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Aonadag, 1. Trideade im Bärenmond/348 nGF

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Was wir wussten

Wenn ich heute an die Tage zurückdenke, an denen die Unbedarftheit wie hauchdünne Fäden eines feingesponnenen Netzes meinen Verstand verklebte, muss ich lächeln. Wie naiv wir doch alle waren – wie unwissend und bar einer Vorstellung davon, was um uns herum geschah. Sicher, wir alle verfolgten in jenen Tagen unsere eigenen Ziele, hatten unsere eigenen Richtlinien und Überzeugungen. Und keiner wusste wirklich um die Motivationen des anderen. Doch wir waren Teil der Umwälzung, die im Valianischen Imperium vor sich ging, und bildeten, zumindest offiziell und vorübergehend, einen kleinen Bruchteil dessen, was man als die internen Fraktionen einer ganz bestimmten politischen Machtinstanz bezeichnen könnte. Wir gehörten zu den Valiani – jedenfalls allem Anschein nach. Wir nahmen Teil oder Anteil an der Situation in Valianor.

Und wenn man Teil einer wie auch immer gearteten Gesellschaft und eines ganz bestimmten Systems ist, ist die Perspektive fraglich, aus der heraus man die Dinge betrachtet. Denn man nimmt nur das wahr, was sich unmittelbar vor einem abspielt. So heften wir zwangsläufig den Blick auf den Rücken jener Person, die uns die Sicht verstellt, was nur unerheblich zu einer Klärung der Situation beiträgt.

Ja, mit der Wahrnehmung ist es so eine Sache. Wir können nur dann die Zusammenhänge erkennen, wenn wir unbeteiligt sind, mit anderen Worten unbetroffen von allem, was um uns herum geschieht.

Testaceus war zum Cäsarus geworden. Eine gewaltige Veränderung für die valianische Bevölkerung, aber für die Welt Amalea? Irrelevant . Es gab nur einen, der nicht Teil des Imperiums war und zum gegebenen Zeitpunkt dennoch mit Interesse verfolgte, was in Valianor vor sich ging. Nur einen, der die Veränderungen vor Ort nutzte, um einen Weg zu finden, die Welt selbst zu verändern.

Aber lassen wir das.

Ob und inwiefern die Umstände dazu beitrugen, dass alles kam, wie es am Ende eben kam, kann ich auch heute noch nicht mit Gewissheit sagen. Alles, was ich weiß, ist, dass ich auf dem Weg war. Ich wusste nur nicht, wohin er mich führen würde und hätte ich es gewusst, ich wäre vermutlich überstürzt aufgebrochen. Und das bringt mich wieder zum eigentlichen Punkt: Alles geschah so, wie es geschehen musste, um darin resultieren zu können, was danach geschah. Nur war es nicht, wie die meisten annehmen würden, Schicksal, sondern Strategie – ein ausgeklügeltes, voraussehendes und gewissenhaftes Drehen hier, ein winziges Biegen dort – und danach das geduldige Warten auf die Resultate.

Doch diese Erkenntnis ließ unser aller Perspektive nicht zu. Wir sahen nur eines: Antonius Virgil Testaceus hatte sich zum alleinigen Herrscher über das Valianische Imperium aufgeschwungen.

Dem einen von uns mochte diese Tatsache gefallen, dem anderen einen kalten Schauer über den Rücken jagen, wieder ein anderer konnte es nur schulterzuckend zur Kenntnis nehmen, aber wir alle standen kurz davor aufzubrechen und wir alle mussten uns entscheiden, welche Richtung, welcher Weg für uns am geeignetsten war.

Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 1 und 2

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