Читать книгу Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 1 und 2 - J.H. Praßl - Страница 15

Der Senat

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Antonius Virgil Testaceus stand nachdenklich, die Arme auf dem Rücken verschränkt, vor dem schweren Tisch des Besprechungsraums seiner Villa. Sein weißes Gewand reichte bis zu seinen Knöcheln und verschmolz fast nahtlos mit dem blank geschrubbten weißen Marmorboden. Die lodernden Flammen der Feuerschalen und Kerzen, die sich im Raum verteilten, warfen spielerische Schatten an die hohe Decke und verliehen der ansonsten kalten, fast steril wirkenden Umgebung einen Hauch von Menschlichkeit.

Entlang der Wände reihten sich niedrige Sockel in präzisen Abständen, auf denen Statuetten valianischer Berühmtheiten standen. Zuletzt die Büste von Macorius Paxilus Pentorius, der vor sechs Monden sein Amt als Senatsvorsitzender zugunsten Testaceus’ niedergelegt hatte oder, genauer gesagt, niederlegen musste, um kurz darauf zu versterben. Politik war eben ein schmutziges Geschäft.

Testaceus’ Blick glitt mit müdem Interesse über die schon tausendmal betrachteten Statuetten, bevor sich seine Aufmerksamkeit auf die schweren hölzernen Türflügel richtete. Es war eine Seltenheit, dass er unter seinem Rang Stehende ohne eine Vorankündigung von mindestens einer halben Trideade empfing. Aber in diesem Fall handelte es sich um äußerst dringliche Umstände und zwei Gäste, die es anzuhören lohnte, selbst wenn das bedeutete, mitten in der Nacht aufzustehen. Außerdem musste er zugeben, dass er sich auf das Eintreffen dieser beiden freute, wenn auch mit einem bitteren Beigeschmack. Denn die Nachricht, die sie vorausgeschickt hatten, war zumindest offiziell keine gute gewesen. Inoffiziell sah die Sache ein klein wenig anders aus. Lestrangs Worte kamen Testaceus in den Sinn: Die Solidarität eines seiner beiden Vertrauten würde zu bröckeln beginnen. Einer könnte ihm zum Verhängnis werden und seine Pläne vereiteln, wenn im Augenblick auch alles bestens zu laufen schien. Wer war es? Und wann könnte das Vorhergesehene eintreten?

Schritte dröhnten den Gang entlang und näherten sich zielstrebig dem Eingang zum Besprechungsraum. Seufzend hielt Testaceus auf das Kopfende der mit Obstschalen gedeckten Tafel zu. Seine Sklavin Cassandra, eine schöne Dunkelhaarige aus Chryseia, die seine Gunst genoss, hatte einen Krug Wein und eine Platte mit kalten, hauchdünn geschnittenen Scheiben Fleisch und Brot aufgetragen.

Testaceus legte seine Hand auf die Stuhllehne und wartete gespannt auf die Ankunft seiner Gäste.

Die Flügel wurden aufgestoßen. Zwei Männer traten ein, machten einen knappen Schritt zur Seite und verkündeten laut: „Thorn Gandir und die edle Rosmerta!“

Dann verbeugten sie sich und verschwanden.

Thorn, der Rosmerta den Vortritt gab, blieb nach dem Eintreten stehen und ließ seinen Blick durch den Raum wandern, während sein Ausdruck zunehmend kühl wurde.

Testaceus ließ sich davon nicht beirren und breitete mit einem warmherzigen Lächeln die Arme aus.

„Ave Valian“, begrüßte er seine Gäste herzlich, wobei seine Augen von Thorn zu Rosmerta wechselten. „Es ist eine Freude, Euch bei guter Gesundheit zu sehen.“

Rosmerta marschierte ohne Zögern auf ihn zu und setzte ein breites, scheinbar ebenso warmherziges Lächeln auf.

Thorn folgte ihr kommentarlos.

„Seid mir willkommen!“, setzte Testaceus sein Begrüßungsritual fort und deutete auf die Stühle an der Tafel.

„Nehmt Platz und speist mit mir!“

Während sich Thorn hinter Rosmerta zur Tafel bewegte, wuchs sein Unbehagen merklich. Der bizarre Kontrast zwischen der vornehmen Umgebung und seinen von Zerstörung und Tod geprägten Kriegseindrücken raubte ihm den Appetit und ließ einen beißenden Zorn in ihm aufsteigen, den er nur schwer in den Griff bekam.

Rosmerta ließ sich ohne Umschweife neben Testaceus nieder, der sich ebenfalls setzte, die Hände auf dem Tisch faltete und Thorn aus ruhigen Augen anblickte.

„Ich weiß, du hast Schreckliches erlitten, Thorn“, bemerkte er und sein Lächeln machte einem ehrlich mitfühlenden Ausdruck Platz. „Ich trauere mit dir um Kitayscha. Aber bitte, setz dich zu uns und versuch, deinen Kummer für heute zu vergessen.“

Thorn brachte ein stockendes Nicken zustande und unterdrückte den Wunsch, sich der Einladung zu widersetzen. Seine Abneigung gegen die zeremonielle Art der Begrüßung, gegen den Luxus und Rosmertas selbstzufriedenes Lächeln auf den schmeichelnden Empfang hin, wollte sich Luft verschaffen. Nichtsdestotrotz setzte er sich schweigend auf den Sessel zur Linken des Senators.

Testaceus schenkte den beiden und sich selbst Wein ein und lehnte sich, seinen Becher schwenkend, zurück.

„Was mein ist, ist auch euer. Bedient euch!“

Rosmerta ließ sich das nicht zweimal sagen, griff ordentlich zu und füllte ihren Teller bis zum Rand mit Fleisch und Obst. Zufrieden an einem Stück Brot kauend sah sie zu Thorn, der die Platten unberührt ließ und sich stattdessen seinen Becher mit Wein griff. Während er ihn in einem Zug leerte, beobachtete Testaceus ihn aufmerksam.

„Wenn ihr soweit seid, bin ich sehr begierig, die Einzelheiten der Schlacht im Emlin-Tal zu erfahren“, kam er schließlich unvermittelt zum Punkt. „Berichtet mir von Cartius, seinem Angriff auf die Garnison der 14. Legion und eurer geglückten Flucht.“

Statt Testaceus’ Bitte nachzukommen, füllte Thorn seinen Becher erneut und stierte auf die Speiseplatten. Rosmerta wiederum plapperte munter drauflos und hatte sichtlich Freude an ihrer ausschweifenden Geschichte über Cartius, sein Sklavenheer, den Fall der Garnison und die Flucht über den Emlin.

Thorn bekam von alldem nichts mit. Während er sich den Wein die Kehle hinunterlaufen ließ, wanderten seine Gedanken zurück zu seiner ersten Begegnung mit Testaceus. Damals war er gerade erst nach Valianor gekommen und auf der Suche nach einem rentablen Auftrag gewesen. Ein Kontaktmann Testaceus’ verschaffte ihm einen solchen. Zu jener Zeit galt Testaceus’ Interesse einem Zepter, dessen eigentliche Bedeutung Thorn bisher verborgen geblieben war – Valians Zepter oder auch Zepter der Macht genannt. Es zu finden und nach Valianor zu bringen, war im Bereich des Möglichen gewesen – Grund für ihn, den Auftrag anzunehmen. Dies war nun drei Jahre her und Thorn hatte damals keinerlei Bedürfnis gehabt, die Pläne des damaligen Senators zu hinterfragen. Heute wusste er, dass das Valianische Imperium vor den Zeiten der Chaosherrschaft eines der einflussreichsten und mächtigsten Länder Amaleas gewesen war, um vieles größer als jetzt. Testaceus war als Stimme des Senats bestrebt, genau diese Größe erneut zu erreichen. Thorn war im Laufe der Zeit zu einem seiner Vertrauten geworden, einem jener Spezialisten, die der Senatsvorsitzende bei Bedarf heranzog, um heikle, meist geheime Aufträge auszuführen. Der Aufstand der Sklaven, der gerade erst seinen Anfang genommen hatte, war dem Senat ein gewaltiger Dorn im Auge. Der ehemalige Zenturio Brunius Doridorus Cartius sorgte mit seiner Sklaven-Armee für besorgniserregende Unruhen im Imperium. Warum Testaceus ausgerechnet ihn zur Garnison geschickt hatte, war Thorn immer noch ein Rätsel. Und nun, da die 14. Legion unter seinem Kommando den Sklaven im Emlin-Tal keinen Einhalt gebieten konnte, drohte sich die Gefahr seuchenartig auszubreiten. Doch dies alles ließ Thorn kalt. Kit war tot und seine Freunde, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, ebenso. Das Einzige, das ihn jetzt noch bei der Stange hielt …

Er atmete tief ein und drehte nachdenklich den Becher in seiner Hand. Nun, es war ratsam, dass er über seine nicht gerade hehren oder dem Gemeinwohl dienenden Pläne Schweigen bewahrte, zumindest Testaceus gegenüber.

„Es war nur eine Frage der Zeit. Sie war schon so gut wie tot, als wir sie vom Schlachtfeld schleppten“, riss ihn Rosmertas Stimme aus seinen Gedanken. „Aber Thorn …“

Sie brach ab und warf Thorn einen vorsichtigen Seitenblick zu.

Er sah an ihr vorbei zu Testaceus und lächelte ein mattes Lächeln. Testaceus nickte verstehend.

Während sich der Senatsvorsitzende den Rest der Geschichte anhörte, widmete sich Thorn mit ganzer Hingabe dem Wein. Der Alkohol breitete sich wohlig warm in seinem Magen aus und betäubte auf angenehme Weise seinen ruhelosen Geist. Selbst wenn Testaceus ihn jetzt entlassen würde, was ihm eigentlich willkommen wäre, hätte er sich beim besten Willen nicht aus seinem Stuhl erheben können. Der Wein und die vielen schlaflosen Nächte, die er damit zugebracht hatte, sinnlose Gedanken zu wälzen, hatten ihm alle Kraft genommen.

Ein sanfter Schleier legte sich über seine Sinne und ließ das Bild von Testaceus und Rosmerta vor seinen Augen verschwimmen. Seine Gedanken begannen erneut zu trudeln und pendelten sich schließlich auf eine Frage ein, die er sich bislang nie gestellt hatte: Wo war das Zepter, das er unter Einsatz seines Lebens nach Valianor geschafft hatte, jetzt? Warum wollte es Testaceus unbedingt in seinen Besitz bringen? Was hatte er damit geplant?

Thorn war mittlerweile so weit in seinen Stuhl gesunken, dass sein Kinn auf der Brust ruhte und seine Haare wie ein Vorhang aus wirren Strähnen vor sein Gesicht gefallen waren.

Rosmerta, die mit ihrer Geschichte zu einem Ende gekommen war und ihn aus dem Augenwinkel musterte, schüttelte den Kopf.

„Eine feine Geste!“, zischelte sie Testaceus zu und zog ein missbilligendes Gesicht.

Testaceus lächelte sanftmütig.

„Lass ihn. Um Thorn kümmere ich mich später.“

Ein leises Schnarchen ertönte. Thorn war weggedöst und das Lächeln des Senatsvorsitzenden verschwand.

„Darauf würde ich nicht wetten“, sagte Rosmerta leichthin.

„Wir werden sehen. Nun gut, da du gewillt bist, in die valianischen Legionen einzutreten, werde ich dich, sofern Thorn mein Angebot ablehnen sollte, zur Befehlshaberin über die Streitmacht gegen Cartius machen. Ich hoffe, du verzeihst mir, wenn du nur die zweite Wahl bist. Es liegt nicht daran, dass ich es dir nicht zutraue, ein Heer zu führen, aber es ist nun mal Sitte, dass Männer für solche Posten bevorzugt werden, und Thorn genießt mein vollstes Vertrauen.“

In Testaceus Augen war ein kaum merkliches Funkeln getreten und Rosmerta glaubte, aus seinem Tonfall einen gewissen Sarkasmus herausgehört zu haben. Sein Bekenntnis machte sie wütend und unsicher zugleich.

„Natürlich. Neid gehört zu den wenigen Lastern, die ich nicht mein Eigen nenne“, log sie gekonnt und rang sich ein nüchternes Lächeln ab.

Testaceus streifte sie mit einem schwer zu deutenden Blick.

„Aber meine Liebe, von Lastern kann hier wohl kaum die Rede sein. Ich gebe dir Bescheid, sobald ich die Sache geklärt habe. Bis dahin genieße deinen Aufenthalt in meinem Heim. Ich habe ein Zimmer in der Gästevilla für dich bereit machen lassen. Fühl dich wie zu Hause.“

Rosmerta stand auf und bedankte sich in aller Form. Danach rauschte sie aus dem Besprechungsraum und schloss die Tür hinter sich.

Testaceus’ Blick wanderte zu dem schlafenden Waldläufer. Die Fingerkuppen aneinandergelegt, saß er da und rührte sich eine ganze Weile nicht, während er sich über Thorn klar zu werden versuchte. Es war ihm bewusst, dass es schwierig werden würde, ihn zu halten. Aber Thorn war unverzichtbar für ihn geworden.

Doch wenn das Herz noch schlägt, wird sich das Blatt wenden. Denn das Herz schlägt zweierlei …

Testaceus war sich ziemlich sicher, welcher der beiden Schläge aus Lestrangs Prophezeiung Thorn widerspiegelte. Doch dies war unerheblich. Wichtig war, dass beide das Schwert zerschlagen würden, wenn er den Zeitpunkt für richtig hielt. Und darum brauchte er beide – Rosmerta und Thorn. Davon abgesehen hatte sich Thorn bestens für Spezialaufträge bewährt. Auch in dieser Angelegenheit wollte Testaceus nicht auf ihn verzichten.

Mittlerweile kannte er Thorn recht gut und wusste um seine Abneigung gegen die valianische Politik. Doch er wusste auch, dass Thorn im Augenblick verunsichert war, und dies machte ihn manipulierbar.

Testaceus beugte sich vor und rüttelte seinen Gast sanft an der Schulter. Augenblicklich war Thorn wach. Er setzte sich auf und sah den Senatsvorsitzenden vage an. Dann klärte sich sein Blick und er griff nach dem Krug, um sich noch mehr Wein einzuschenken.

„Ihr habt eure Sache geklärt, nehme ich an“, begann er nüchtern. „Rosmerta wird Oberbefehlshaberin und ich bin von meiner Pflicht als Kommandant entbunden.“

Testaceus seufzte.

„Hast du beabsichtigt, dich von mir zu lösen?“

„Ich habe keine Lust mehr, meinen Kopf für etwas hinzuhalten, das mir nichts bedeutet. Ich habe weder einen besonderen Sinn für Politik, noch weiß ich über die Machenschaften des Senats genügend Bescheid, um mir eine eigene Meinung bilden zu können.“

Thorn warf Testaceus einen prüfenden Blick zu.

„Du tust ja auch alles, um mein Wissen möglichst klein zu halten. Aber das nur nebenbei. Wenn ich mich vom Kriegsspiel fernhalten kann, tue ich das. Ich bin ein Waldläufer, bestenfalls ein guter Bogenschütze und Schwertkämpfer, aber ich bin kein Kriegsstratege. Außerdem“, er gähnte ungeniert, „treibt mich die Stumpfsinnigkeit der stets gehorsamen Soldaten in den Wahnsinn. Du weißt, wie ich über das Militär denke. Es macht mir einfach keinen Spaß, Truppen zu kommandieren. Glaub mir, ich wäre dir keine Hilfe.“

Abwesend griff er nach seinem Becher und trank einen Schluck. „Lass es mich so formulieren“, fuhr er den Becher schwenkend fort, „ich würde das Valianische Imperium gern so schnell wie möglich verlassen, um … Nun ja, vielleicht kehre ich nach Alba zurück. Aber ich schätze dich zu sehr, Antonius, als dass ich einfach so verschwinden könnte.“

„Das ehrt mich, mein Freund“, antwortete Testaceus und blickte Thorn erwartungsvoll an, doch es kam nichts als ein wohlmeinendes Lächeln zurück.

„Also gut“, sagte Testaceus. „Dann lass mich dir eine Sache erklären, bevor du deine endgültige Entscheidung triffst.“

Thorn studierte Testaceus aufmerksam, während dieser aufstand und langsam durch den Raum zu schreiten begann. Wie würde er ihn wohl zu überzeugen versuchen?

„Ich brauche deine Hilfe aus mehreren Gründen“, folgte die Antwort auf dem Fuß. „Zwar konnte ich bereits feststellen, dass du dich tatsächlich kaum für die Führung eines Heeres eignest, aber darum geht es mir im Grunde nicht. Du bist einer der wenigen Menschen, die sich nicht um ihr eigenes Wohl sorgen. Du bist jemand, der Stabilität und Sicherheit in eine Sache bringt, und zwar deshalb, weil du das Wohl der Allgemeinheit über dein eigenes stellst. Mag sein, dass Rosmerta die begabtere Befehlshaberin ist. Doch die Menschen folgen dir aus anderen Gründen. Sie folgen dir, weil du sie von der Richtigkeit deiner Absichten überzeugen kannst und ihnen das Gefühl gibst, etwas wert zu sein. Wie dem auch sei, ich würde nur ungern Rosmerta allein losschicken.“

Das war zu erwarten gewesen und konnte Thorn nur recht sein.

„Du sprachst von mehreren Gründen“, sagte er. „Welche gibt es denn noch? Denn wenn das alles ist, bin ich noch immer der Meinung, dass du auf mich verzichten kannst.“

„Tatsächlich gibt es noch eine andere Sache, die mir Sorgen macht.“

Testaceus trat an das mit schweren Stoffen verhangene Fenster und öffnete den Vorhang einen Spaltbreit.

„Das Imperium ist geschwächt“, fuhr er mit bleierner Stimme fort. „Nicht nur der Sklavenaufstand bedroht uns, auch lauern unzählige Gefahren von außen. Der Senat kann das Land gegen diese nicht nachhaltig verteidigen, wenn es im Inneren langsam zerfällt. Cartius muss schnellstens vernichtet werden. Dafür muss der Senat Männer opfern, Männer, die wir aber dringend zum Schutz der Grenzen brauchen. Der Senat kann niemanden mehr von dort abziehen. Darum ist er auf jeden Freiwilligen angewiesen. Im Süden sind dunkle Mächte am Werk, Thorn!“ Seine Stimme wurde eindringlich. „Die Bedrohung von dort wird von Tag zu Tag stärker. Der Senat muss das Imperium unbedingt vor ihnen schützen, was er aber nicht kann, wenn er sämtliche Truppen dafür einsetzen muss, Cartius’ Aufstand niederzuschlagen.“

Testaceus wandte sich um und sah Thorn direkt ins Gesicht.

„Ich brauche deine Hilfe, Thorn, wenn ich diese Sache ein für alle Mal aus der Welt schaffen will!“

Thorn stellte seinen Becher ab und stützte sein Kinn auf die Hände.

„Dunkle Mächte? Im Süden?“, fragte er neugierig.

„Ja.“

„In Aschran? Was gibt es denn dort schon außer Sand?“, grinste er. „Was könnte denn bedrohlich genug sein, um dem großen Antonius Angst zu machen?“

Die Augen des Senatsvorsitzenden blitzten zornig auf.

„Verzeih mir, es steht mir nicht zu, deine Sorgen zu belächeln“, zügelte sich Thorn augenblicklich.

Testaceus nickte frostig.

„Worum es dabei genau geht, hat dich zu diesem Zeitpunkt nicht zu interessieren und sollte dir auch keine schlaflosen Nächte bereiten.“

Thorn seufzte.

„Ganz recht, es hat mich nicht zu interessieren und es ist dein Glück, dass es das auch nicht tut. Andernfalls würde ich nämlich keinen deiner Aufträge mehr annehmen. Aber lass dir gesagt sein, dass deine unselige Neigung, alle entscheidenden Fakten vor mir zu verheimlichen, nicht eben vertrauensbildend ist. Ich weiß ehrlich nicht, wofür ich hier eigentlich ständig mein Leben riskiere. Da du mich aber hoffentlich in Zukunft mit einem Kommandoposten innerhalb der valianischen Truppen verschonen wirst, bin ich geneigt, dir entgegenzukommen.“

Thorn wollte auf keinen Fall Rosmertas Position. Er wollte aber ebenso wenig, dass Testaceus ihn aus der Sache mit Cartius ausschloss.

Ein unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus und schließlich entschied Thorn, dass es an der Zeit war, schlafen zu gehen. Schwerfällig erhob er sich aus seinem Stuhl.

„Lassen wir es für heute gut sein“, meinte er leise. „Wir besprechen alles Weitere morgen, wenn es dir recht ist.“

Testaceus ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Ich möchte, dass du Rosmerta zur Seite stehst, wenn sie sich Cartius stellt, Thorn. Denk noch mal darüber nach und teile mir morgen, bevor ihr dem Senat Bericht erstattet, deine Entscheidung mit.“

„Wann soll das denn sein?“, fragte Thorn überrascht.

Testaceus seufzte lächelnd.

„Zur Mittagszeit. Vorher werdet ihr noch mit mir frühstücken. Und anschließend besprechen wir uns, bevor die Anhörung vor dem Senat stattfindet.“

Er gab Thorn die Hand und wünschte ihm eine gute Nacht. Als die Tür ins Schloss fiel, wandte er sich erneut der Büste des ehemaligen Senatsvorsitzenden zu. Pentorius sah im flackernden Licht der Kerzen aus, als würden seine Mundwinkel in einem hinterhältigen Lächeln zucken.

Oh ja! Die Politik war zweifelsohne ein hässliches Geschäft.

Der Schatten wuchs zu einer unförmigen Silhouette heran. Hartnäckig kroch er hinter Thorn her, der verzweifelt versuchte, ihm zu entgehen. Doch seine Beine waren zu schwer, die abgeschossenen Pfeile zu langsam und er selbst zu müde und steif, um ihn abzuhängen. Egal, wo er hinlief, wie sehr er sich auch abmühte: Der Schatten blieb dicht hinter ihm und machte alle seine Versuche, ihn abzuschütteln, zunichte.

Thorn spürte, wie ihm der Schweiß den Körper hinablief und wie sich seine Kraft mehr und mehr erschöpfte. Mühsam schleppte er sich über den von Felsen zerklüfteten Wüstenboden. Seine Stiefel waren zerrissen, seine Muskeln brannten und sein Kopf fühlte sich taub und leer an. Doch der Schatten blieb ihm auf den Fersen.

Dann ein Flüstern. Erst leise und sanft, dann immer eindringlicher und lauter und schließlich drohend und wild. Zischende Laute in einer fremden Sprache, eine Botschaft verkündend, die er nicht verstehen konnte. Thorn sank gegen einen Felsen und drehte sich um. Da begann auch der Schatten zu schrumpfen und innezuhalten. Doch die Stimmen flüsterten weiter, drangen aus der formlosen schwarzen Masse zu ihm und fraßen sich in seinen Verstand.

Als Thorn aufstand, streckte sich auch der Schatten und als er weiterlief, tat dies der Schatten ebenso. Und plötzlich war es ihm, als wäre er mit seinem Verfolger untrennbar verbunden.

„Es ist nicht meine Schuld!“, schrie er und fuhr hoch. Erst als er seine Augen aufgerissen und eine Weile in die Dunkelheit gestarrt hatte, wurde ihm klar, dass es nur ein Traum gewesen war. Auf seinem Körper lag ein dünner Schweißfilm und sein Herz schlug wild gegen seinen Brustkorb. Schwer atmend wischte sich Thorn über die Stirn und zwang sich aufzustehen.

Draußen war es noch dunkel, aber weil er aus Erfahrung wusste, dass er nicht mehr einschlafen würde, stand er auf und wusch sich Gesicht und Körper in der Schale mit Wasser, die man ihm aufs Zimmer gebracht hatte.

Seine Gedanken kreisten um den Schatten, jenes Traumgespinst, das sich, obwohl fiktiv, dennoch bedrohlich real angefühlt hatte. Vor seinem inneren Auge nahm Kitayschas Gesicht Gestalt an. Da war dieses lebendige Leuchten in ihrem Blick, das er so geliebt hatte. Aber da war auch noch etwas anderes. Da war … ein Vorwurf.

„Nein, Kit!“, flüsterte Thorn verzweifelt. „Es war nicht meine Schuld! Wie hätte ich wissen können …“

Ruckartig richtete er sich auf und fuhr sich durch sein schweißnasses Haar. „Cartius!“, zischte er leise. „Verflucht seien du und dein Krieg!“

Die gewaltigen Säulen am Eingang und jene, die im Halbkreis um die stufenförmigen Reihen der Senatorenbänke aufragten, trugen zu Recht den Namen Die Finger des Gesetzes. Sie machten die ohnehin schon Ehrfurcht einflößende Kuppelhalle zu einer Stätte unverhohlener Macht. Jeder, der den Sitz des Senats zum ersten Mal betrat, konnte nicht anders, als sein Haupt zu neigen und sich angesichts der glatten und erhabenen Architektur klein und unbedeutend vorzukommen. So war es Thorn damals ergangen und so empfand er es auch jetzt, als man die schweren Flügel für ihn und Rosmerta öffnete. Thorn hätte sich am liebsten um die Senatssitzung gedrückt, doch nachdem er Testaceus am Morgen mitgeteilt hatte, dass er bereit war, weiterhin für ihn zu arbeiten, musste er nun wohl oder übel auch dem Senat Rede und Antwort stehen. Als er seinen Blick zu den Senatorenbänken lenkte, ließ ihm eine vage Ahnung davon, was genau ihn hier erwarten würde, flau im Magen werden.

Die Senatoren hatten sich bereits eingefunden.

Thorn überflog flüchtig die Reihen.

Annähernd zweihundert vorwiegend ältere Männer richteten ihre Augen auf die Ankömmlinge. Den einen oder anderen erkannte Thorn wieder. Die meisten von ihnen aber waren ihm fremd.

Testaceus lächelte ihnen auf einem in rotem Marmor gehauenen Stuhl entgegen – der einzige farbliche Akzent in dem ansonsten endlosen Weiß der mächtigen Halle.

Thorn empfand den Anblick des ins Zentrum gerückten Senatsvorsitzenden in seinem pompösen, in Stein gehauenen Sitz als absurd – eine Machtdemonstration, die deutlich machte, dass es Testaceus war, der das Zünglein an der Waage bildete. Zumindest war seine Stimme entscheidend, sofern Unstimmigkeit zwischen den Senatoren herrschte.

„Tretet näher“, begrüßte sie Testaceus feierlich. Seine Stimme hallte majestätisch zwischen den kahlen Wänden wider und verstärkte Thorns Eindruck, dass es sich hier nicht zuletzt um eine Machtdemonstration handelte.

Langsam durchschritt Thorn den Saal. Vor den Senatoren blieb er stehen und registrierte aus dem Augenwinkel Rosmerta, die neben ihm Halt machte. Ihr Gesicht wirkte bleich und angespannt. Vermutlich hatte sie wie er damit zu kämpfen, das nervöse Kribbeln im Bauch zu ignorieren. Die Tatsache, dass er und Rosmerta ihre Männer einfach am Schlachtfeld zurückgelassen und sich abgesetzt hatten, konnte dem Senat nur missfallen und wer wusste schon, wie dieser über ein derartiges Handeln zu richten pflegte?

Testaceus erhob sich von seinem marmornen Stuhl und wandte sich den Senatoren zu.

„Dies sind Thorn Gandir und Rosmerta, beide Helden unseres Imperiums, wie Ihr wisst“, begann er förmlich. „Sie haben gestern Valianor erreicht und sind nun bereit, uns über die Vorfälle im Emlin-Tal Bericht zu erstatten. Ich bitte Euch, sie erst anzuhören, bevor Ihr über mein Ansuchen entscheidet. Auch möchte ich Euch daran erinnern, dass ihre bisherigen Dienste von größter Wichtigkeit für Valianor und unser ganzes Land waren.“

Durch ein knappes Nicken forderte er Thorn und Rosmerta dazu auf, mit dem Bericht zu beginnen.

Rosmerta warf Thorn einen schnellen Seitenblick zu und versteckte trotzig ihre Hände in ihrer Palla.

Thorn, der ihre Andeutung verstand, trat einen Schritt vor, ließ seinen Blick über die Senatoren schweifen und begann dann, vor den Bänken auf und ab zu schreiten.

„Wir erreichten das Emlin-Tal in der Nacht des Criochdags der zweiten Trideade im Draugmond. Ich befahl, Späher auszuschicken, um das Gebiet, durch das wir wandern mussten, abzusichern.“

Die Gesichter der Senatoren ruhten ausnahmslos auf Thorn, während er versuchte, sich aller wesentlichen Details zu entsinnen.

„Der Spähtrupp kam bald zurück. Laut Meldung waren keine Sklaven gesichtet worden. Ich überzeugte mich dennoch selbst davon, dass es ungefährlich war, das Tal zu betreten. Als auch ich keine feindlichen Bewegungen ausmachen konnte, gab ich den Befehl zum Aufbruch. Wir marschierten noch in derselben Nacht los, um vor Tagesanbruch die Garnison zu erreichen.“

Thorn warf einen prüfenden Blick auf die Reihen der Senatoren. Als keiner eine Frage stellte, setzte er seinen Bericht bis zu den Verhandlungsbemühungen mit Cartius fort.

„Die Elfenkriegerin Kitayscha …“

Thorn brach ab und schluckte. Einen Augenblick rang er mit seiner Beherrschung. In den Senatorenbänken vernahm man leises Getuschel, doch dann sprach Thorn mit ruhiger Stimme weiter und das Gemurmel verstummte.

„Kitayscha und ich waren der Ansicht, dass es am einfachsten und effektivsten wäre, den Sklavenführer gleich während der Verhandlung auszuschalten. Er wäre ein leichtes Opfer gewesen, zumal er mit einer solchen Attacke nicht gerechnet hätte. Doch damit stießen wir bei sämtlichen Mitstreitern auf taube Ohren und so blieb Cartius am Leben und hatte Gelegenheit, mit seinen Rebellen in die Garnison einzufallen, die valianischen Legionäre aufzureiben und die Elfenkriegerin zu töten.“

Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus.

Thorns Stimme klang bitter, als er fortfuhr.

„Euer Ehrenkodex – oder sollte ich vom Militärkodex sprechen? – verbietet es, während laufender Verhandlungen zuzuschlagen. Fragt sich nur, nach welchen Kriterien solche Regelungen aufgestellt werden, zumal die Ehre, auf die Ihr so viel Wert zu legen scheint, in anderen Situationen nicht die geringste Rolle spielt und jede noch so hinterlistige Strategie erlaubt ist, sofern sie inoffiziell bleibt.“

Thorn ignorierte das gereizte Murmeln, das aus den Senatorenbänken drang.

„Wollt Ihr den Sklavenführer aus der Welt schaffen oder nicht?! Wenn ja, würde ich Euch raten, jeden Ehrenkodex in Zukunft aus der Sache rauszuhalten. Hält sich etwa Cartius an die Regeln?“

Einer der Senatoren räusperte sich auffallend laut, doch Thorn setzte ungerührt seinen Bericht fort und schilderte, wie die Sklaven in Scharen gegen das Tor der Garnison brandeten und ihre gewaltige Zahl den valianischen Legionären jede Kampfmoral raubte. Dabei ließ er wohlweislich unter den Tisch fallen, dass er es versäumt hatte, eine jeder Schlacht gebührende Rede an die Legionäre zu halten. Vielleicht hätte dies ihre Moral genug gehoben, um beim Anblick der durch das Tor preschenden Meute die Stellung zu halten.

Der eine oder andere Senator beugte sich, um bei den spannenderen Passagen nichts zu überhören, so weit vor, dass er seinem Vordermann die Knie ins Kreuz drückte. Die meisten Senatoren blieben aber ungerührt sitzen.

Ein hagerer Mann mittleren Alters, dunkelhaarig und mit finsterem Blick, der Thorn gleich zu Beginn wegen seines arroganten Gesichtsausdrucks aufgefallen war, stand auf und räusperte sich laut.

Thorn unterbrach seine Rede.

„Ja?“

„Verzeiht mir, aber es erscheint mir ein wenig eigenartig, dass die Sklaven das Tor, das Ihr, wie Ihr vorhin sagtet, gut gesichert hattet, so ohne Weiteres durchbrechen konnten.“

„Das erscheint Euch zu Recht eigenartig, Senator …“

„Marcus Detrivius Clarinius.“

„Ich wollte diesen Umstand gerade erklären, Senator Clarinius.“

Thorn wechselte einen raschen Blick mit Testaceus und stellte fest, dass dieser verwirrt und beunruhigt wirkte. Also entschied sich Thorn, die Sache sofort klarzustellen.

„Unter meinen Männern gab es einen Spion.“

Überrascht sah Testaceus auf. Dass es einen Spion gab, hatte man ihm bislang vorenthalten.

„Er übermittelte uns als offizieller Bote des Senats ein von Cartius gefälschtes Schreiben, mit der Nachricht über eine Verstärkung, die am Morgen des dritten Tages eintreffen sollte …“

„Von offiziellem Boten des Senats kann hier wohl kaum die Rede sein“, unterbrach ihn Clarinius von Neuem.

„Zu diesem Zeitpunkt gingen wir jedenfalls davon aus, dass uns der Mann, so, wie sein Beglaubigungsschreiben es auswies, vom Senat als Bote gesandt worden war“, beharrte Thorn kalt. „Ansonsten hätten wir ihn rasch als Spion identifiziert und gefangen genommen. Wie dem auch sei, jedenfalls …“

„Wie hieß der Bote?“, hakte Clarinius nach.

„Er stellte sich uns mit dem Namen Liam O’Neill vor. Dass dies sein wirklicher Name ist, bezweifle ich allerdings. Also wird Euch der Name nicht weiterhelfen, Senator.“

Clarinius zog eine Braue hoch und lehnte sich gelassen zurück.

„Fahrt fort“, forderte er Thorn auf.

Thorn wurde beim Gedanken an Liam kalt. Er wollte einfach nicht glauben, dass er ein Verräter war. Er hatte ihm vertraut. Liam war ihm auf Anhieb sympathisch gewesen. Er kritisierte ihn nicht, wie es Kit manchmal getan hatte, und er hatte eine Art an sich, die es einem schwer machte, ihn nicht zu mögen.

„O’Neill öffnete die Tore von innen. Ich habe ihn dabei gesehen, konnte das Übel aber nicht mehr aufhalten“, sagte Thorn. „Das Tor war allerdings nicht der einzige Zugang zur Garnison, wie sich herausstellte. Die Sklaven nutzten offensichtlich die Zeit der Belagerung, um Tunnel zu graben, durch die sie bei ihrem nächtlichen Angriff in die Feste eindrangen. Das heißt, wir hatten keine Chance, uns angemessen zu verteidigen.“

„Woraufhin ihr geflohen seid!“, beendete Clarinius mit unverkennbarem Sarkasmus in seiner Stimme die Geschichte. „Nun, lasst uns doch auch an den Einzelheiten der Flucht teilhaben. So wäre es äußerst interessant zu erfahren, wie ihr den Sklaven entkommen konntet.“

Thorn ignorierte den bissigen Unterton und schilderte ihre abenteuerliche Flucht in den Fässern, während in der Garnison noch die Schlacht tobte.

„Damit haben wir bewusst unser Leben über jenes der verbliebenen Soldaten gestellt. Es erschien uns einfach sinnlos, mit allen anderen zu sterben. Ich vermute, auch dies widerspricht Eurem Ehrenkodex.“

Thorn heftete seinen Blick auf Testaceus, aber das Gesicht des Senatsvorsitzenden blieb ausdruckslos.

„Wohl wahr“, setzte Clarinius nach. „Euer Verhalten war alles andere als heldenhaft, meint Ihr nicht? Ihr habt Eure Männer im Stich gelassen, nur um Eure eigene Haut zu retten!“

„Verzeiht, wenn ich mich unaufgefordert zu Wort melde“, mischte sich jetzt Rosmerta ein, „aber uns erschien es in dieser prekären Lage als ein notwendiger Schritt, uns am Leben zu erhalten, um den Senat über alle Einzelheiten berichten zu können. Wir haben Informationen, die für das weitere Vorgehen unverzichtbar sind.“

„Gut gerettet, Heldin“, antwortete Clarinius lächelnd.

Als er sich erneut Thorn zuwandte, war sein Lächeln bereits wieder verschwunden. „Wenn Ihr aus Eurer Situation heil herauskommt, habt Ihr das Eurer Gefährtin zu verdanken!“

„Dass ich meiner Gefährtin irgendetwas zu verdanken habe, wäre mir neu“, konterte Thorn und wechselte einen Blick mit Rosmerta, die ihn zornig anfunkelte. „Meiner Gefährtin liegt nicht sehr viel am Wohle anderer, darum verzeiht mir, wenn ich ihr nicht aus lauter Dankbarkeit um den Hals falle.“

Ein überfallartiges Raunen ertönte von den Senatorenbänken und Testaceus erhob sich, um für Ruhe zu sorgen.

„Hast du uns sonst noch etwas mitzuteilen, Thorn? Oder ist dein Bericht hiermit abgeschlossen?“

Thorn zögerte kurz. Es gab tatsächlich noch etwas, das ihn beunruhigte, und es drängte ihn, es auszusprechen.

„Eine Sache habe ich noch nicht erwähnt“, sagte er schließlich. „Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung ist, aber …“

„Ja?“

Der Senatsvorsitzende musterte Thorn mit unverhohlener Neugier.

„Besser du sagst es uns. Lass uns entscheiden, ob es von Bedeutung ist.“

„Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet, aber ich denke, wir wurden von jemandem verfolgt.“

Tatsächlich hatte Thorn mehrmals den Eindruck gehabt, dass ihnen irgendjemand nach Valianor folgte. Doch es war möglich, dass seine innere Unruhe Schuld an diesem Verdacht war.

„Hast du jemanden gesehen?“

„Nicht direkt. Ich hatte nur das Gefühl …“

„Ihr hattet das Gefühl!“, warf Clarinius mit lieblicher Stimme ein. „Rührend! Und vor allem sehr überzeugend!“

„Das reicht jetzt“, wies Testaceus den Senator zurecht; zu Thorn und Rosmerta gewandt fuhr er fort: „Die Senatoren werden sich nun beraten. Das heißt für euch beide, dass ihr fürs Erste entlassen seid und euch zurückziehen dürft. Thorn, ich respektiere deinen Entschluss, dich vom Kommandoposten zurückzuziehen, und gebe dir die Erlaubnis, dich bis auf Weiteres in deinem Haus aufzuhalten. Man wird dir Bescheid geben, wenn der Senat zu einem Ergebnis gekommen ist. Ihr könnt jetzt gehen.“

Thorn nickte den Senatoren und Testaceus kurz zu und schritt wortlos zum Ausgang. Nachdem zwei Wachen das Flügeltor geöffnet hatten, marschierte er über die Marmortreppe bis zum Vorplatz hinunter, wo er in das Licht der Sonne trat. Von draußen hörte er, wie sich Rosmerta mit einem theatralischen Ave Valian! verabschiedete und hinter ihm hereilte. Ohne auf sie zu warten, verschwand Thorn in der Menge der Passanten.

Endlich war er allein.

Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 1 und 2

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