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Großer Bogen um die einzige Lösung: Schonungslose Offenheit

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Es neigt immer die erste Generation nach dem Ende eines Schreckenssystems dazu, die Geister der Vergangenheit in ihren Gräbern zu lassen. Nur nicht an den vergangenen Verbrechen und Wunden rühren.

Nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der Täter hat es geschafft, sich schonungslos und ohne Rechtfertigung der eigenen Schuld zu stellen. Nur mit einer solchen Haltung hätten sie Respekt bei ihren Kindern ernten und ihnen damit eine Brücke zur eigenen Lebensfindung bauen können.

Warum scheint es so unüberwindbar schwierig, sich der eigenen Schuld zu stellen? Im Fall des Holocausts liegt die besondere Schwierigkeit nicht im Verzeihen allein, sondern darin, dass die Schuld so „unverzeihlich“ schlimm ist. Eine „unverzeihliche“ Schuld aber kann und darf der Täter sich und anderen nicht eingestehen. Somit ist er weitgehend unfähig, um Verzeihung zu bitten.

Die Tochter des Leiters eines SS-Erschießungskommandos in der Ukraine wartete vergeblich auf einen Ausdruck von Schuldgefühl oder Reue für die Taten ihres Vaters. Ein einziges Wort hätte sie von der Last ihres inneren Gefängnisses befreit:

Ich glaube, es wäre für mich leichter gewesen, wenn mein Vater mir gesagt hätte, was er gemacht hat, wie er darunter gelitten hat und was er daraus gelernt hat. Und das ist eigentlich der wichtigste Punkt: Mein Gefühl, dass er überhaupt nichts gelernt hat, nichts aus seinem persönlichen Schicksal, nichts aus der politischen Entwicklung, nichts aus der Geschichte – überhaupt nichts hat er gelernt. Die Geschichte meines Vaters belastet mich deswegen bis heute noch viel mehr, als ich es bisher geahnt hatte. Ich führe oft innere Dialoge mit meinem Vater, Dialoge, die es ja nie gegeben hat, als er noch gelebt hat. Ich denke, dass er seine Rolle als Familienvater nur aufrechterhalten konnte, indem er seinen Kindern gegenüber sagte, er sei unschuldig und das Urteil sei ein Fehlurteil. Wenn ich nun also mit ihm rede, denke ich manchmal, er würde vielleicht sagen, dass die Schuld, die er empfindet, zu groß ist, um sie uns gegenüber zu gestehen, im Gegensatz zu früher, als ich gedacht habe, dass er gar keine Schuld empfindet. Also in den ‚Gesprächen‘ mit ihm habe ich die Vorstellung: Wenn er die Schuld übernimmt, kann sie auch von mir weggenommen werden. Und ich bin ganz sicher, dass ich ihn damals unterstützt hätte, wenn er mir gegenüber seine Schuld eingestanden und auch sein Mitleid für die Opfer gezeigt hätte. In meinen Phantasiegesprächen bekennt er sich zu der Schuld, vielleicht auch, weil ich hoffe, er würde dann sehen, was er durch sein Verhalten angerichtet hat, dass er mich, meine Geschwister und meine Mutter unglaublich belastet hat.48

Indem der Vater seine Schuld nicht eingestand, wurde sie zur Schuld seiner Tochter.

Das Schweigen redet

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