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(5) Besondere Erklärungspflichten

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(a) Pflicht zur Anzeige und Berichtigung nach § 153: Der Steuerpflichtige kann eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 dadurch begehen, dass er die unverzügliche Abgabe einer Berichtigungserklärung nach § 153 AO unterlässt, zu der er verpflichtet ist.[350] Die Verpflichtung zur Berichtigung besteht für den Steuerpflichtigen insb. dann, wenn er nachträglich, vor Ablauf der Festsetzungsfrist, erkennt, dass eine für ihn abgegebene Erklärung unrichtig ist und es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen kann oder gekommen ist (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1). Das gilt ebenso, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, -ermäßigung oder sonstige -vergünstigung nachträglich ganz oder teilweise wegfallen (§ 153 Abs. 2).

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Hat der Steuerpflichtige von Anfang an vorsätzlich falsche Angaben gemacht, besteht die Berichtigungspflicht demnach nicht, da er die Unrichtigkeit nicht erst nachträglich erkennt.[351] Seine Berichtigungserklärung ist dann ggf. als Selbstanzeige zu werten (s. dazu Kommentierung bei § 371 Rn. 10 f.). Hat er allerdings zunächst leichtfertig oder bedingt vorsätzlich falsche Angaben gemacht, soll ihn nach Auffassung des 1. Senats des BGH die Berichtigungspflicht treffen, solange kein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist.[352] Die Argumentation stützt sich darauf, dass auch „derjenige, der zunächst mit der Unrichtigkeit der Angaben nur gerechnet, sie aber nicht sicher gekannt hat, die Unrichtigkeit „nachträglich erkennt“, wenn er später positiv erfährt, dass seine Angaben tatsächlich unrichtig waren“.[353] Da ein solches „nachträgliches Erkennen“ i.S.d. Rspr. des BGH aber voraussetzt, dass der bedingt vorsätzlich handelnde Steuerpflichtige die Unrichtigkeit noch nicht erkannt hat, ergibt sich als Umkehrschluss, dass ein bedingt vorsätzlicher Verstoß gegen § 153 mangels positiver Kenntnis der Unrichtigkeit – und damit mangels Pflicht zur Abgabe einer Berichtigungserklärung – nicht möglich und somit nicht nach § 370 strafbar ist.[354]

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Kritisiert wird im Hinblick auf den Nemo-tenetur-Grundsatz die Ansicht der Rechtsprechung, wonach die Berichtigungspflicht auch bei zunächst bedingt vorsätzlich falsch gemachten Angaben besteht, deren Unrichtigkeit im Nachhinein positiv bekannt wird.[355] Weil sich der Steuerpflichtige auch bei bedingt vorsätzlichem Handeln bereits einer Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat, zwinge ihn die Berichtigungspflicht zur Selbstbelastung.[356] Die Rspr. sieht darin jedoch keinen Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz, da die Berichtigung in der Regel als Selbstanzeige zu werten sei und damit zur Straffreiheit führe.[357] Sofern eine Selbstanzeige wegen eines Sperrgrundes i.S.d. § 371 Abs. 2 nicht in Betracht komme, bestehe für erzwungene Angaben die zu einer mittelbaren Selbstbelastung führen können, ein strafrechtliches Verwendungsverbot.[358] Diese Rechtsauffassung wurde mit Schreiben des BMF vom 23.5.2016[359] zur Abgrenzung der Berichtigung nach § 153 von einer strafbefreienden Selbstanzeige zugrunde gelegt.[360]

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Nach § 153 Abs. 1 S. 2 trifft die Berichtigungspflicht auch den Gesamtrechtsnachfolger[361] und die nach §§ 34 und 35 für den Steuerpflichtigen handelnden Personen.

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Gibt eine GmbH als Steuerpflichtige i.S.d. § 153 Abs. 1 S. 1 durch einen Geschäftsführer eine unrichtige Erklärung ab, trifft den erst später bestellten Geschäftsführer die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 S. 1, wenn er nachträglich die Unrichtigkeit der Erklärung erkennt.[362] Das gilt auch dann, wenn der frühere Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung Kenntnis von der Unrichtigkeit hatte. Zwar fehlt es dann aus Sicht der GmbH an einem nachträglichen Erkennen, da ihr das Wissen des Geschäftsführers zugerechnet wird. Allerdings kommt es für die Frage der anfänglichen Kenntnis nur auf den jeweils (potentiell) Berichtigungspflichtigen an, so dass der erst später bestellte Geschäftsführer die Berichtigungserklärung abzugeben hat.[363]

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Teilweise wird vertreten, für die nach § 153 Abs. 1 S. 2 Verpflichteten sei, anders als für den Steuerpflichtigen selbst, nicht Voraussetzung, dass sie die Unrichtigkeit nachträglich erkennen, sofern sie nicht mittäterschaftlich gehandelt haben.[364] Für diese Differenzierung ergibt sich aber aus dem Wortlaut der Vorschrift nichts. Mit „die Verpflichtung“ bezieht sich § 153 Abs. 1 S. 2 auf die in Satz 1 geregelte Pflicht, ohne diese einzuschränken oder zu erweitern. Der nach Satz 2 Verpflichtete tritt insoweit mit seiner eigenen Kenntnis an die Stelle des Steuerpflichtigen. Dementsprechend trifft ihn umgekehrt die Anzeigepflicht unstreitig auch dann, wenn der Steuerpflichtige selbst von Anfang an erkannt hat, dass die abgegebene Erklärung unrichtig ist.[365] Warum die Erklärungspflicht des Dritten weiter gehen soll, als die nach Satz 1, ist nicht ersichtlich. Insbesondere liefe der Dritte bei anfänglicher Kenntnis von der Unrichtigkeit der Erklärung, auch wenn er nicht mittäterschaftlich gehandelt hat, Gefahr, als Gehilfe strafrechtlich verfolgt zu werden.

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Bemerkt der Erbe, dass der Erblasser Steuern hinterzogen hat, so hat er die Steuerhinterziehung des Erblassers unverzüglich anzuzeigen, sofern die steuerliche Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 153 Abs. 1 S. 1, S. 2). Unterlässt er die Berichtigung, begeht er nach in Literatur und Rspr. vorherrschender Meinung eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen.[366] Problematisch ist in solchen Fällen, dass eine Hinterziehung des Erben auf eine bzgl. derselben Steuer bereits begangene Hinterziehung des Erblasseres folgt, während in den üblichen Konstellationen des § 153 die erstmalige Hinterziehung durch Nichtabgabe der Erklärung erfolgt.[367] Es wird somit eine bereits hinterzogene Steuer erneut hinterzogen, was Probleme bzgl. der Berechnung von steuerlicher Festsetzungs- und strafrechtlicher Verjährungsfrist sowie der Bestimmung des Ausmaßes der Steuerhinterziehung des Erben nach sich zieht.

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So ist umstritten, wie die Festsetzungsfrist zu berechnen ist. Nach § 169 Abs. 2 S. 2 beträgt die Festsetzungsfrist aufgrund der vom Erblasser begangenen Steuerhinterziehung zehn Jahre. Die Frist bestimmt sich danach, ob objektiv Steuern hinterzogen worden sind,[368] mit der Folge, dass sie auch für den an der Hinterziehung nicht beteiligten Erben gilt. Unterlässt der Erbe die Abgabe der Erklärung nach § 153 und begeht dadurch selbst eine Steuerhinterziehung, stellt sich die Frage, ob das erneut die 10-jähige Frist des § 169 Abs. 2 S. 2 auslösen kann.[369] Da die Festsetzungsfrist gem. § 170 aber an die Entstehung der Steuer anknüpft, während sich die Erklärung nach § 153 auf eine bereits entstandene und nur nicht veranlagte Steuer bezieht, kommt die Anwendung des § 169 Abs. 2 S. 2 nach der hier vertretenen Ansicht nicht in Betracht.[370]

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Zudem wird vertreten, die Festsetzungsverjährung sei gem. § 171 Abs. 7 solange gehemmt, bis die Unterlassungstat des Erben durch Unterlassen der Anzeige nach § 153 strafrechtlich verjährt ist.[371] Dem ist entgegen zu halten, dass sich § 171 Abs. 7 auf die Steuerstraftat des § 169 Abs. 2 bezieht („In den Fällen des § 169 Abs. 2 S. 2 endet die Festsetzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat [. . .] verjährt ist.“), d.h. auf die vom Erblasser begangene Tat und nicht eine sich daran anschließende weitere Tat des Erben, für den § 169 Abs. 2 S. 2, wie oben ausgeführt, nicht greift.[372]

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Teilweise wird in der Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, die Berichtigungspflicht des § 153 verklammere sämtliche steuerliche Berichtigungen, die vom Erblasser hätten vorgenommen werden müssen zu einer einzigen Hinterziehung des Erben[373] (Gesamtbetrachtung). Folge wäre, dass die vom Erblasser im Rahmen der einzelnen Taten der Steuerhinterziehung hinterzogenen Beträge für die einheitliche Steuerhinterziehungstat des Erben zusammengerechnet werden müssten. Dadurch könnte aus einfachen Taten der Steuerhinterziehung des Erblassers ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung des Erben gem. § 370 Abs. 3 Nr. 1 durch Erreichen des großen Ausmaßes werden, mit der Folge der Verlängerung der Verjährungsfrist von 5 auf 10 Jahre (§ 376 Abs. 1).

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Dogmatisch begründen lässt sich eine solche Gesamtbetrachtung nicht. § 153 statuiert keine einheitliche Pflicht zur Berichtigung aller nachträglich als unrichtig erkannten Erklärungen. Die Norm bezieht sich vielmehr ihrem Wortlaut nach auf „eine Erklärung“. Hat der Erblasser mehrere Steuererklärungen unrichtig oder unvollständig abgegeben, treffen den Erben dementsprechend mehrere gesonderte Berichtigungspflichten nach § 153[374] soweit die Festsetzungsfrist für die jeweilige Steuer noch nicht abgelaufen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Korrektur mehrerer Erklärungen im Rahmen einer einheitlichen Berichtigungserklärung erfolgen müsste oder sollte. Die Pflicht entsteht schon nicht (zwingend) einheitlich, da der Erbe die Fehlerhaftigkeit mehrerer vom Erblasser abgegebener Erklärungen in der Regel zu unterschiedlichen Zeitpunkten erkennen wird. Erforderlich ist dazu die Kenntnis des Erben von den vom Erblasser in der einzelnen Erklärung fehlerhaft gemachten oder nicht gemachten Angaben.[375] Es steht dem Erben außerdem frei, sofern es nicht sogar erforderlich ist, jede als unrichtig erkannte Erklärung durch jeweils eine Erklärung gem. § 153 zu berichtigen.[376] Ausgehend von der aktuellen Rspr. des BGH scheidet eine tateinheitliche Begehung selbst dann aus, wenn der Erbe eine einheitliche Berichtigungserklärung für mehrere fehlerhafte Erklärungen des Erblassers abgibt, in der er (erneut) falsche Angaben macht.[377] Gleiches gilt in Unterlassungsfällen.

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Steuerliche Berater sind nach der Rspr. des BGH[378] grundsätzlich nicht verpflichtet, als falsch erkannte Erklärungen ihrer Mandanten nach § 153 zu berichtigen (s. dazu auch Rn. 42). Der Anwendungserlass des BMF vom 23.5.2016[379] zu § 153 enthält eine entsprechende Klarstellung.

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Besteht die Anzeigepflicht, so ist der Fehler nach § 153 Abs. 1 S. 1 „unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen“. Das bedeutet, die Anzeige ist ohne schuldhaftes Zögern[380] abzugeben, nachdem der Fehler erkannt worden ist, während die Richtigstellung anschließend erfolgen kann. Wird die Abgabe schuldhaft verzögert, ist darin eine vollendete Steuerhinterziehung durch Unterlassen zu sehen, sobald das Finanzamt die Berichtigung im Einzelfall bei rechtzeitiger Abgabe der Berichtigungserklärung vorgenommen hätte.[381] Deshalb wird in der Literatur vertreten, eine Strafbarkeit scheide aus, wenn die Anzeige erst zusammen mit der Berichtigungserklärung, etwa nach Beschaffung der zur Steuerberechnung erforderlichen Unterlagen, abgegeben wird, sofern dieser Schritt nicht ebenfalls verzögert wird.[382]

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Die unvorsätzlich fehlerhaft abgegebene Steuererklärung und die unterlassene Berichtigungserklärung nach § 153 sind nach Ansicht der Rspr. zwar mehrere Handlungen i.S.d. § 53 StGB, bilden jedoch eine einheitliche prozessuale Tat gem. § 264 StPO. Zwar sei die Pflicht zur Berichtigung gem. § 153 eine von der Primärpflicht zur Abgabe einer inhaltlich zutreffenden Steuererklärung unabhängige eigenständige Pflicht. Es handele sich aber dennoch um einen einheitlichen geschichtlichen Lebenssachverhalt i.S.d. § 264 StPO, da sich zum einen beide Tatvarianten auf denselben Steueranspruch beziehen und zum anderen der Tatrichter nur dann prüfen kann, ob eine Berichtigungspflicht bestanden hat, wenn er geklärt hat, ob sich der Angeklagte wegen einer nach Ort, Zeit und konkretem Steueranspruch eingegrenzten Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat.[383]

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(b) Steuerhinterziehung durch dolos unvollständige Selbstanzeige: Gibt der Täter eine unvollständige Selbstanzeige ab und bewirkt dadurch, dass erneut eine zu niedrige Steuerfestsetzung erfolgt, begeht er nach der hier vertretenen Auffassung keine neue Steuerhinterziehung soweit sich die Berichtigung auf die Steuer der bereits vollendeten Tat bezieht.[384]

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(c) Steuerhinterziehung durch unterlassene Angaben im Betreibungsverfahren: Eine Steuerhinterziehung kann im Beitreibungsverfahren durch jedes täuschende Verhalten über steuerlich erhebliche Tatsachen begangen werden, wozu auch Umstände zählen, die für die Entscheidung des Finanzamtes von Bedeutung sind, ob und welche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden. Verweigert der Steuerpflichtige im Rahmen des steuerlichen Beitreibungsverfahrens hingegen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung i.S.d. § 284 oder unterlässt er schlicht die Angabe von Vermögenswerten, ohne damit die Finanzbehörden zu täuschen, so verwirklicht er nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2.[385] Das gilt für die unterlassene Angabe von Vermögenswerten deshalb, weil ein Steuerpflichtiger nicht verpflichtet ist, von sich aus, also ungefragt, Vermögensgegenstände, die er während eines gegen ihn laufenden Beitreibungsverfahrens erwirbt, dem Finanzamt anzugeben, so dass er mit dem bloßen Schweigen weder unrichtige oder unvollständige Angaben macht, noch die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Hinsichtlich des Unterlassens der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ergibt sich aus § 284 keine strafbewehrte steuergesetzlich begründete Offenbarungspflicht.

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