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(2) Garantenstellung gem. § 13 StGB

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Umstritten ist, ob sich eine strafbewehrte Pflicht zur Abwendung des Hinterziehungserfolges auch aus der allgemeinen strafrechtlichen Garantenstellung i.S.d. § 13 StGB ergeben kann. In Betracht käme dann bspw. eine Pflicht aus vorausgegangenem pflichtwidrigen Tun (Ingerenz), eine Hinterziehung durch Unterlassen zu verhindern. In diesem Sinne hat der 1. Senat des BGH[292] in einem Urteil aus dem Jahr 2013 soweit ersichtlich erstmals bejaht, dass allgemeine Garantenpflichten den (Mit-)Täter zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichten können.[293] Allerdings würden solche Pflichten „eine untergeordnete Rolle spielen“.[294] Teile der Literatur stimmen dem zu.[295] Als möglicher Anwendungsfall wird angeführt, dass eine selbst nicht steuerpflichtige Person den Steuerpflichtigen durch Täuschung an der Abgabe einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung hindert.[296]

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Der Annahme einer strafbewehrten Garantenpftlicht aus Ingerenz im Rahmen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 ist zu widersprechen.[297] § 13 StGB regelt die Strafbarkeit der Verwirklichung des Erfolges einer als Handlungsdelikt normierten Tat durch Unterlassen – das Unterlassen muss „der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen“. Die Regelung gilt somit nicht für echte Unterlassungsdelikte.[298] Der BGH vertritt in der zitierten Entscheidung die Auffassung, da § 370 Abs. 1 Nr. 2 nicht die Formulierung „wer als Steuerpflichtiger“ enthalte, richte er sich auch nicht allein an den Adressaten eines Steuergesetzes, also denjenigen, dem aus einem Steuergesetz Rechte und Pflichten erwachsen.[299] Da die Steuergesetze jedoch klare Vorschriften dazu enthalten, wem welche steuerlichen Erklärungspflichten obliegen, verbietet sich ein Rückgriff auf § 13 StGB. Nach den Steuergesetzen bestehen steuerliche Pflichten nie allgemein für „Jedermann“, sondern immer nur für bestimmte steuerpflichtige Personen. Steuerliche Erklärungspflichten ergeben sich nur, wenn und soweit dies gesetzlich bestimmt ist. So begründet insb. § 153 eine steuerliche Garantenpflicht aus Ingerenz. Die Vorschrift verpflichtet aber gerade nicht „jedermann“ im Sinne einer allgemeinen Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, sondern sieht steuerliche Berichtigungspflichten nur für die in der Vorschrift genannten, steuerlich besonders verpflichteten Personen vor.[300] Darüber hinausgehende allgemeine Pflichten i.S.d. § 13 StGB sind keine steuerlichen Erklärungspflichten.[301] Ließe man solch allgemeine Pflichten genügen, würde die Strafbarkeit durch Unterlassen weiter gehen, als die dem zugrunde liegenden steuerlichen Pflichten, d.h. es würde Verhalten als Steuerhinterziehung bestraft werden, das steuerlich nicht beachtlich wäre.[302] Dadurch würde – wenn nicht schon die tatbestandliche Begrenzung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 – zumindest die in den Steuergesetzen getroffene Begrenzung der Pflichten umgangen und wäre somit hinfällig.[303] Zudem sieht § 13 Abs. 2 StGB eine fakultative Strafmilderungsmöglichkeit vor, so dass die Norm als milderes Gesetz Anwendung finden müsste.[304] Insoweit ist aber anerkannt, dass § 13 Abs. 2 StGB nicht anwendbar ist.[305] Die Anwendung des § 13 StGB im Zusammenhang mit § 370 Abs. 1 Nr. 2 bzw. die Herleitung der Pflichtwidrigkeit aus allgemeinen Handlungspflichten außerhalb der Steuergesetze ist daher abzulehnen.

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Folglich kann auch die neuere Rspr. des BGH zur strafrechtlichen Verantwortung des Leiters der Innenrevision[306] bzw. des Compliance Officers eines Unternehmens in Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 nicht über § 13 StGB zu einer Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung führen.[307] Gleiches gilt für sonstige Angestellte eines Unternehmens, die nicht aufgrund steuerlicher Vorschriften selbst zur Abgabe steuerlicher Erklärungen verpflichtet sind.

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Einen Sonderfall bildet die Gestellungspflicht i.S. des Art. 40, 4 Nr. 19 ZK bei der Einfuhr von Waren in das Zollgebiet der EU. Insoweit wurde diskutiert, ob die Gestellungspflicht auch die Hintermänner eines Schmuggels trifft, die am Transportvorgang nicht beteiligt sind.[308] Der EuGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005[309] klargestellt, dass Verbringer i.S.d. Art. 38, 40 ZK auch derjenige sein kann, der als Organisator des Transports durch seine Weisungsbefugnis die Herrschaft über das Fahrzeug hat. Der BGH hat sich dem angeschlossen.[310] Insoweit handelt es sich jedoch nicht um die strafrechtliche Frage, ob die Erklärungspflicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 einen anderen als den aus den Steuergesetzen Verantwortlichen treffen kann,[311] sondern darum, wie weit die Verantwortung aus den Steuergesetzen reicht. Art. 139 UZK[312] erfasst nun ausdrücklich auch den Auftraggeber.

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Teilnehmer einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen kann hingegen jeder sein, ohne dass es auf eine besondere Pflichtenstellung ankommt.[313]

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