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3. Zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich
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Insoweit ist in der Lit str, ob § 3 Abs 2 Nr 2 auf die Fälle zu beschränken ist, in denen nur eine einzige technische Möglichkeit der Gestaltung für das Produkt besteht (Kur FS 100 Jahre Marken-Amt, S 175, 189), oder ob für Mitbewerber eine vertretbare und zumutbare Alternative zu der angemeldeten Form besteht (Ströbele/Hacker/Thiering/Miosga § 3 Rn 128; vgl auch Fuchs-Wissemann MarkenR 1999, 183, 185 f). Letztlich ist für die Frage der Erforderlichkeit nicht Voraussetzung, dass es nur eine Möglichkeit gibt, diese technische Wirkung zu erzielen (EuGH GRUR 2002, 804 – Philips; Ingerl/Rohnke § 3 Rn 54). Allerdings betraf diese Entsch eine Bildmarke, auf die § 3 Abs 2 ebenfalls – wenn auch nach dem Wortlaut nicht unmittelbar – Anwendung findet (BGH GRUR 1999, 495 – Etiketten). Der BGH hat mittlerweile für 3D-Marken klargestellt, das es am Schutzhindernis der technischen Bedingtheit nichts ändert, wenn die gleiche technische Wirkung mit einer anderen Form erzielt werden kann (BGH GRUR 2017, 734 – Bodendübel; Thiering GRUR 2018, 30). Dass für eine Form bestimmte technische Maßnahmen erforderlich sind, wie bei der Herstellung eines Schokoladen-Osterhasen, vermag demgegenüber den Ausschlussgrund des § 3 Abs 2 Nr 2 nicht zu begründen (BPatG GRUR 2011, 68, 71 – Goldhase in neutraler Aufmachung).
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Deshalb reicht es für die Annahme des Ausschlusstatbestands des § 3 Abs 2 Nr 2 aus, wenn die wesentlichen funktionellen Elemente der Form nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind (EuGH GRUR 2002, 804, 809 – Philips; vgl auch Schaffer FS Eisenführ, S 29, 36), was bei einer Motorhaube als Ersatzteil für ein bestimmtes Automodell wegen der Erforderlichkeit eines passgenauen Einbaus der Fall ist (BPatG MarkenR 2005, 56, 57 – BMW-Motorhaube; GRUR 2005, 333, 335 – Kraftfahrzeugteile; Ingerl/Rohnke § 3 Rn 56; vgl auch Krüger MarkenR 2005, 10 ff). Anderer Ansicht ist BGH GRUR 2008, 71, 72 – Fronthaube, der nicht auf das spezielle Einzelteil, sondern auf die Sachgesamtheit abstellt. Allerdings ist die aus einer Fahrzeugkarosserie bestehende Gestaltung in ihrer Gesamtheit nicht der technischen Wirkung zuzuschreiben, so dass § 3 Abs 2 Nr 2 nicht eingreift (BPatG GRUR 2005, 330, 331 – Fahrzeugkarosserie). Dies gilt für die Darstellung einer Handtasche ebenfalls nur dann, wenn alle wesentlichen Merkmale der Warenform eine technische Funktion erfüllen (BPatG MarkenR 2004, 153, 155 – Kelly-bag). Verfügt die Anmeldemarke über Gestaltungsmerkmale, die in ihrer konkreten Formgebung zur Erzielung einer technischen Wirkung nicht erforderlich, sondern frei variierbar sind, ist § 3 Abs 2 nach Auffassung des BGH nicht einschlägig (BGH GRUR 2004, 507, 509 – Transformatorengehäuse; BGH GRUR 2006, 588, 591 – Rasierer mit drei Scherköpfen, wobei auf „die gesamte Gestaltung als ausschließlich technisch bedingt“ abgestellt wird; BPatG PAVIS PROMA – 32W(pat) 308/02 –; vgl Berlit GRUR 2011, 369, 370; Grabrucker Mitt 2005, 3 f). Ein Standbeutel, der aus der Form einer Getränkeverpackung besteht, ist zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich (BPatG BeckRs 2017, 119865). Dass die gleiche technische Wirkung durch andere Formen erzielt werden kann, ist für die Bejahung des Ausschlusstatbestands nicht erforderlich (EuGH GRUR 2010, 1008 – Lego). Die kleinen Portionsverpackungen für Kaffee, die aus einem Doppelkonus und aus einem äußeren Ring um den Kegelstumpf bestehen, erfüllen nach der einschlägigen Patentschrift ausschließlich eine technische Wirkung (BPatG GRUR 2018, 522 – Nespresso-Kaffeekapsel). Der BGH hat die Entscheidung des BPatG, wonach in der besseren Stapelmöglichkeit von Traubenzuckertäfelchen ein wesentlicher Gebrauchsvorteil bestehe (BPatG GRUR 2017, 525, 527 -Traubenzuckertäfelchen), mit der Begründung aufgehoben, es sei nicht festgestellt, dass ein Aufeinanderschichtung von acht Täfelchen für den Verbraucher einen Gebrauchsvorteil darstelle (BGH GRUR 2018, 411, 416 – Traubenzuckertäfelchen). Sind die wesentlichen Elemente einer Schokoladenkugel oder eines Schokoladen-Osterhasen nicht technischer Natur, sondern im Wesentlichen ästhetisch bedingt, greift § 3 Abs 2 Nr 2 nicht ein (Berlit GRUR 2011, 369, 370; Ströbele/Hacker/Thiering/Miosga § 3 Rn 126; BGH GRUR 2010, 138, 139 – ROCHER-Kugel). Allerdings muss schon aus Gründen des Freihaltungsbedürfnisses auf eine zu enge, anmelderfreundliche Auslegung verzichtet werden. Auch kann das Bestehen aktueller oder auch früherer Patentrechte gerade an der gewählten Form ein Indiz dafür sein, dass über den Markenschutz versucht wird, zeitlich befristete Schutzrechte wie Patent, Gebrauchsmuster oder Geschmacksmuster durch ein praktisch unbegrenzt verlängerbares Markenrecht – zusätzlich – zu monopolisieren (vgl BPatG MarkenR 2005, 56, 57 – BMW-Motorhaube; GRUR 2007, 786, 787 – Lego-Baustein; Ingerl/Rohnke § 3 Rn 51).