Читать книгу Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 1 und 2 - J.H. Praßl - Страница 13

Flucht

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Ein Nebel, so dicht wie das Gewebe einer Königsstola, lag blass und träge über dem Emlin-Tal. Sanfte Hügel drängten sich Schutz suchend an die steileren Hänge, die weit oben zu scharfkantigen, unpassierbaren Felswänden zusammenliefen. Das kleine Tal lag inmitten eines grauen, wild gewachsenen Gebirgslandes, das sich von der autonomen Provinz Shemora bis zu den von sanften Hügeln durchzogenen Ebenen um Valianor, der Hauptstadt des Valianischen Imperiums, hinzog.

Der Nebel nahm dem Morgen sein Licht. Er schob sich wie eine undurchdringliche Decke über das Tal und stemmte sich mit aller Gewalt gegen die Strahlen der aufgehenden Sonne, die verzweifelt versuchten, den dichten Schleier zu zerreißen, um das Resultat einer gewaltigen Schlacht zu enthüllen – einer Schlacht, die in der Nacht begonnen und mit der aufgehenden Sonne ein grausiges Ende gefunden hatte. Noch vor Tagesanbruch hatten sich Männer Auge in Auge gegenübergestanden, bereit, ihr Leben für ihre Ehre oder ihre Freiheit zu geben, bereit, für ihren Sieg in den Tod zu gehen.

Doch nur wenige wussten davon und kaum jemand kannte den eigentlichen, den wahren Grund für diese Schlacht.

Und der Nebel gab das Geheimnis nicht preis. Noch dämpfte er die Schreie der tödlich Verwundeten, verbarg er das von Blut verschmierte Gesicht eines gefallenen Kameraden, verhüllte das über den gefrorenen Boden verteilte Durcheinander von Mensch und Metall und verschluckte das Klirren der Rüstungen jener Männer, die den Sieg davongetragen hatten und nun plündernd über das Schlachtfeld zogen.

Auf den umliegenden Bergen hielt der Winter kalt und unnachgiebig den aufkeimenden Boten des Frühlings stand. Obwohl in den Tälern bereits die Schneeschmelze angebrochen war und hier und dort zarte Gräser durch die dünne Eisschicht drängten, breitete sich die dicke, weiße Decke immer noch über den Großteil der Berge aus und hinderte die Vegetation am Gedeihen.

Im Süden des Tals teilten sich die Felsen, um den Emlin passieren zu lassen, der sich über Tausende von Jahren tief in den harten Felsen gegraben hatte. Aufgrund der beginnenden Schneeschmelze brauste er mit solcher Kraft durch die Emlin-Schlucht, dass er kleinere Bäume vom Ufer mit sich riss, um sie weiter stromabwärts wieder zurückzulassen.

Dort, wo die Felsen zurückwichen, der Emlin sich weitete und seine Strömung zahmer wurde, trieben zwei große Fässer den Fluss entlang. Sie waren notdürftig mit einem Seil zusammengebunden und hüpften wie Korken hilflos von einer Welle zur anderen.

An manchen Stellen schrammten sie so knapp an den tödlichen Felskanten vorbei, dass das Holz gefährlich knirschte, doch die Fässer hielten stand.

Die Ufer des Emlin wurden flacher. Die Strömung beruhigte sich. Die beiden Fässer wurden langsamer und tanzten nicht mehr ungebändigt auf den Wassern. Da krachte es plötzlich und das Holz des ersten Fasses barst. Kleine Holzsplitter sirrten durch die Luft, als der Deckel ins Wasser geschmettert wurde. Eine Männerstimme drang aus dem Inneren des Fasses und übertönte kurzzeitig das Rauschen des Flusses.

„Wir gehen an Land!“

Es klang wie ein Befehl und die Reaktion folgte augenblicklich, als auch der Deckel des zweiten Fasses splitterte. Zwei schlanke Beine glitten ins Wasser, gefolgt von einer weiblichen Silhouette. Binnen weniger Augenblicke wurde die Frau von der Strömung erfasst und vom Sog nach unten gezogen. Gischt übersprühte ihr Gesicht, als sie ein Stück flussabwärts prustend wieder auftauchte und mit ganzer Kraft zu schwimmen begann.

Es platschte. Aus dem ersten Fass wuchtete sich ein Mann ins kalte Wasser und versuchte, das Fass zu packen, bevor der Fluss es mit sich riss. Von der Kälte des Wassers überrumpelt, atmete er ruckartig ein, verschluckte sich und hustete erbärmlich. Im letzten Augenblick bekam er den Rand des Fasses in die Finger und klammerte sich daran fest. Dann mühte er sich damit ab, den restlichen Inhalt des Fasses freizubekommen.

Zwei Arme plumpsten ins kalte Nass. Erleichtert ergriff sie der Mann in Höhe der Ellenbogen und stemmte sich mit seinen Füßen gegen den Rand des Fasses, das sich gefährlich nach unten neigte. Er verlor den Halt und versank im Wasser. Als er prustend wieder an die Oberfläche kam, konnte er im letzten Moment das Seil packen, das die beiden Fässer verband, und den Behälter zu sich heranziehen. Dann ließ er das Seil los und umfasste den Oberkörper der im Inneren eingeschlossenen Frau. Mit aller Kraft zog er ihren reglosen Körper heraus, bis endlich ihr Kopf in der Öffnung erschien. Lange schwarze Haare glitten ins schäumende Nass und wanden sich wie Schlangen auf der Wasseroberfläche. Die feinen Gesichtszüge und spitzen Ohren einer Elfe wurden sichtbar. Um ihre Stirn wand sich ein schmutziger, blutdurchtränkter Verband.

Unterdessen näherte sich die andere Frau dem Ufer und begann hektisch nach etwas zu suchen, an dem sie sich festhalten konnte. Als der Ast einer Weide vorüberglitt, packte sie ihn und zog sich keuchend in die seichteren Ufergewässer, die hinter der Weide lieblich dahinplätscherten. Sie schaffte es gerade noch, sich über die Böschung zu schleppen und den kleinen Rucksack von ihren Schultern zu reißen. Dann sank sie zu Boden und blieb reglos liegen. Aus ihrem knielangen, schmutzigen Hemd und dem dünnen Ledermantel tropften Wasser und Blut.

Der Mann kämpfte noch immer mit dem Körper der reglosen Elfe und dem schwankenden Fass, das unter seinen Händen unruhig hin und her rollte. Schwer und leblos hing das blasse Gesicht der jungen Frau über den Rand des Fasses. Ihre Augen waren geschlossen, die Lippen blutleer. Fluchend mühte sich der Mann damit ab, sie vollständig aus dem Fass zu zerren, ohne ihren Kopf unter Wasser gleiten zu lassen. Als es ihm endlich gelungen war, stieß er das Fass von sich, schlang seine Arme um ihre Brust und begann gegen die Strömung anzukämpfen. Zielsicher schwamm er mit seiner schweren Last auf die Uferböschung zu, wobei er immer wieder von reißenden Strudeln nach unten gezogen wurde.

Die Lippen des Mannes waren vor Kälte blau angelaufen. Immer öfter holte ihn der Sog unter die Wasseroberfläche. Immer größer wurden die Abstände, in denen er Luft holen konnte. Doch der unbändige Wille, am Leben zu bleiben und das Leben der Frau in seinen Armen zu schützen, hielt ihn bei Kräften.

„Wo bist du?!“, schrie er hustend die Böschung hinauf, der er sich langsam näherte.

Keine Antwort.

Plötzlich tauchte das Gesicht seiner Begleiterin zwischen den Büschen auf. Sie schlitterte halb zum Fluss hinunter, halb hastete sie am Ufer entlang, während sie den Mann im Auge behielt. An einer Stelle, wo ein kleines Felsplateau ins Wasser ragte, kam sie rutschend zum Stehen und legte sich flach auf den Bauch. Ihre Hände streckte sie so weit sie konnte über den Emlin hinaus.

„Schwimm so nah wie möglich an den Stein heran!“, schrie sie, während der Mann in rasantem Tempo auf das Felsplateau zutrieb.

Er antwortete nicht, ruderte, mit der Linken den leblosen Körper umschlingend, hektisch auf die rettenden Hände zu. Doch seine eigene Hand war von der Kälte so taub, dass er nicht richtig zugreifen konnte und abrutschte. Unvermittelt ließ er die Elfe los und streckte die andere Hand nach seiner Begleiterin aus. Er krallte sich daran fest und schaffte es gerade noch, mit seinen Beinen die bewusstlose Elfe zu umklammern, die von der Strömung fast fortgerissen worden wäre. Eine Weile verharrte er schwer atmend, während seine Retterin auf dem Felsen die Zähne zusammenbiss.

Endlich packte der Mann mit seiner freien Hand die bewusstlose Elfe, zog sie zwischen sich und den Felsen und drückte sie so fest dagegen, wie es die Strömung erlaubte, die seine Beine immer wieder flussabwärts drücken wollte. Doch um sie am Felsen hochzuhieven, fehlte ihm die Kraft.

Flehend blickte er in die Augen seiner Begleiterin, aber sie reagierte nicht.

Sein Blick wurde zornig.

Die Frau zögerte. Schließlich griff sie der Bewusstlosen unter die Achseln und zog sie das letzte Stück über den Felsen. Kraftlos zog sich auch der Mann am Stein hoch, bevor er völlig erschöpft zusammenbrach und keuchend liegen blieb.

„Das hat uns gerade noch gefehlt!“, zischte die Frau.

Mit einem abfälligen Blick auf die ohnmächtige Elfenkriegerin, kletterte sie über die Böschung und verschwand im Schatten der Bäume.

Der Mann wälzte sich schwer atmend auf den Rücken. Seine Hand fiel kraftlos auf die Brust der Elfe, die an seiner Seite lag. Die Erschöpfung machte ihn unfähig, sich aufzurichten oder auch nur seinen Mund aufzumachen. Er schloss die Augen und sog die kalte Morgenluft ein. Seine Hände fühlten sich taub an und in seinem Kopf hämmerte es. Das Blut, das noch vor Kurzem in seinem Gesicht geklebt hatte, hatte der Fluss fortgewaschen, aber seine Lederrüstung war immer noch mit roten Flecken übersät und hing zerrissen und lose an seinem zerschundenen Körper. Quer über seine Brust zog sich ein langer blutiger Schnitt. Um seine Hüften hing ein Lederbeutel. Ein Dolch steckte in einer Scheide, die über seinen Oberschenkel gebunden war, und an seinem Gürtel hing eine wasserdichte, lederne Rolle. Um den Rücken hatte er ein kleines Bündel geschnallt. Sonst hatte er nichts bei sich, abgesehen von der leblosen Elfe an seiner Seite.

Er atmete den Duft des feuchten Mooses ein und den modrigen Geruch der nassen Baumrinden. Mit der Natur erwachte in ihm ein Gefühl der Zuversicht, das sich langsam bis zu seinem Verstand vorarbeitete. Sie waren gerettet. Sie waren, so unglaublich es ihm in diesem Moment auch erschien, immer noch am Leben. Das prickelnde Glück darüber, sich atmen zu hören, seine zwar schmerzenden, aber dennoch funktionierenden Muskeln zu spüren, pulsierte warm und lebendig durch seine Adern.

Aber da war noch ein anderes Gefühl, das sich langsam an die Oberfläche arbeitete und sich schließlich wie ein Schatten über seinen Verstand legte. Kitayschas Verletzungen waren tödlich. Und als sie angegriffen wurde, war er nicht da gewesen. Er war nicht da gewesen, als ihr der Morgenstern über den Schädel gezogen worden war. Er war nicht da gewesen …

Seine klammen Finger glitten über den glatten, vom Wasser rund geschliffenen Felsen und krallten sich in das Hemd der Elfe. Er seufzte leise, als er ihren schwachen Atem vernahm.

Schließlich kämpfte er sich auf die Beine, hob die Kriegerin hoch und erklomm den Hang, über den sich seine Retterin abgesetzt hatte.

Er fand sie schließlich einige Schritte flussabwärts. Sie hatte sich einen geeigneten Platz gesucht, um ihre Kleider zu trocknen. Inmitten einer geduckt stehenden, kreisförmigen Baumgruppe, die unliebsamen Einblicken vorbeugte, riss sie sich das nasse Hemd vom Leib und rieb sich bibbernd die Oberarme. Als sie ihn bemerkte, wandte sie ihren Blick ab. Ohne Hemmungen schälte sie sich aus ihrer triefenden Hose, bis sie völlig nackt vor ihm stand.

„Was soll das, Thorn?“, blaffte sie ihn wütend an. „Du wärst ihretwegen fast ertrunken! Ihretwegen wären wir fast umgekommen!“

Mit einem verächtlichen Blick auf die Elfenkriegerin setzte sie hinzu: „Wir können sie nicht mitnehmen! Es muss dir doch klar sein, dass sie das nicht überlebt! Willst du mit ihr sterben, nach allem, was wir durchmachen mussten? Es war reines Glück, dass wir es bis hierhin geschafft haben! Willst du jetzt alles riskieren? Nur, um eine tote Elfe bis nach Valianor zu schleppen?“

Thorn maß sie mit ungerührtem Blick. Er kannte Rosmerta schon lange und manches Mal hatte er geglaubt oder zumindest gehofft, dass es unter ihrer kalten, berechnenden Fassade einen Funken Mitgefühl und Wärme gäbe. Tatsächlich gab es Momente, da war er sich dessen sicher. Doch dies war einer jener Augenblicke, da sie ihn eines Besseren belehrte. Sie war eine schöne Frau. Sie gehörte zu jener Sorte Frauen, die durch ihre bloße Anwesenheit einem Mann diesen selten dümmlichen Blick auf das Gesicht zaubern konnte. Doch Thorn zählte sich nicht zu ihnen. Zwischen Rosmertas liebreizende Erscheinung und ihre zum Teil faszinierende Scharfsinnigkeit, mit der sie ihn immer wieder überraschte, schob sich ein kalter, roher und manchmal grausamer Eigensinn, der sich wie ein Schatten über ihr schönes Gesicht legte und ihn gewaltsam auf Distanz hielt.

„Solange du mit mir gehst, spielst du nach meinen Regeln“, sagte er nüchtern. „Du wirst dich wohl oder übel mit ihr abfinden müssen. Andernfalls trennen sich hier unsere Wege.“

„Ich versuche dir nur klarzu…“, setzte sie neu an, doch Thorn unterbrach sie.

„Das Problem ist, dass du nicht nur feige bist, sondern auch schwach. Ich will dich nicht beunruhigen, aber ich denke, ohne mich wirst du keine Chance haben zu überleben, und ich schätze, das weißt du auch.“

Er warf sein Bündel ins Gras und öffnete die Schnallen seiner Lederrüstung.

„Wer, wenn nicht ich, soll dich vor den ehemaligen Sklaven schützen, die dir auf dem Weg nach Valianor begegnen werden und sicher keine moralischen Bedenken haben, eine hilflose Frau wie dich – nun, wie soll ich sagen? – gefügig zu machen. Cartius’ Vorhut hat das Emlin-Tal sicher schon verlassen und verteilt sich in diesem Moment über das ganze verdammte Imperium! Sie haben gewonnen, Rosmerta! Wir sind Flüchtige und unsere Chancen, heil nach Valianor zu kommen, stehen so oder so ziemlich schlecht.“

Er schwieg einen Augenblick, dann wies er mit einem kurzen Nicken auf die bewusstlose Elfe und seine Stimme senkte sich zu einem schmerzlichen Flüstern.

„Alles, was mich jetzt noch interessiert, ist, Kitayscha am Leben zu halten. Du, der Senatsvorsitzende, das ganze verfluchte valianische Heer – ihr könnt meinetwegen verrecken!“

Rosmerta starrte Thorn fassungslos an. Was war nur in ihn gefahren? Hatten die vergangenen Erlebnisse, so schrecklich sie auch waren, seinen Verstand denn völlig verwirrt? War das der Waldläufer, mit dem sie vor drei Jahren in Testaceus’ Dienste getreten war, der seine Ziele unerbittlich verfolgte und genau zu wissen schien, wie man seine Leute sicher durch gefährliche Situationen manövrierte? Offensichtlich war er mürbe geworden.

„Armer, verliebter Thorn“, säuselte sie. „Wie sehr dir die Elfe doch das Hirn verbrannt hat. Irgendwie scheinst du mit den Elfen kein Glück zu haben. Hast du darüber schon mal nachgedacht?“

Ihre Augen suchten Thorns Blick, aber er starrte durch sie hindurch. Also setzte sie noch eins drauf.

„Ich versteh dich einfach nicht! Warum wirfst du dein Leben weg, indem du krampfhaft an einem schon verlorenen festhältst? Seitdem du und Kitayscha ein Paar seid, scheinst du all deine Selbstsicherheit verloren zu haben. Und soweit ich mich erinnere, hält sie dich für einen Feigling. Hat sie dich nicht als Feigling bezeichnet, als …“

„Sie hatte allen Grund dazu“, fuhr Thorn aus seiner Trance.

„Ach ja? Weswegen?“

„Ich habe sie an vorderster Front kämpfen lassen, während ich selbst aus sicherer Distanz meine Pfeile abfeuerte.“

Rosmerta zog die Stirn in Falten. „Als wir Testaceus’ Neffen befreiten? Na und? Du bist nun mal ein besserer Bogenschütze als Schwertkämpfer.“

Thorn schüttelte energisch den Kopf. „Darum geht es nicht. Kit war immer die mutigere von uns beiden. Und nun ist sie fast gestorben, weil ich nicht da war, als sie mich brauchte. Es war das letzte Mal, dass ich sie ihm Stich gelassen habe! Und damit ist dieses Gespräch beendet.“

Rosmerta nahm verärgert ihre Kleider und legte sie auf einen flachen Stein zum Trocknen. Schließlich zog sie aus ihrem kleinen Rucksack eine Decke und breitete sie neben ihren Sachen aus.

„Warum bist du eigentlich aus Alba geflohen?“, fragte sie unvermittelt.

Thorn blickte auf.

„Du bist doch sicher nicht bloß losgezogen, um dir die Welt anzuschauen, oder? Irgendwas hat dich aus deiner Heimat vertrieben. Und es war bestimmt nicht der Krieg zwischen den Elfen und den Clans! Hab ich recht?“

Thorn antwortete nicht. Stattdessen wandte er sich ab, befreite die Elfe von ihren nassen Kleidern und kontrollierte ihren Kopfverband.

„Du kennst den Grund“, sagte er nach einer Weile leise.

„Womit wir wieder beim Thema wären“, antwortete Rosmerta und rieb sich bibbernd die nackten Arme. „Die Elfen bringen dir kein Glück. Du hättest gar nicht erst für ihre Freiheit kämpfen sollen. Wäre deine Verlobte nicht gewesen …“

„Auch dann hätte ich mich auf die Seite der Elfen geschlagen, weil es eine Sache des Ehrgefühls ist. Ihr Volk wurde von den Menschen Albas unterdrückt.“

Thorn wusste, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Er hatte sich vor allem deshalb der Sache der Elfen angeschlossen und damit seinen eigenen Leute den Rücken gekehrt, weil er sich in die Tochter des Elfenkönigs verliebt hatte. Jaslana war der eigentliche Grund für seinen Sinneswandel. Er hatte sie geliebt, wenn auch auf ganz andere Weise als Kitayscha. Die Erhabenheit des elfischen Volkes, die Ruhe, die sie umgab, und ihre weise Voraussicht hatten ihn stets fasziniert, und Jaslana war die Verkörperung dieser Eigenschaften gewesen. Im Gegensatz zu ihr war Kit geradezu erfrischend menschlich. Wahrscheinlich hatte er sich ihr gegenüber genau aus diesem Grund immer gleichwertig gefühlt. Zumindest bis zu jenem Tag vor etwa einem Jahr, als sie Testaceus’ zweiten Auftrag angenommen hatten. Damals war der Neffe des Senatsvorsitzenden entführt worden und Testaceus beauftragte ihn, den Jungen zurückzuholen. Bei der Befreiung waren sie in arge Bedrängnis geraten. Danach hatte Kit ihn einen Feigling genannt und Thorn spürte, dass in ihrem Vorwurf ein Funke Wahrheit lag.

Wie auch immer – Jaslana war im Krieg gestorben. Ihr Tod hatte ihn aus der Heimat der Elfen vertrieben. Kitayscha lebte noch. Und er würde alles dafür tun, dass dies so blieb.

„Meinetwegen, dann reden wir eben nicht über dich“, bemerkte Rosmerta, als Thorn nichts mehr hinzufügte. „Es interessiert mich sowieso nicht!“

Nervös tastete sie nach ihrer Decke, die auf dem Stein in der Sonne lag, und stellte gereizt fest, dass sie längst noch nicht trocken war.

Thorn schritt langsam am Ufer des Emlin entlang. In der einen Hand hielt er vier fette Rebhühner, in der anderen seinen Dolch. Links von ihm sprudelte das Wasser lebhaft das steinige Flussbett hinab. Thorn legte die Rebhühner auf einen Stein, steckte den Dolch weg, schöpfte mit den Händen Wasser und trank.

Schließlich drehte er sich auf den Rücken und schloss die Augen. Das zurückhaltende Vogelgezwitscher, das Plätschern des Wassers und das leise Säuseln des Windes verloren sich langsam. Ohne sich gegen die Müdigkeit zu wehren, die sich wie dicke Watte über seine Gedanken legte, ließ er sich in die Dunkelheit treiben.

Die Rufe der Kämpfenden drangen zu ihm hoch und die Zeit lief davon. In aller Eile zerriss er sein Hemd und wickelte es notdürftig um Kitayschas Stirn. Irgendjemand schrie am Fuße des Wachturms in Todesqualen. Die Angst, er sei zu spät gekommen, schnürte ihm die Kehle zu. Bleierne Ohnmacht lastete auf seinen Gedanken. Stimmen in seinem Kopf überhäuften ihn mit Vorwürfen: Wo warst du, als sie angegriffen wurde? Dort, wo keine Gefahr drohte? Hattest du Angst um deine eigene Haut?

Fast hätte er aufgegeben, fast den Glauben an Rettung verloren. Er wollte sich einfach neben sie legen und darauf warten, dass man ihn fand und tötete. Wie konnte er so auch weiterleben? Nichts mehr wäre für ihn noch von Bedeutung. Leben – Tod, Wahrheit – Lüge, Chaos – Ordnung: Ohne Kitayscha an seiner Seite war alles sinnlos.

Doch dann, als ob es nie einen Zweifel gegeben hätte, hob er sie hoch und stieg die Stufen hinab. Panik und Angst waren von ihm abgefallen. Mit fast stoischer Ruhe durchschritt er, ihren schlaffen Körper auf seinen Armen, die Menge der kämpfenden Soldaten, als ob keiner von ihnen eine Bedrohung darstellte. Irgendjemand stolperte in einem Ausweichmanöver über seine Beine, bevor er einige Schritte weiter reglos liegen blieb. Ein Schwert krachte direkt neben ihm auf einen Stein am Boden und splitterte. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass schräg vor ihm jemand aus einem Loch in der Erde kroch, was ihm seltsam vorgekommen wäre, hätte er nicht jeden Sinn dafür verloren, was um ihn herum geschah.

„Hierher!“, schrie jemand, dessen zarte, für einen Mann ungewöhnlich kindliche Stimme ihm bekannt vorkam. „Ich hab’ ihn, ich hab’ ihn! Er hat bezahlt, Thorn! Er hat …“

Die Stimme brach und ging in einen schrillen Schrei über. Ein leises Röcheln folgte. Dann wurde es vom Lärm der Schlacht übertönt. Doch Thorn schritt weiter.

Als er das steinerne Hauptgebäude erreicht hatte, tauchte Rosmerta plötzlich neben ihm auf, ihre Hand gegen eine Wunde an ihrer Schulter gepresst.

„Zum Fluss!“, keuchte sie und rannte los.

Sie hatte ihren Speer nicht bei sich. Auch er trug, abgesehen von seinem Dolch, keinerlei Waffen. Wie sollten sie sich schützen? Bis zum Fluss war es weit. Doch Thorn bahnte sich zwischen den schwitzenden, schlachtenden Körpern seinen Weg, ohne dass er angegriffen oder auch nur von einer Waffe gestreift wurde.

Er folgte Rosmerta über die Böschung, die sich hinter der Garnison der 14. Legion zum Fluss hinabneigte, und ließ die Schreie und das Klirren von Stahl hinter sich. Ohne ihre Gefährten, die im Innenhof der Garnison verbluteten, und ohne die restlichen Soldaten, die für das Imperium ihr Leben opferten, flohen sie vom Schlachtfeld und erreichten unbeschadet den Emlin.

Ruckartig setzte Thorn sich auf. Seine Freunde waren tot. Er selbst hatte aufgegeben und versucht, sein eigenes Leben und das Kitayschas zu retten. Aber dass sie tatsächlich davongekommen waren, obwohl die Sklavenarmee wie eine riesige Gewitterwolke über der Garnison der 14. Legion aufgezogen war, konnte er immer noch kaum glauben.

Cartius’ Anhänger waren nicht nur durch das Tor gestürmt, sie hatten auch Tunnel gegraben, durch die sie in die Feste eingedrungen waren.

Verfluchter Liam! Thorn fuhr sich nervös durch sein wirres Haar. Ich hätte nie damit gerechnet, dass du mich verraten würdest! Niemals!

Er hatte an Liams Rechtschaffenheit nie gezweifelt. Warum auch? Liam O’Neill war ihm als aufrechter Mann erschienen, mehr noch, er war zu einem engen Vertrauten und Freund geworden. Nie war Thorn in den Sinn gekommen, dass Liam ein Verräter sein könnte. Dabei hätte er jeden Neuankömmling verdächtigen müssen. Und Liam war einer von ihnen gewesen. Doch weil er ihm wesentlich mehr abgewinnen konnte als einem der stets gehorsamen Soldaten, ließ er sich dazu hinreißen, unvorsichtiger zu sein, als es die Situation erlaubte.

Während die Wellen des Sklavenheers gegen die Mauern der Garnison brandeten, hatte jemand von innen das Tor geöffnet. So hatte das feindliche Heer ungehindert einfallen können.

Und der Mann, der an den schweren Holzflügeln seinen Posten bezogen hatte, hieß Liam O’Neill.

Rosmerta fuhr sich missmutig durch ihr verfilztes Haar und flocht es verbissen zu einem Zopf. Ihr Blick löste sich von Kitayschas Körper und glitt durch die Baumstämme, wo sie Thorn ausmachte. Ob er etwas gefangen hatte, konnte sie aus der Entfernung nicht feststellen, aber sein Anblick hob ihre Stimmung sofort.

„Ich sterbe vor Hunger!“, versuchte sie ein unverfängliches Gespräch, als er das Lager erreichte.

Thorn antwortete nicht. Er ließ die vier Rebhühner neben die Feuerstelle fallen und ging neben Kitayscha in die Knie.

„Ihre Stirn ist heiß“, stellte er besorgt fest.

„Wie hast du die Vögel ohne deinen Bogen erlegt?“, fragte Rosmerta scheinbar interessiert.

Thorn hob vorsichtig den verbundenen Kopf der Elfe und träufelte Wasser aus dem feuchten Tuch, das er im Fluss getränkt hatte, in ihren Mund.

„Mit einem Stein“, murmelte er abwesend.

Kitayschas Lider zuckten wild hin und her und ein heftiges Beben erfasste ihren Körper.

„Guter Mann!“, sagte Rosmerta großzügig.

Dann beobachtete sie Thorn widerwillig dabei, wie er den letzten Tropfen aus dem Tuch presste und Kitayscha besorgt musterte. Thorn war so sehr auf die Elfe fixiert, dass es Rosmerta förmlich das Herz einschnürte. Und dabei war es naheliegend, dass Kits Elfenblut der eigentliche Grund für seine Vergötterung war. Dass es sich dabei um Liebe handelte, bezweifelte sie.

Erkannte Thorn nicht auch ihre eigenen elfischen Wurzeln? Wusste er, dass sie nur halb ein Mensch war? Gesagt hatte Rosmerta es ihm nie. Es war ein Geheimnis, das sie sorgfältig hütete – zu Recht, denn Mischwesen galten im Valianischen Imperium als Außenseiter und sie hatte Pläne, die sich damit nicht vereinbaren ließen. Doch um seinetwillen hätte sie den von ihr so wenig geliebten Teil in sich offenbart. Tatsächlich war sie kurz davor gewesen, Thorn in ihr Geheimnis einzuweihen. Doch Kit war ihr in die Quere gekommen, bevor sie sich dazu durchringen konnte. Und vermutlich hätte Thorn der Elfenkriegerin in jedem Fall den Vorzug gegeben. Immerhin war Kit eine vollwertige, sie hingegen nur eine halbe Elfe.

Ein hässlicher Gedanke machte sich in Rosmertas Kopf breit. Vielleicht würde Thorn ihre Zuneigung erwidern, sobald die Elfe das Zeitliche gesegnet hatte. Lange konnte es nicht mehr dauern. Von dieser Idee beflügelt, richtete sie sich auf, schnappte die Rebhühner und begann, sie sorgfältig zu rupfen. Ab und an warf sie einen heimlichen Blick auf den Waldläufer, der Kitayscha in seinen Armen hielt, um ihren kalten Körper zu wärmen und anscheinend nichts um sich herum wahrnahm. Nach einer wortlosen Mahlzeit packten sie zusammen und brachen in Richtung Süden auf.

Das Gebiet, das sich zwischen dem Emlin und der Straße nach Valianor hinzog, war weitestgehend Sumpflandschaft. Vor ihnen taten sich inmitten grüner Wiesen und Büsche zäh vor sich hin brütende braune Moortümpel auf. Thorn wusste, dass es eine gewisse Erfahrung erforderte, ein solches Moor zu durchqueren, doch er wagte es nicht, die Straße, die parallel zum Sumpfgebiet Richtung Süden verlief, schon so früh zu betreten. Zu groß war die Gefahr, dass sich dort bereits die ersten Aufklärer von Cartius’ Armee aufhielten.

Gedankenversunken liefen Thorn und Rosmerta unter einer bereits kraftvoll scheinenden Sonne nebeneinander her. Das Sonnenlicht blitzte und glitzerte in den kleinen Tümpeln wie Schmuckstücke auf den Tischen der Händler Valianors.

Thorn, der um einiges größer war als Rosmerta, marschierte nach kurzer Zeit vorneweg, in seinen Armen Kitayscha haltend, so als wöge sie nur wenige Gramm. Verzweifelt mühte sich Rosmerta über den aufgeweichten Boden. Eine leise Unruhe machte sich in ihr breit, nicht nur weil der Matsch bis zu ihren Unterschenkeln hochkroch, sondern auch, weil Thorn nichts tat, um ihr beim Überqueren der gefährlichen Passagen zu helfen. Sie hatte nicht das Geringste für Märsche dieser Art übrig. Thorn hingegen bewegte sich trotz des schlammigen Untergrunds und dem zusätzlichen Gewicht der Elfe erstaunlich leichtfüßig.

Nachdem sich Rosmerta redlich abgeplagt hatte, um Thorn einzuholen, versuchte sie verbissen, mit ihm Schritt zu halten. Ihr lederner Mantel, ein Geschenk des Senatsvorsitzenden, war bis zu ihren Hüften mit Schlamm überzogen.

„Meine Güte, Rosmerta“, feixte Thorn. „Da hast du endlich etwas Anständiges anzuziehen und dann wälzt du dich wie ein Schwein im Dreck! Was wird wohl die gehobene Gesellschaft Valianors denken, wenn sie dich in diesen Lumpen sieht?“

Rosmerta warf wütend ihren Zopf in den Nacken.

„Wir hätten diesen verdammten Auftrag gar nicht annehmen sollen!“, zischte sie beleidigt.

„Da gebe ich dir ausnahmsweise recht!“

Thorn dachte an ihre alten Spezialaufträge. Sie hatten nichts mit der Schlacht im Emlin-Tal gemein. Letztere war seine erste Mission als Kommandant valianischer Truppen gewesen und es stand außer Frage, dass er für derartige Missionen ungeeignet war. Warum hatte Testaceus ihm den Auftrag überhaupt zugespielt? Er musste doch gewusst haben, dass das Militär nicht sein Ding war?

Der Beweis dafür lag in nüchterner Klarheit vor ihm: Alle waren tot. Die Sklaven hatten gesiegt.

„Nicht nur, dass wir verloren haben“, sagte er nach einer Weile nachdenklich. „Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich die Sklaven, abgesehen von Cartius selbst, als Feinde betrachten will. Sie kämpfen lediglich um ihre Freiheit und um das Recht, über sich selbst zu bestimmen.“

Er rückte Kitayschas Körper zurecht, sodass ihr Ellenbogen nicht länger gegen seinen Magen drückte, und suchte den sumpfigen Untergrund nach gefährlichen Stellen ab.

„Wieso hast du den Auftrag dann angenommen?“, fragte Rosmerta.

„Testaceus ist ein Freund. Ich habe ihm einen Gefallen getan. Ich bin wütend auf ihn, ja. Immerhin hat er mich in diese beschissene Lage gebracht. Aber ich nehme an, er hatte einen guten Grund dafür, mich ins Emlin-Tal zu schicken, auch wenn es sich im Nachhinein als Fehler erwiesen hat. Ich hätte als Kommandant voll und ganz hinter den Valiani stehen müssen, doch das war nicht der Fall. Ich bin von den valianischen Prinzipien einfach alles andere als überzeugt, besonders im Hinblick auf die Sklavenhaltung. Wie siehst du das?“

Er drehte sich zu Rosmerta um.

„Ich meine, denkst du nicht auch, dass der Aufstand der Sklaven irgendwie seine Berechtigung hat?“

Rosmerta schnaubte verächtlich auf.

„Keine Ahnung! Und überzeugt bin ich nur von Dingen, die sich als nützlich für mich erweisen.“

Sie sah Thorn von der Seite an.

„Oder?“

Als er nicht reagierte, wandte sie sich frustriert von ihm ab.

„Mich kümmern weder die Sklaven, die ihr Schicksal mit Sicherheit verdient haben und in den Minen zu Recht über kurz oder lang verreckt wären, noch liegen mir die Machenschaften des Senats am Herzen. Aber …“

Plötzlich blieb sie stehen, während Thorn ungerührt an ihr vorbeimarschierte. Hastig raffte sie ihren Mantel und eilte ihm hinterher.

„In Valianor bin ich eine angesehene Persönlichkeit. Die Leute, inklusive Testaceus, behandeln mich mit Respekt und nirgendwo sonst führe ich einen solchen Lebensstil. Das kostet mich eben die Kleinigkeit, dem Senatsvorsitzenden ab und zu einen Gefallen zu tun.“

Thorn drehte sich um. Ihre hochgezogenen Augenbrauen spiegelten eine Eitelkeit wider, die ihre Züge zu einer ausdruckslosen Maske verhärteten. Rosmertas Einstellung widerte ihn an.

„Die Ihren bereichern die Götter im Schlaf“, murmelte er leise und setzte seinen Weg fort. „Nun denn, Heldin des Valianischen Imperiums“, antwortete er laut und mit unüberhörbarem Sarkasmus in seiner Stimme, „ab jetzt müsst Ihr jeden Eurer Schritte abwägen, denn da vorne wird es wahrlich sumpfig. Also gebt Acht! Wenn Ihr an der falschen Stelle auftretet, seid Ihr verloren.“

Er blickte über die Schulter zurück und auf seinem Gesicht erschien ein eisiges Lächeln.

„Ich werde Kitayscha nämlich ganz sicher nicht fallen lassen, um Euch, Gnädigste, aus dem Dreck zu ziehen!“

Rosmerta biss sich auf die Lippen. Am liebsten hätte sie Thorn angebrüllt, doch dies war der falsche Zeitpunkt. Trotz der Last, die er auf seinen Armen trug, sank er nur halb so weit ein wie Rosmerta, die keine Ahnung hatte, wie er das machte, und sich nur noch mehr ärgerte. Sie kannte sich in natürlicher Umgebung nicht halb so gut aus wie Thorn, der praktisch sein ganzes Leben im Wald zugebracht hatte und mit solchen Situationen vertraut war.

„Worauf muss ich achten?“, schrie sie ihm hinterher.

„Auf deinen Hausverstand, solltest du einen solchen besitzen!“

Er blieb stehen und drehte sich seufzend um.

„Am besten folgst du mir einfach auf dem Fuß.“

Rosmerta beeilte sich, ihn einzuholen, um dann jeden seiner Schritte zu imitieren. Als sie ihren Weg anschließend wesentlich gewandter fortsetzte, stahl sich ein triumphierendes Lächeln auf ihre Lippen.

Weit hinter ihnen lag, von Felsen eingekesselt, das Emlin-Tal, linker Hand wälzte sich der Emlin brausend Richtung Nadrus-Tal. Von dort weg würde Brunius Doridorus Cartius sein Sklavenheer flussaufwärts führen, um seinen Weg über den Isola-Pass Richtung Valianor fortzusetzen. So dachte zumindest Thorn. Da Cartius’ Heer den Widerstand vereinzelter Dörfer, sofern deren Bewohner einen solchen überhaupt in Erwägung zogen, ignorieren konnte, würde es ungehindert und schnell auf der Straße nach Valianor weitermarschieren.

Obwohl Thorn kein besonderes Bedürfnis verspürte, nach Valianor zurückzukehren, wusste er, dass ihre einzige Chance, lebend davonzukommen, die Rückkehr in die Hauptstadt war. Er hoffte, dass sie im Nadrus-Tal auf patrouillierende valianische Truppen stießen, die sie in die Stadt geleiten konnten. Wenn sie sich dann erst einmal unter der Obhut des Senatsvorsitzenden befanden, konnte Kitayscha geheilt werden, sodass sie anschließend in ihrer beider Heimat zurückzukehren konnten.

Sie würden ein Schiff nach Chryseia nehmen, von dort die Wälder Albas erreichen und die schrecklichen Geschehnisse weit hinter sich lassen. Vielleicht war der Krieg zwischen den Elfen und den adligen Clans mittlerweile zu Ende. Vielleicht hatte ihre Liebe in Alba eine Zukunft und er eine Möglichkeit, Jaslanas Tod ein für alle Mal zu vergessen.

* * *

Der süßliche Geruch von Blut, durchsetzt vom herben Duft nach Weihrauch, hing in dem fensterlosen Raum und drang in seine Nase, als er die Tür hinter sich schloss. Antonius Virgil Testaceus war die morbide Atmosphäre hier längst gewohnt; die Düsternis der unterirdischen Gemäuer konnte ihn kaum noch beeindrucken. In jedem der vier Winkel stand ein Marmorsockel mit einem Weihrauchkessel umringt von Kerzen. In der Mitte des Raums erhob sich ein Altar aus schwarzem Basalt. Neben dem Altar stand eine Gestalt, deren Augen so schwarz waren wie der Stein.

Testaceus hatten diese Augen mehr als einmal dazu gebracht, sich unsicher und verloren zu fühlen. Er wusste um die bedrohliche Kälte, die der Mann neben dem Altar ausströmte, wusste um die beängstigende Wirkung seines bohrenden Blicks und den Effekt seiner ausgemergelten Gestalt. Darum war ihm auch klar, was seinem kleinen Begleiter in eben diesem Augenblick durch den Kopf schoss: Flucht!

Testaceus umschloss die Hand des Jungen noch fester. Er spürte sein Zögern beim Anblick der dunklen Gestalt. Zitternd presste sich der zarte Körper an ihn, während ängstliche Augen fragend zu ihm aufblickten.

„Du erinnerst dich doch, was ich dir über diesen Mann und sein Zuhause gesagt habe?“, flüsterte Testaceus.

Der Junge nickte langsam und warf der Gestalt einen bangen Blick zu, so als erwarte er, dass sie im nächsten Moment wie ein tollwütiges Raubtier über ihn herfallen würde.

„Er sieht zwar böse aus, aber nur, weil er ein sehr einsamer Mensch ist“, murmelte er tapfer hinter vorgehaltener Hand. „Und er hat kleine Kinder gern, auch wenn man es ihm nicht ansieht. Und sein Zuhause …“

„Ist nur deshalb so dunkel und beängstigend, weil er nie ein eigenes Zuhause hatte und nicht weiß, wie ein richtiges Zuhause auszusehen hat“, setzte Testaceus zustimmend fort. „Richtig, mein Junge!“

Testaceus’ Aufmerksamkeit kehrte zur Gestalt am Altar zurück, die, immer noch reglos verharrend, ihre Augen zwischen ihnen hin und her wandern ließ. Schließlich bohrte sich ihr Blick in Testaceus’ Kopf und wie schon viele Male zuvor hatte er den Eindruck, sie würde jeden seiner Gedanken kennen.

Ein kaltes Kribbeln kroch seinen Rücken hoch und hinterließ ein Gefühl absoluter Leere in seiner Magengegend. Er musste kurz durchatmen, dann schob er den Jungen, der sich immer noch ängstlich an ihn drückte, auf die Gestalt zu, die schweigend jede ihrer Bewegungen beobachtete.

„Ich bin hier, um Hilfe durch Eure Gabe zu erbitten“, durchbrach Testaceus die eisige Stille.

Es war jedes Mal die gleiche Prozedur. Jedes Mal begann er mit genau diesen Worten und jedes Mal musterte ihn der Augur, nachdem er sein Anliegen vorgebracht hatte, mit berechnendem Blick. Es war Teil des Ritus, der die Weissagung eines Auguren gewandete wie die Amtstracht einen Senator, und deshalb war es nicht nur ungebührlich, sondern auch gefährlich, die einleitende Bitte zu unterlassen und die darauffolgende Stille zu unterbrechen. Auguren waren anerkannte Leute. Zwar nicht so anerkannt wie ein Senator, doch sie besaßen etwas, das kein gewöhnlicher Mensch besaß: die Macht des sechsten Sinns in ihrer höchsten Ausprägung. Wenn man sich diese Macht zunutze machen wollte, musste man ihr mit Ehrfurcht und dem gebührenden Respekt begegnen. Auguren arbeiteten niemals im Dienste des Staates oder irgendeines Senators, bis auf jene fünf, die Testaceus in dem Nebengebäude seines Anwesens beherbergte. Wie es dazu gekommen war, daran wollte er im Moment nicht denken.

Die meisten der Senatoren hielten die Befragung eines Auguren für notwendig, um ihr Schicksal zu beeinflussen. Es gab nicht einen unter den Senatoren, der in kritischen Zeiten nicht zu derartigen Mitteln gegriffen hätte. Allerdings gingen die Methoden seiner fünf Auguren über das übliche Maß hinaus. Auch das war ein Punkt, über den Testaceus nicht gerne nachdachte.

Testaceus warf einen Blick auf das bleiche Gesicht des Jungen, der ängstlich zu dem Mann in der schwarzen Robe hochsah. Trotz seiner offensichtlichen Scheu versuchte er, tapfer stillzuhalten, und machte keine Anstalten, davonzulaufen. Testaceus selbst hatte dafür gesorgt, dass der Junge ihm blind vertraute und ganz sicher bis zum Ende durchhielt.

Testaceus warf einen kurzen Seitenblick auf den Altar.

„Zwei Fragen, wenn Ihr gewillt seid, Lestrang“, eröffnete Testaceus mit ehrfürchtig gedämpfter Stimme das Ritual.

„Zwei Antworten, wenn die Dinge günstig stehen“, antwortete der Augur gleichmütig und schritt an Testaceus vorbei zur Tür, woraufhin vier ausgemergelte Gestalten in den gleichen Roben aus hauchdünnem schwarzen Stoff eintraten. Alle hatten diese seltsam schwarzen Augen, deren kalter, taxierender Blick sich auf Testaceus und das Kind richtete.

„Ich nehme an, es geht um die Schlacht gegen den Sklavenführer.“

Lestrangs Stimme klang, als ob man trockenes Laub zwischen den Fingern zerbröselte.

„Ganz recht.“

Testaceus schob den Jungen, der bei den Worten des Auguren unwillkürlich zwei Schritte zurückgewichen war und nun förmlich mit den Beinen des Senatsvorsitzenden verschmolz, ein Stück von seinem Körper weg. Um ihn zu beruhigen, drückte er seine Hand. Obwohl er den Schrecken des Kindes nachempfinden konnte, wusste er, dass der Augur auf die Angst eines Menschen reagierte wie ein Wolf bei dem Geruch von Blut und er hatte nicht das geringste Bedürfnis, Lestrang zusätzlich zu animieren.

Während sich die anderen Auguren mit raschelnden Roben um den Altar versammelten, trat Lestrang an den Jungen heran. Seine Fingerspitzen strichen sanft über sein Gesicht.

Testaceus bemerkte, wie der Junge zu zittern begann, und stellte mit Abscheu fest, dass seine Angst dem Auguren ein kaum wahrnehmbares Lächeln entlockte.

Schließlich richtete Lestrang sich auf, ging zum Altar zurück und legte seine Hand auf die kalte schwarze Steinplatte.

„Ihr habt wie immer dafür gesorgt, dass wir unser Ritual ungestört durchführen können?“

Lestrangs Augen ruhten auf dem Jungen.

Die kleine Hand war schweißnass.

„Natürlich“, antwortete Testaceus ungerührt, obwohl sein Magen sich unangenehm zusammenkrampfte.

Lestrangs Aufmerksamkeit wanderte zu den restlichen Auguren, eine Tatsache, die Testaceus kurz aufatmen ließ.

Mittlerweile hatten Lestrangs Gehilfen einen Halbkreis um den Altar gebildet.

„Nun denn, es ist an der Zeit, dass ich mich um Euer Mündel kümmere“, begann Lestrang, ohne seinen Blick von den Auguren zu wenden.

Testaceus lief es eiskalt über den Rücken.

„Bereit, die Wächter zu rufen!“, rief einer der Auguren mit hohler Stimme.

Lestrang nickte, schloss die Augen und flüsterte etwas, das Testaceus nicht verstand. Dann warf er dem Senatsvorsitzenden einen Blick zu, den dieser als eindrücklichen Befehl auffasste. Testaceus ließ die Hand des Jungen los und trat zurück. Das Kind erschrak angesichts des plötzlichen Entzugs des Sicherheit spendenden Körperkontakts. Verzweifelt machte der Junge einen Schritt auf Testaceus zu, doch da hatte ihn schon einer der Auguren gepackt, ihn auf den Altar gehoben und ihm zischend befohlen: „Zieh dich aus!“

Testaceus nickte ihm zu, aber der Junge versteifte sich und bettelte aus flehenden Augen um seinen Beistand.

„Tu, was man von dir verlangt!“, forderte Testaceus ihn schroff auf. „Du bist kein Kind mehr! Ich habe dich auf das hier vorbereitet und dir meine wertvolle Zeit geschenkt. Ich habe dich gelehrt, dass es Größeres gibt als das eigene Leben und dass man, um diesem Größeren zu dienen, Opfer bringen muss. Ich dachte, du wärst außergewöhnlich genug, um den Sinn deines jungen Lebens in einem größeren Zusammenhang zu betrachten und dass du die Kraft hättest, einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Täusche ich mich, oder warst du nicht Feuer und Flamme, als ich dir von deiner Chance berichtete, dem Wohle der gesamten Menschheit einen Dienst zu erweisen?“

Testaceus wurde bei dieser Unzahl an Lügen schlecht. Die taktische Suggestion, mit der er versuchte, den Jungen zum Gehorsam zu bewegen, war widerlich. Trotzdem fuhr er entschlossen fort: „Offenbar habe ich mich in dir getäuscht, denn im Moment macht die Angst einen Feigling aus dir und du schaffst es nicht einmal, die einfachen Befehle dieses Mannes auszuführen!“

Testaceus wandte sich vom Altar ab. Er ertrug es nicht länger, der puren Verzweiflung in ihr unverfälschtes Gesicht zu sehen. Der Junge verstand seine Geste gewiss als ein Zeichen seiner Enttäuschung. Und richtig, als er sich endlich dazu durchgerungen hatte, zum Opfertisch zurückzublicken, hatte er sich bereits seines Leinenhemdes entledigt und saß nun völlig entblößt, die dünnen Beine von der schwarzen Steinplatte baumelnd, zwischen den Auguren. Tränen rannen ihm über seine Wangen und Testaceus wusste, dass er sich gefügt hatte und sich nicht mehr zur Wehr setzen würde.

* * *

Seit zwei Tagen waren sie nun schon unterwegs, während sich das Moor um sie herum in alle Richtungen auszubreiten schien. Nur mühselig kamen sie voran; Rosmerta war mehrere Male fast versunken. Nachts ließen die unzähligen Mücken den Schlaf zur Tortur werden. Weil sie beide kaum schlafen konnten, hielten sie meist gemeinsam Wache und vertrieben sich die Zeit damit, die lästigen Blutsauger zu erschlagen.

Besorgt hatte Thorn festgestellt, dass Kitayscha noch blasser geworden war. Nicht ein einziges Mal öffnete sie die Augen, sie atmete kaum merklich und ihren Puls konnte er nur erahnen, wenn er Rosmerta dazu aufforderte, ihren Mund zu halten und er selbst sich nicht rührte.

Die Sonne färbte sich blutrot, als sie am zweiten Tag endlich das mittlerweile grüne Nadrus-Tal erreicht hatten und sich der Verbindungsstraße zwischen Valianor und der autonomen Provinz Shemora näherten.

Unter dem schattigen Schutz einiger vereinzelter Felsen schlugen sie ihr Lager auf.

Rosmerta war von dem Marsch durch den Sumpf völlig erschöpft und lehnte sich, ohne ihren Rucksack abzunehmen, sofort gegen einen Felsen.

„Das war das allerletzte Mal, dass ich für Testaceus die Drecksarbeit mache! In Zukunft kümmere ich mich nur noch um Angelegenheiten, die ich von einer Sänfte aus oder zumindest in Begleitung eines standesgemäßen Heeres und den dazugehörigen Annehmlichkeiten erledigen kann. Was gäbe ich jetzt für ein heißes Bad und ein Bett!“

Stöhnend rieb sie sich die schmerzenden Fesseln und deutete mit mattem Fingerzeig an, dass sie ein Lagerfeuer wünschte, doch Thorn schüttelte den Kopf.

„Kein Lagerfeuer mehr, solange wir nicht auf valianische Truppen gestoßen sind. Wir sind gefährlich nahe an der Verbindungsstraße.“

Er bettete die Elfe, die im Fieberwahn wieder zu zittern und zucken begonnen hatte, auf eine Moosbank und setzte sich neben sie. Dann teilte er sich das restliche Rebhuhnfleisch mit Rosmerta, die lustlos darauf herumzukauen begann.

Nachdem er Kitayscha etwas Wasser eingeflößt hatte, aß er selbst.

„Wir teilen uns die Wache“, forderte er Rosmerta auf, als er den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte.

Sie nickte stumm und zog ihren Umhang enger um ihre Schultern. Langsam kroch die Kälte der anbrechenden Nacht übers Land.

„Denkst du, Cartius’ Männer werden uns finden?“, fragte sie leise.

Thorn zuckte gleichgültig die Schultern.

„Keine Ahnung“, antwortete er. „Einen kleinen Vorteil haben wir: Sie werden nicht nach uns suchen. Für Cartius spielt es keine Rolle, ob ihm jemand durch die Lappen gegangen ist. Das Dumme ist nur, dass sein dreihunderttausend Mann starkes Heer ein großes Gebiet beansprucht und seine Leute deshalb nicht weit von uns entfernt sein können.“

Rosmerta zog die Augenbrauen hoch.

„Aber wir sind nur zu zweit … Verzeihung“, korrigierte sie sich räuspernd und schielte auf die schwer verletzte Elfe. „Zu dritt! Das macht es doch einfach, sich zu verstecken.“

Thorn grinste spöttisch.

„Meinst du?“, fragte er und setzte sich auf. „Die haben Späher, meine Liebe. Gut ausgebildete Späher. Brunius Doridorus Cartius ist nicht irgendein heruntergekommener Sklave! Er war der Zenturio der 21. Legion und für seine wohlüberlegten Kampfstrategien bekannt. Er hat sein Sklavenheer, wie du sicher bemerkt hast, zu einer perfekten Kampfmaschinerie ausgebildet. Seine Leute wissen, was sie tun. Und den Blicken eines guten Spähers und Spurenlesers zu entgehen, ist ein schwieriges Unterfangen.“ Er schob Kitayscha einen Arm unter den Rücken, den anderen unter ihre Kniekehlen und hob sie zu sich hoch, sodass sie mit dem Kopf gegen seine Brust sank. Die Nächte waren kalt und er musste sie warmhalten.

„Umso verwunderlicher ist es, dass Testaceus, obwohl er Cartius’ strategische Klugheit kennt, so tut, als hätte er es mit einem Anfänger zu tun. Er ließ uns im Emlin-Tal regelrecht ins offene Messer laufen! Zumindest hat er uns über Cartius und seine Sklaven weder ausreichend informiert, noch ein entsprechend großes Heer zur Verfügung gestellt.“

Rosmerta sah ihn eine Weile schweigend an. Sie hatte ihm nur mit halber Aufmerksamkeit zugehört. Sein zärtlicher Umgang mit Kitayscha irritierte sie. Seine Ignoranz ihr selbst gegenüber reizte sie unbändig. Warum konnte er sie nicht begehren wie andere Männer auch?! Seufzend kramte sie ihre Decke hervor und rollte sich an den Felsen gelehnt zusammen.

„Ich übernehme die zweite Wache“, murmelte sie schon halb eingeschlafen.

„Das hab ich mir gedacht.“

Rosmerta schreckte jäh aus dem Schlaf. Irgendetwas hatte sie geweckt. Kerzengerade saß sie auf ihrer Decke und starrte in die Dunkelheit. Ihre Augen wanderten über Thorns Lager, das wenige Schritte von ihrem entfernt war, doch sie konnte in der Finsternis kaum etwas erkennen. Lag da jemand, oder war das nur Thorns Decke, die einen umrisshaften Schatten auf dem Boden hinterließ?

In unmittelbarer Nähe hörte sie ein scharrendes Geräusch. Irgendetwas bewegte sich dort, unweit von Thorns Lager. Der Wind, der flüsternd über die Grashalme strich, trieb ihr eine Gänsehaut über den Nacken. Ihr Blick wanderte zu Thorns Lager zurück. Da war niemand. Rosmerta war sich sicher, dass der Umriss von seiner Decke stammte. Von dem Waldläufer fehlte jede Spur. Mit zittrigen Händen schob sie ihre Wolldecke zur Seite und wollte aufstehen. In diesem Moment durchbrach ein pechschwarzer Umriss die Dunkelheit.

Rosmerta zog blitzschnell ihren Dolch und sprang auf die Beine.

„Thorn?“, fragte sie zögernd und umklammerte die Waffe noch fester.

Doch da wandte sich die Gestalt ab und verschwand in der Dunkelheit. Bestürzt blickte Rosmerta ihr nach.

„Thorn?“, rief sie hinterher. Dann begann sie zu laufen.

„Thorn, bleib hier!“

Panik ergriff sie. Hatte er etwa vor, sie hier zurückzulassen und mit der Elfe abzuhauen? Verzweifelt schrie sie in die Dunkelheit: „Wo willst du hin, Thorn? THORN!“

Da blieb sie abrupt stehen. Wenige Schritte vor ihr trottete Thorn schwerfällig über das taufeuchte Gras. Das lange Haar der Elfenkriegerin hing bis auf seine Knie und schwankte bei jedem Schritt hin und her.

„Warte!“

Hastig steckte sie ihren Dolch zurück und lief weiter. Was, bei allen Dämonen, ging hier vor? Hatte Thorn etwa den Verstand verloren?

Als sie ihn eingeholt hatte, griff sie nach seiner Schulter, doch Thorn schüttelte ihre Hand ab und ging einfach weiter. Rosmerta folgte ihm, fing an zu laufen und überholte ihn schließlich. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Thorns Kinn auf seine Brust gesunken war und er die Augen halb geschlossen hatte. Bestürzt blieb sie stehen.

„Thorn“, sagte sie vorsichtig, doch Thorn marschierte wortlos um sie herum.

„Thorn!“

Keine Reaktion. Thorn stapfte einfach weiter.

„Was machst du? Wo, verdammt noch mal, läufst du hin?“

Entschlossen stellte sie sich vor ihn und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Sei kein Dummkopf!“

Thorn würdigte sie keines Blickes, als er erneut an ihr vorbeitrottete.

„Ich hab dir gesagt, dass das passieren wird, aber du wolltest nicht auf mich hören! Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt so lange durchgehalten hat!“

Langsam geriet Rosmerta in Panik. Was, wenn er wirklich den Verstand verloren hatte? Was, wenn er sich nach dem Tod der Elfe noch mehr in seinen Gefühlen zu ihr verlor? Wie sollte sie das verhindern? Ein derartiger Verlust wandelte sich oft in eine Hingabe wider jede Vernunft. Ein Joch wie dieses konnte wie eine Droge wirken, wie ein Gift, das Gefühle aufkommen ließ, die es gar nicht gab, Gefühle, die den verloren gegangenen Menschen zu einem Bild reiner und wahrer Schönheit hochstilisierten. Thorn würde die Elfe auf einen Sockel heben, von dem sie nie wieder gestoßen werden konnte. Kitayscha würde zu einer Ikone werden, einem Ideal – dem Traum der wahren Liebe.

„Verdammt noch mal! Sei doch froh, dass wir sie los sind!“, rief sie schrill. „Sie hätte uns noch ins Verderben gestürzt!“

Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund. Doch es war zu spät. Sie hatte ihre Gedanken laut ausgesprochen.

Thorn hielt abrupt inne. Langsam drehte er sich um.

Rosmerta hielt den Atem an und begann gegen ihren Willen leicht zu zittern. In Thorns Augen hatte sich ein eisiges Funkeln gestohlen, ein Glimmen, das ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. „Sei vorsichtig!“, zischte er so leise, dass sie es kaum hören konnte.

Rosmerta nahm ihren ganzen Mut zusammen.

„Du weißt, dass ich recht habe“, sagte sie bestimmt. „Ich meine, wenn du vernünftig darüber nachdenkst, sind wir ohne sie besser dran.“

Sein Blick blieb unbeirrt auf sie gerichtet. Rosmerta hob ihr Kinn und drückte ihren Rücken durch. Auf eine Entschuldigung konnte Thorn lange warten. Niemals würde sie ihn um Verzeihung dafür bitten, dass sie die Wahrheit sagte. Es war an der Zeit, Thorn die Augen zu öffnen. Er musste sich mit den Tatsachen abfinden.

„Was willst du, Thorn?“, setzte sie erneut an. „Willst du, dass ich dir sage, dass alles gut wird? Dass ich dir tröstend die Arme um die Schulter lege und dir irgendeinen Müll über bessere Tage erzähle, nur damit du dich weiterhin deinen Illusionen hingeben kannst und die Realität ignorierst? Es ist nun mal, wie es ist. Die Elfe ist tot und je eher du das begreifst, desto besser! Und ich sage dir noch etwas! Ich bin froh, dass sie tot ist! Denn ansonsten hättest du sie bis Valianor geschleppt und ob du’s nun glaubst oder nicht, das hätte uns früher oder später selbst das Leben gekostet. Sie ist tot, Thorn! Tot!“

Thorn legte aufreizend langsam den Leichnam auf den Boden und kam auf sie zu.

Rosmerta verfiel in eine Starre. Sie nahm nur noch Thorns wutverzerrtes Gesicht wahr, bevor sie einen harten Schlag gegen ihr Nasenbein spürte und zu Boden ging. Als sie zu ihm aufsehen wollte, wurde ihr schwarz vor Augen. Übelkeit stieg in ihr hoch. Würgend krallte sie ihre Finger in die Erde und spuckte aus, während sie verzweifelt darum kämpfte, sich nicht zu übergeben.

Thorn warf ihr einen letzten, kalten Blick zu. Dann drehte er sich um, hob Kitayschas toten Körper auf und verschwand in die Finsternis.

Wohin er lief, wusste er nicht. Sein Kopf war leer, sein Herz schien zu zerreißen. Das Band, das von Anfang an zwischen Kit und ihm spürbar gewesen war, war gewaltsam durchtrennt worden. Irgendwo ließ er sich einfach ins Gras fallen und sank gegen einen Felsen.

Seine Füße rutschten halb die Böschung hinab, die den kleinen Bach säumte, der nahe am Felsen entlangplätscherte. Thorn fühlte, wie ihn der letzte Rest seiner Kraft verließ und sich sein Verstand gegen die Wahrheit sträubte, die sich erbarmungslos in sein Herz bohrte. Er ertrug diese Klarheit nicht, diese Eindeutigkeit, diese Endgültigkeit. Es fühlte sich an, als müsse er an der Ohnmacht ersticken, die ihm jede Möglichkeit nahm, die Vergangenheit zu ändern.

Zwischen seinen angewinkelten Beinen, den Kopf auf seiner Brust, lag Kitayscha. Ihre Haut war noch bleicher als sonst und ihre Augen, die sie kurz bevor sie starb, noch einmal geöffnet hatte, waren nun starr und gebrochen. Sie hatte ihn noch ein letztes Mal angesehen, sogar angelächelt. Er hatte ihre Hand gedrückt, sie angefleht, durchzuhalten, doch es war zu spät. Er hatte sie nicht retten können. Sie war einfach gestorben.

Gestorben wie Jaslana, die seine Frau hätte werden sollen. Wie lange war ihr Tod her? Vier Jahre? Und nun war mit Kit dasselbe geschehen. Wofür straften ihn die Götter? Was hatte er getan?

Du neigst dazu, den anderen den Vortritt zu lassen, wenn es hart auf hart kommt!, vernahm er Kits Stimme in seinem Kopf. Du zögerst, zweifelst, wartest ab … Das mag in manchen Situationen die bessere Wahl sein, Thorn. Aber irgendwann kann dich dein Zweifeln den Kopf kosten. Und nicht nur dich …

Ein kleiner Käfer krabbelte über Thorns Daumen, doch er nahm ihn nicht wahr. Er hatte aufgehört, Kitayschas Gesicht zu streicheln, hatte aufgehört, zu weinen. Sein Blick war stumpf und seine Gedanken waren unter einem schweren schwarzen Schleier begraben, der sich einfach nicht heben wollte.

Ich habe sie im Stich gelassen.

* * *

Der blasse schlanke Körper lag auf dem Altar. Die dünnen Ärmchen hatte man ihm zur Seite gestreckt, die Handgelenke mit Seilen an Pfosten festgebunden, die unterhalb der Steinplatte zu diesem Zweck befestigt worden waren. In seinem Mund steckte ein Knebel. In regelmäßigen Abständen schüttelte ein heftiges Beben seinen Körper, der wie ein Stück Rinderhaut wirkte, das man zum Trocknen über ein Holzgerüst gespannt hatte.

„Nun denn, lasst uns sehen, wie die Dinge liegen!“

Lestrangs Blick traf Testaceus, der ihm auswich und stattdessen den Jungen ansah. Der Junge hatte sich ihm zugewandt, als wollte er sich krampfhaft an einem freundlichen Gesicht festhalten – an etwas, das zumindest ein klein wenig Trost spendete. Testaceus sah Tränen ihre feuchte Spur über die Wange ziehen, bevor sie in die kleine Lache auf dem schwarzen Stein tropften.

Er hatte keine Wahl. Er musste wissen, ob seine Pläne aufgingen! Das Leben dieses Jungen stand in keiner Relation zu dem, was auf dem Spiel stand und was alles verloren sein konnte, wenn er versagte. Ein Menschenleben zählte nur, solange es einen entscheidenden Beitrag zum Schicksal aller leisten konnte. Jeder musste sich in seine Rolle, seinen Daseinszweck fügen, auch er selbst, und zwar solange, bis das Ziel erreicht war. Nur darin lag der Sinn eines einzelnen Menschen, darin das Motiv, jemanden am Leben zu erhalten. Seine Bestimmung war es, das Valianische Imperium wieder zu Ruhm und Glanz zu führen, und dafür galt es, seinen Plan zu verwirklichen.

Unser Ursprung entlässt uns mit einem Plan in diese Welt …

Testaceus befreite seine Augen aus dem Blick des Jungen und fixierte Lestrang, der nun die Ärmel seiner schwarzen Robe zurückschob, sodass seine sehnigen Unterarme zum Vorschein kamen. Auf der Innenseite des linken Unterarms war ein Symbol eintätowiert. Es war eine gebogene Linie, die in einen kleinen Kreis mündete. Von der Mitte der Linie führte im rechten Winkel ein kurzer Strich weg. Um dieses eine zentrale Symbol gruppierten sich weitere kleinere Zeichen, die zusammengenommen mit dem ersten wie eine Art Formel wirkten. Was die Tätowierung bedeutete, wusste Testaceus aber nicht.

Lestrang stand, die Handgelenke an seine Schläfen gelegt, an der Seite des Altars, während die anderen Auguren ihren Kreis um die Steinplatte enger zogen und begannen, ihre nach außen gerichteten Handinnenflächen in die Luft zu strecken.

Zuerst Richtung Norden.

Ein Flüstern erklang.

Norari eto noqui lucor!“

Dann wiederholten sie die Geste in Richtung Osten.

Austri eto noqui lucor!“

Testaceus kannte den Ruf an die Wächter der Himmelsrichtungen, denn er war Teil jeder Weissagung, aber er konnte sich der beklemmenden Wirkung des Rituals nicht entziehen, zumal er genau wusste, was danach geschah.

Suari eto noqui lucor!“, wiederholten sie ihre Aufforderung an den Wächter des Südens.

Als die Auguren endlich auch dem Wächter des Westens ihre Bitte dargebracht hatten, begannen die Flammen in den Weihrauchschalen aufzuflackern, um dann plötzlich zu erlöschen.

Über dem Altar hatte sich ein gräuliches Licht gebildet, das dunstartig über dem blassen Leib schwebte.

Der Junge atmete stoßweise. Seine Augen hatten sich vor Angst geweitet, aber trotz allem schien er sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben, denn er versuchte erst gar nicht, sich aus den Fesseln zu befreien. Lestrang ließ seine Hände von seinen Schläfen sinken und über der Brust des Jungen innehalten. Seine Augen waren geschlossen, während sich seine Finger über dem bleichen Körper krümmten. Dann griff er unter seine Robe, zog ein Messer mit einer Klinge aus Obsidian hervor und öffnete die Augen.

Testaceus wandte seinen Blick ab und stierte auf den Steinboden. Ein Knacken dröhnte von den kahlen Wänden wider, als die Klinge in den Brustkorb gerammt wurde und dabei das Brustbein durchdrang.

Die Augen des Jungen weiteten sich. Im plötzlichen Erkennen seines Schicksals wich alle Farbe aus seinem Gesicht. Sich vor Schmerzen krümmend trat er nach allen Seiten, doch seine Tritte gingen ins Leere. Warme Tränen schossen aus seinen Augen, während Lestrangs Messer sich, ungeachtet des sich heftig windenden Körpers, seinen Weg vom Brustkorb nach unten bahnte. Das schabende Geräusch der Klinge, die durch Knochen und Fleisch schnitt, fuhr Testaceus durch Mark und Bein. Unter dem gewaltsamen Eingriff zuckte der Körper des Jungen in heftigen Krämpfen. Lestrang nahm den Todeskampf seines Opfers gar nicht wahr, sondern führte das Messer mit kalter Präzision vom Brustbein abwärts. Als der Augur endlich den Bauchnabel erreicht hatte, zog er das Messer ruckartig aus dem Fleisch.

Testaceus’ Blick ruhte auf dem kleinen Gesicht. Einen nichtigen Moment lang konnte er das gesamte Ausmaß der Qual von den Augen des Jungen ablesen. Dann versiegten die Tränen und die glasigen Pupillen wurden stumpf und leer.

„Wollt Ihr einen Blick darauf werfen?“, fragte Lestrang mit unbeteiligter Stimme.

Testaceus schüttelte den Kopf und hoffte, dass der Augur nicht bemerkte, wie angewidert er war. Sein Blick fiel auf die Klinge, die eben noch im Bauch des Jungen gesteckt hatte. Da war kein Tropfen Blut. Die Klinge war so sauber, als wäre sie gerade poliert worden.

Der Augur legte seine Hände auf die Brust des Knaben. Er ließ seine schlanken Finger in den Spalt im Brustbein gleiten, packte zu und riss den Brustkorb gewaltsam auseinander.

Testaceus wurde schlagartig übel. Er war sich nicht sicher, aber er hatte den Eindruck, als wäre ein kurzes Lächeln über Lestrangs Lippen gehuscht.

Während die anderen Auguren ihre Arme in den Ärmeln verschwinden ließen und einen Blick in das Innere des Jungen warfen, konzentrierte sich Lestrang auf den faustgroßen Muskel im Zentrum. Er pumpte immer noch Blut durch die Adern, als wäre ihm entgangen, dass dies längst keinen Sinn mehr machte.

Lestrang nickte.

„Das Herz“, murmelte er mit tonloser Stimme.

Dann hob er seinen Kopf und fixierte Testaceus.

„Eure Fragen, Senatsvorsitzender!“

Testaceus war ganz danach, sein Mittagessen wieder herzugeben, aber er schluckte die Magensäure, die bitter seine Speiseröhre hochkroch, gewaltsam hinunter und antwortete mit tonloser Stimme: „Wie wirkt sich mein Plan auf das erhoffte Ziel aus?“

Lestrang nickte nur, griff mit seiner bloßen Hand zielsicher in den geöffneten Brustkorb und umfasste das Herz des Jungen, das nur noch ganz schwach in seiner Faust pochte. Die andere Hand drückte er so weit ins Bauchinnere, dass fast der gesamte Unterarm in den Gedärmen verschwand, und ertastete die Wirbelsäure.

Testaceus war heilfroh, dass der Junge bereits dem Tode nahe war.

„Seid Ihr bereit, meinen Rat anzunehmen?“, erwiderte Lestrang, ohne seine Hand von dem roten Klumpen zu lassen, während er die andere aus dem Körper zog und das Blut in seine Robe wischte.

Testaceus nickte stumm.

In Lestrangs Gesicht fand sich nicht die geringste Veränderung, als er mit einem Ruck das Herz herausriss und es vor Testaceus auf den Boden warf. Es schlitterte ein Stück weit und blieb schließlich unmittelbar vor seinen Füßen liegen. Rote Schlieren zogen sich über die grauen Steinplatten.

Hätte Testaceus nicht gewusst, dass es sich um unschuldiges Blut handelte, er hätte den Kontrast als äußerst reizvoll empfunden.

Lestrang zeigte mit ausdruckslosem Blick auf den faustgroßen Muskel zu Testaceus Füßen.

„Das ist es, was in Eurer Sache zählt!“

Testaceus hob ungerührt die Augenbrauen.

„Schön! Würdet Ihr mir die tiefere Bedeutung erklären oder muss ich raten?“

Lestrang ging um den Altar herum auf ihn zu.

„Es ist eine Sache, eine Weissagung zu hören, und eine andere, sie selbst zu sehen. Die Bilder, die ich gesehen habe, sprengen meine sprachlichen Mittel. Wenn ich in Worte fasse, was ich gesehen habe, kann ein Teil der Wahrheit verloren gehen oder aber Ihr versteht die Botschaft meiner Worte nicht so, wie sie verstanden werden will. So oder so, der Inhalt ist verfälscht.“

Testaceus nahm eine angespannte Haltung ein.

„Ich verstehe.“

„Ich werde Euch sagen, was ich gesehen habe und was sich nun, da ich einen Blick in den Jungen geworfen habe, bestätigt hat. Und ich werde Euch verraten, was Euch erwartet und ob das von Euch Erhoffte auch geschehen wird. Aber die genaue Bedeutung dessen, was Ihr hören werdet, wird Euch verborgen bleiben. Dies …“, er zeigte auf den blutigen Klumpen, „… soll Euch verdeutlichen, was genau ich meine.“

Lestrang ging weiter auf ihn zu und seine kalten, schwarzen Augen bohrten sich in die des Senatsvorsitzenden. Als er zu sprechen begann, hatte sich seine Stimme zu einem hohlen, ausdruckslosen Murmeln verfremdet.

Wenn das Schwert durch die Pforte tritt, dann nur zum Schein. Es kommt wider Erwarten und trifft dort, wo das Herz blind ist.“

Seinen Blick auf Testaceus geheftet, holte er zischend Luft.

„Wenn aber das Herz noch schlägt, dann wird sich das Blatt wenden. Denn das Herz schlägt zweierlei: Der Schlag, der liebt, wird aus Liebe zum Leben zum Mörder. Und der, der herrscht, wird aus Liebe zur Macht zum Sieger. Beide zerschlagen das Schwert.“

Lestrang zeigte mit dem Finger auf das herausgerissene Herz zu Testaceus Füßen.

Von seiner Hand troff Blut.

„Ich habe das Herz auf den Boden geworfen“, fiel er in seine normale Tonlage zurück, „damit Ihr einen Eindruck davon bekommt, worauf ich hinauswill, wenn ich Euch die zweite Frage beantworte. Stellt sie jetzt!“

Testaceus schloss kurz die Augen, bevor er kaum hörbar seine Frage formulierte: „Werden diejenigen, denen ich mich anvertraue, mir auch weiterhin treu ergeben sein?“

Lestrang steckte seine blutverschmierten Hände in die Ärmel seiner Robe zurück.

„Das Herz ist auf dem Steinboden fehl am Platz. Es wurde von der lebensnotwendigen Blutzufuhr getrennt, sodass es nicht länger seinen Zweck erfüllen kann. Somit ist es unerheblich, ob es weiterschlägt oder abstirbt. Wie steht es mit Euren Untergebenen? Erfüllen sie noch ihren Zweck, wenn es um Eure Pläne geht, oder wurden sie bereits von ihren zugewiesenen Plätzen an Eurer Seite gerissen, um sich selbst zur Seite zu stehen? Handeln sie eigenmächtig? Dann nämlich sind sie für Eure Sache bedeutungslos.“

Testaceus atmete schwer.

„Sagt, was Ihr zu sagen habt!“, sagte er müde.

In Lestrangs Augen blitzte ein kaum merkliches Funkeln auf.

„Und beide sind ihrem Blut treu, aber einer von ihnen bricht mit dem maßgebenden Verstand. So verliert der Schlag seinen Takt.“

Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 1 und 2

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