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cc) Steuerlich erhebliche Tatsachen

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Nach Auffassung der strafrechtlichen Rspr. sind Tatsachen dann steuerlich erheblich, „wenn sie zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestands herangezogen werden müssen und damit Grund und Höhe des Steueranspruchs oder des Steuervorteils beeinflussen oder wenn sie die Finanzbehörden zur Einwirkung auf den Steueranspruch sonst veranlassen könnten“.[140] Konkreter formuliert sind erheblich insb. solche Tatsachen, die die Ermittlung (Berechnung/Festsetzung), Erhebung (§ 218 ff.) oder Beitreibung (Vollstreckung, §§ 249 ff.) einer Steuer betreffen.

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Inwieweit falsche Angaben betreffend unzureichende oder fehlerhafte Beweismittel erheblich sind, ist umstritten. Zumindest wenn die Beweismittel keinen Einfluss auf den Steueranspruch als solchen haben, sollen falsche Angaben dazu nicht erheblich sein.[141] So ist bspw. das Vorliegen ordnungsgemäßer Rechnungen keine Voraussetzung für die Geltendmachung von Werbungskosten oder Betriebsausgaben im Ertragsteuerrecht, eine Täuschung über das Vorliegen daher als Solches noch keine unrichtige Angabe über steuerlich erhebliche Tatsachen. Legt der Steuerpflichtige zur Verhinderung eines Benennungsverlangens nach § 160 Scheinrechnungen über tatsächlich angefallene Betriebsausgaben oder Werbungskosten vor, so macht er damit Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen (siehe dazu auch Rn. 87).[142] Dennoch begründet dies noch keine Tathandlung, da das Unterbleiben der Vorlegung nicht zwingend zu einem Bennenungsverlangen führt.[143] Wird über Beweismittel getäuscht, bei denen nicht sicher ist, dass ihr Fehlen zu einer steuerlich abweichenden Festsetzung geführt hätte, ist die Täuschung mangels objektiver Zurechenbarkeit nicht tatbestandlich.[144] Hingegen sollen, jedenfalls wenn die Beweismittel materielle Voraussetzung für die Anerkennung von steuerlichen Rechten sind, Angaben dazu erheblich sein.[145] In einem Urteil vom 29.4.2008[146] hat der BFH ausgeführt: „Fehlen Nachweise, deren Vorliegen sachlich-rechtliche Voraussetzung einer Steuernorm sind, und weiß der Steuerpflichtige, dass er diese Bescheinigungen benötigt, um die Voraussetzungen einer bestimmten begünstigenden Regelung erfüllen zu können, so begeht er eine Steuerhinterziehung, wenn er diese steuerliche Regelung beansprucht und dabei das Nichtvorliegen der erforderlichen Bescheinigungen verschweigt.“ Die Entscheidung betraf Kapitalertragsteuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Die steuerrechtlichen Anrechnungsvoraussetzungen lagen nach Ansicht des BFH nicht vor, wenn die Bescheinigungen über Körperschaftsteuer nach § 44 KStG in der damals geltenden Fassung im Zeitpunkt der Tatbegehung nicht vorlag. Abzugsteuerbeträge, die nicht bescheinigt wurden, seien weder geeignet, den tatbestandlichen Erfolg der Steuerhinterziehung entfallen zu lassen noch die Strafzumessung zugunsten des Einkommensteuerhinterziehers zu beeinflussen.[147] In gleicher Weise wurde der für Ausfuhrlieferungen vorgeschriebene Buch- und Belegnachweis vom BGH als „tatbestandliche Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung“ gewertet (siehe dazu auch Rn. 179).[148] Diese Rspr. musste der BGH wegen Unvereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben[149] aufgegeben. Er hat daher entschieden, dass die Einhaltung der für Ausfuhrlieferungen im Sinne von, § 6 UStG vorgesehenen Nachweispflichten (§§ 8 ff. UStDV) keine materiellrechtliche Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung ist und daraus gefolgert, dass eine sich lediglich auf die Nachweispflichten auswirkende Verschleierung für sich genommen umsatzsteuerrechtlich ohne Relevanz ist. Die gleiche Problematik stellt sich, wenn der Steuerpflichtige einen Vorsteueranspruch geltend macht, obwohl er nicht über eine Rechnung verfügt. Das Vorliegen einer Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG wird bislang in ständiger Rspr. ebenfalls als sachlich-rechtliche Voraussetzung für die Geltendmachung des Vorsteueranspruchs behandelt,[150] so dass auch insoweit die bloße Geltendmachung von Vorsteueransprüchen ohne Vorliegen von ordnungsgemäßen Rechnungen i.S.d. §§ 14, 14c UStG stets als tabestandsmäßig gem. § 370 AO erachtet wird. Selbst wenn der Rechnungsaussteller die USt abführt, kommt das dem Rechnungsadressaten steuerlich nicht zugute.[151] Strafrechtlich wird dieser Umstand lediglich über den steuerlichen Schaden im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt. Demgegenüber ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung nach der Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich nur formelle Voraussetzung.[152] Ausgehend von anderen Fällen, in denen der EuGH steuerliche Unterlagen als formelle und nicht materielle Voraussetzung für die Geltendmachung steuerlicher Ansprüche betrachtet, kann der Nachweis des Vorsteueranspruchs folglich grds. auch auf andere Weise erfolgen.[153] Entsprechend hat der EuGH in einer Entscheidung vom 21.11.2018 (Az. C 664/16) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit verstoße, da dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde.[154]. Demgegenüber lässt der BFH in Kenntnis der Rspr. des EuGH offen, „ob in extremen Ausnahmefällen, in denen der Vorsteuerabzug ansonsten unmöglich gemacht oder auf unverhältnismäßige Weise verwehrt würde, ernstlich zweifelhaft sein könnte, ob ein Vorsteuerabzug ohne eine auf den Leistungsempfänger lautende Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG, Art. 226 MwStSystRL möglich sein könnte“.[155] Da aber die Entstehung des Vorsteueranspruchs nach aktueller Rspr. des EuGH nicht vom Vorliegen einer Rechnung abhängt, wäre das bloße Verschweigen des Nichtvorliegens einer ordnungsgemäßen Rechnung nicht per se tatbestandlich.[156] Die Anforderungen an den anderweitigen Nachweis des Vorsteueranspruchs sind allerdings auch nach der Rspr. des EuGH sehr hoch.[157] So genügt etwa die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Umfang der bezogenen Vorleistungen nicht als Nachweis, da damit nicht bewiesen wird, dass die USt tatsächlich gezahlt worden ist.[158] Die steuerliche Beweislastregel gilt im Strafverfahren nicht, so dass das Strafgericht zu der Überzeugung gelangen muss, dass der Steuerpflichtige die behaupteten Umsätze nicht getätigt und damit Steuer hinterzogen hat.[159] Dabei wird das Nichtvorliegen von Rechnungen im Rahmen der Beweiswürdigung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.

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Erheblich sind auch falsche Angaben betreffend einen Folgebescheid, selbst wenn zum Grundlagenbescheid zutreffende Erklärungen abgegeben werden. So etwa, wenn in einer Gemeinschaftspraxis erwerbstätige Eheleute ihren Gewinn in der Gewinnfeststellungserklärung gem. §§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a, 181 Abs. 2 Nr. 1 zutreffend deklarieren, in der Einkommensteuererklärung aber zu niedrig angeben.[160] Der Umstand, dass der Grundlagenbescheid nach § 182 Abs. 1 S. 1 Bindungswirkung für den Folgebescheid entfaltet, spielt nach Ansicht der Rspr. des BFH keine Rolle.[161]

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Macht der Steuerpflichtige falsche Angaben in seiner Einkommensteuererklärung, die zu einer zu niedrigen Festsetzung führen, so begeht er eine Steuerhinterziehung auch bzgl. der in der Folge ebenfalls zu niedrig festgesetzten Vorauszahlungen.[162]

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