutzumfangs nach Eintragung).
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Soweit die Marke „aus anderen charakteristischen Merkmalen“ besteht, handelt es sich letztlich entgegen der Gesetzesbegründung zum Markenmodernisierungsgesetz (MaMoG) (BT-Drucks 19/2898, 61) um eine Erweiterung der Ausschlussgründe von Formzeichen auf andere Markenformen (Hacker GRUR 2019, 113, 115). Das Zeichen ist damit auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es artbedingt, technisch bedingt oder wertbedingt ist (Figge/Hörster MarkenR 2018, 509, 510). So kommt eine abstrakte Farbmarke in Betracht, bei der die betreffende Farbe für die beanspruchten Waren eine technische Funktion erfüllt (vgl BPatGE 42, 51 -Farbmarke violett). Eine Klangmarke, die zB aus der Wiedergabe von Vogelgezwitscher besteht, dürfte nach § 3 Abs 2 Nr 1 für „lebende Tiere“ der Klasse 31 von der Eintragung ausgeschlossen sein (Hacker GRUR 2019, 113, 115). Nicht genügen dürfte, dass das Zeichen nur Assoziationen an die Waren hervorruft (Hacker GRUR 2019, 113, 115).
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§ 3 Abs 2 übernimmt laut amtl Begr zum RegE weitgehend die Kriterien, die von der Rspr zur Ausstattungsfähigkeit dreidimensionaler Gestaltungen entwickelt worden waren (Sonderheft BlPMZ 1994, 59). Indes stimmt die Formulierung weitgehend mit § 1 Abs 2 des einheitlichen Benelux-Markenrechts überein, so dass sich eine Orientierung an der hierzu ergangenen Rspr empfiehlt. Schon wegen der unterschiedlichen Begriffe ist Vorsicht bei der Übertragung der zur Ausstattungsfähigkeit aufgestellten Grundsätze geboten. Der Regelungsbereich beschränkt sich dem Wortlaut nach auf Formen, so dass eine Anwendung auf reine Farbmarken-Anmeldungen an sich nicht in Betracht kommt (BPatG MarkenR 2005, 286, 290 – Farbmarke gelb für farbige Formmarken). Indes hat letztlich die Formmarke die schon vorher zulässige produktdarstellende Bildmarke ergänzt, so dass im Freihaltungsinteresse der Mitbewerber eine Anwendung von § 3 Abs 2 geboten erscheint (vgl BGH GRUR 1999, 495, 496 – Etiketten; Ingerl/Rohnke § 3 Rn 42). Nach der Neuformulierung des Markengesetzes durch das Markenmodernisierungsgesetz (MaMoG), wonach auch Formen oder andere charakteristische Merkmale von der Eintragung ausgeschlossen sind, geht es um die Erweiterung der Schutzausschliessungsgründe für Formzeichen (BT-Drucks 19/2898,61). Letztlich handelt es sich um eine Erweiterung der Ausschlussgründe von Formzeichen auf andere Markenformen (Hacker GRUR 2019, 113, 115).
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Ob das Freihaltungsbedürfnis abschließend durch § 3 Abs 2 geregelt wird, ist str. Der BGH bejaht eine Anwendbarkeit von § 8 Abs 2 Nr 2 neben § 3 Abs 2 (BGH GRUR 2001, 334, 337 – Gabelstapler; WRP 2001, 265, 269 – Stabtaschenlampen; WRP 2001, 269, 273 – Rado-Uhr; so auch in den Folgeentscheidungen BGH GRUR 2004, 502 – Gabelstapler II, 2004, 505 Rado-Uhr II, 2004, 506 – Stabtaschenlampen II, in denen jeweils zur Feststellung eines Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Abs 2 Nr 2 an das BPatG zurückverwiesen worden ist, wo bei Gabelstaplern ein Freihaltungsbedürfnis bejaht und die Eintragung versagt worden ist (BPatG BlPMZ 2005, 267 – Gabelstapler III; BPatG Mitt 2007, 37 – Rado-Uhr II; BGH GRUR 2006, 679, 681 – Porsche Boxster; EuGH GRUR 2003, 514, 518 – Linde; vgl auch Rohnke MarkenR 2001, 199; Ingerl/Rohnke § 3 Rn 49). Dies ist nicht unbedenklich, weil die beschreibenden Zeichen und Angaben iSv § 8 Abs 2 Nr 2 auf Wort- und Bildmarken zugeschnitten sind, nicht aber auf die Ware selbst darstellende Formmarken, bei denen die Darstellung der Ware ihre Beschreibung schlechthin ist (vgl Eichmann GRUR 1995,184, 188; Bauer GRUR 1996, 319, 321; Fuchs-Wissemann MarkenR 1999, 183, 185). Für den BGH mag immerhin die Erwägung sprechen, dass bei einer engen, anmelderfreundlichen Auslegung von § 3 Abs 2 und einer Zurückweisung nach § 8 Abs 2 Nr 2 das Eintragungshindernis durch Verkehrsdurchsetzung gem § 8 Abs 3 überwunden werden kann (BGH GRUR 2001, 334, 337; GRUR 2006, 588, 590 – Rasierer mit drei Scherköpfen und 588, 589 – Scherkopf). Dies würde aber dem erheblichen Freihaltungsinteresse, das an technischen Formen besteht, nicht gerecht und würde große Unternehmen begünstigen, die durch entspr Werbeaufwendungen die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung und damit für eine Monopolisierung schaffen könnten (Würtenberger GRUR 2003, 912, 913 ff). Der EuGH hat ebenfalls das Interesse der Allgemeinheit an der Freihaltung derartiger Formen hervorgehoben, ohne allerdings die Frage einer spezialgesetzlichen Regelung zu entscheiden (EuGH MarkenR 2002, 231 – Philips; GRUR 2003, 514 – Linde; vgl Berlit GRUR 2009, 369, 371, allerdings zur Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1). Das BPatG und der BGH haben die Form einer sog Milchschnitte nicht als durch die Art der Ware bedingt angesehen (BPatG PAVIS PROMA – 32W(pat) 308/02 –; BGH GRUR 2008, 510 ff – Milchschnitte), weil es verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung gebe, und hierdurch die Möglichkeit einer Eintragung im Wege der Verkehrsdurchsetzung ermöglicht (vgl Würtenberger GRUR 2003, 912, 913). Die Frage einer spezialgesetzlichen Regelung ist letztlich rein akademischer Natur, weil bei Verneinen der Schutzausschließungsgründe des § 3 Abs 2 von ausschließlich produktdarstellenden Formmarken eine Beschreibung der Ware und damit das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 zu bejahen ist. Problematisch wird diese Frage allerdings dann, wenn im Prüfungsverfahren die Frage des Eingreifens von § 3 Abs 2 dahin gestellt bleibt, was freilich schon im Hinblick auf ein mögliches Durchsetzungsverfahren nach § 8 Abs 3 unzulässig ist.