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(4) Unzumutbarkeit der Erfüllung der Pflicht zur Abgabe der Erklärung

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Die (strafbewehrte) steuerliche Pflicht zur Abgabe von Erklärungen besteht grundsätzlich auch dann fort, wenn der Erklärungspflichtige Gefahr läuft, mit der Erfüllung der Erklärungspflicht zu offenbaren, dass er sich strafbar gemacht hat (vgl. § 393 Abs. 1 S. 1 sowie die Kommentierung zu § 393 Rn. 37 ff.). Allerdings ist in solchen Fällen das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. aus Art. 6 Abs. 1 EGMR[323] hergeleitete Verbot von Zwang zur strafrechtlichen Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) zu beachten.[324] Die Erfüllung steuerlicher Erklärungspflichten kann danach für den Steuerpflichtigen unzumutbar sein, weil er sich damit selbst belasten und der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen müsste (s. dazu auch § 393 Rn. 6 ff.).[325]

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Im steuerlichen Verfahren besteht die Pflicht zur Mitwirkung auch dann fort, wenn der Steuerpflichtige sich durch die Erfüllung dieser Pflicht selbst belasten könnte. Allerdings enthält § 393 Abs. 1 S. 2 ein Verbot der Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328 zur Durchsetzung der steuerlichen Pflichten.[326]

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Im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 im Falle des Unterlassens der Abgabe von den Erklärenden möglicherweise selbst belastenden Erklärungen, gewährleistet die Rspr. die Selbstbelastungsfreiheit nur in Ausnahmefällen dadurch, dass sie die Strafbewehrung der steuerlichen Pflichten suspendiert.[327] In der Regel nimmt sie an, dass die Erklärungspflichten fortbestehen, wenn der Betroffene auf andere Weise, insb. durch eine Selbstanzeige (siehe dazu § 371 Rn. 45) oder ein strafrechtliches Verwendungsverbot, ausreichend geschützt werden kann.[328]

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Ist dem Steuerpflichtigen die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Verfahrens mitgeteilt worden, ist er nach § 393 Abs. 1 S. 2, 3 von der Abgabe von weiteren Erklärungen betreffend dieselbe Steuerart und denselben Besteuerungszeitraum – also etwa bzgl. der Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung nach Verfahrenseinleitung wegen der Voranmeldungen desselben Jahres – befreit, weil er sich dadurch möglicherweise selbst belasten würde (zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen s. § 393 Rn. 20 ff.).[329] Ist gegen den Erklärungspflichtigen ein Verfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung eingeleitet worden, kann der Vorwurf daher nicht zu vollendeter Hinterziehung erweitert werden, wenn der Beschuldigte die Abgabe der Erklärung nach Verfahrenseinleitung weiterhin unterlässt.[330] Die Unzumutbarkeit der Abgabe weiterer Erklärungen betrifft nach der Rspr. des BGH hingegen nicht Steuerarten und Besteuerungszeiträume für die kein Strafverfahren eingeleitet worden ist.[331] Wird der Steuerpflichtige also bspw. nur wegen Einkommensteuerhinterziehung im Veranlagungszeitraum 2013 verfolgt, so muss er die Erklärung für 2014 weiterhin abgeben, auch wenn sich daraus möglicherweise Rückschlüsse hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2013 ergeben können. Zur Begründung weist der BGH darauf hin, dass selbst wenn die Abgabe zutreffender Steuererklärungen für nachfolgende Besteuerungszeiträume mittelbare Auswirkungen auf das laufende Steuerstrafverfahren haben sollte, dies ihre Unterlassung nicht rechtfertigen könne, weil andernfalls neues Unrecht geschaffen und dem Täter zudem gegenüber anderen Steuerpflichtigen eine ungerechtfertigte Besserstellung eingeräumt würde.[332] Der Nemo-tenetur-Grundsatz könne im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit und die Notwendigkeit eines gesicherten Steueraufkommens für den Staat dahingehend eingeschränkt werden, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet bleibt, ohne Rücksicht darauf, ob hierdurch Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufgedeckt werden.[333] Die sich daraus für den Erklärungspflichtigen möglicherweise ergebende Zwangslage will der BGH dadurch lösen, dass für die Angaben, mit denen sich der Erklärende mittelbar selbst belastet, ein strafrechtliches Verwendungsverbot gelten soll.[334] Tatsächlich geschützt wird der Erklärende dadurch allerdings nur, wenn sichergestellt wird, dass das auch die mittelbare Verwendung der Erkenntnisse umfasst.[335]

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§ 393 Abs. 1 S. 2, 3 und der Nemo-tenetur-Grundsatz befreien den Erklärungspflichtigen zudem nicht von den in anderen Verfahrensabschnitten bestehenden Mitwirkungspflichten. So bleibt er nach einer im Festsetzungsverfahren begangenen Hinterziehung verpflichtet, eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse gem. § 284 im Beitreibungsverfahren abzugeben.[336] Auch insoweit soll ausreichender Schutz dadurch gewährt sein, dass ein Verwendungsverbot für die dort gemachten Angaben besteht, sofern diese Rückschlüsse auf die im Festsetzungsverfahren begangene Hinterziehung zulassen.[337]

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Dem Erklärungspflichtigen werden zudem allgemein keine Rechte aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz zugebilligt, solange er die Strafverfolgung für bereits begangene Steuerhinterziehungen durch die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige nach § 371 vermeiden kann.[338] Problematisch sind (insb. nach erneuter Verschärfung der Voraussetzungen des § 371) die Fälle, in denen der Erklärungspflichtige die Wirksamkeit der Selbstanzeige voraussichtlich nicht herbeiführen können wird, weil er finanziell nicht in der Lage ist, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern und ggf. den nach § 371 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 398a erforderlichen Zuschlag innerhalb einer ihm dazu nach § 371 Abs. 3 bzw. § 398a gesetzten Frist zu entrichten. Die Selbstanzeige ist dann für den Täter nur eine theoretische Möglichkeit, die ihn tatsächlich nicht vor Strafverfolgung schützt. Die Abgabe der Berichtigungserklärung bedeutet in diesen Fällen für ihn faktisch eine Selbstbezichtigung, so dass der Nemo-tenetur-Grundsatz auf andere Weise sichergestellt werden muss.

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Die Erklärungspflicht besteht auch dann fort, wenn die Buchführung für das Strafverfahren sichergestellt oder beschlagnahmt worden ist. Der Steuerpflichtige muss sich in diesem Fall darum kümmern, die benötigten Unterlagen bei der Ermittlungsbehörde zu sichten bzw. zu kopieren.

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Für die Abgabe von Schenkungsteuererklärungen ist der BGH der Auffassung, dass die unterlassene Abgabe von Erklärungen bzgl. in der Vergangenheit erhaltener Schenkungen den Erklärungspflichtigen nicht von der Pflicht befreit, diese im Rahmen einer Erklärung für eine spätere Schenkung als Vorschenkungen anzugeben.[339] Zwar hat der Beschenkte hinsichtlich der vorausgegangenen Erwerbe bereits in der Vergangenheit Steuerhinterziehungen begangen, soweit diese den für den Bedachten geltenden Freibetrag überschritten haben, es soll ihm dennoch – im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz – nicht unzumutbar sein, die bereits hinsichtlich der Vorschenkungen begangenen Steuerhinterziehungen im Rahmen der aktuellen Erklärung zu offenbaren.[340] Unterlässt er die Angabe der Vorschenkungen, so soll darin eine neue Hinterziehung der Vorschenkungen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 liegen. Zwar diene § 14 ErbStG nur der Steuerberechnung für die Steuer auf den Letzterwerb und nicht der Ermittlung einer Gesamtsteuer für sämtliche Erwerbe innerhalb eines zehnjährigen Zeitraums, allerdings habe das Finanzamt, wenn es bei der Besteuerung des letzten Erwerbs noch nicht versteuerte Schenkungen feststellt, deren Besteuerung durch einen besonderen Schenkungsteuerbescheid nachzuholen, sofern noch keine steuerrechtliche Verjährung eingetreten ist. Damit seien die Angaben in einer Schenkungsteuererklärung über Vorschenkungen desselben Schenkers stets Grundlage für die Prüfung der ordnungsgemäßen Besteuerung sämtlicher Schenkungen des vorangehenden Zehnjahreszeitraums. Die durch Verschweigen solcher Vorschenkungen begangene Hinterziehung von Schenkungsteuer sei mitbestrafte Nachtat, deren Straflosigkeit entfällt, wenn die Vortat nicht mehr verfolgbar ist.[341] Zwar treffe es zu, dass in Fällen, in denen die Verfolgung einer Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen wegen eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr in Betracht kommt, die Verfolgung der Hinterziehung derselben Steuer durch nachfolgendes aktives Tun wieder möglich wird, wenn der Täter später – und sei es nur zur Verdeckung seiner Unterlassungstat – gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben macht. Dieses Ergebnis widerspreche aber nicht der „gesetzgeberischen Grundwertung“ der Verfolgungsverjährung, sondern sei Folge einer neuen tatbestandlichen Handlung, die zu einem neuen Taterfolg führt und für die deshalb die Verfolgungsverjährung eigenständig zu prüfen ist. Die Tatbestandsmäßigkeit einer solchen neuen Tat scheide lediglich dann aus, wenn für die Schenkungsteuer bereits die steuerliche Festsetzungsverjährung eingetreten ist.[342]

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Zuzustimmen ist dem BGH darin, dass die unterlassene Nennung der Vorschenkungen insoweit als Hinterziehung zu werten ist, als sie über die Freibeträge und den Steuersatz zu einer Verkürzung der aktuellen Schenkungsteuer führen kann.

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Die Verheimlichung der früheren Erwerbe kann aber nur dann als Hinterziehungshandlung gewertet werden, wenn Sinn und Zweck des § 14 ErbStG auch ist, ggf. die Besteuerung für diese Vorerwerbe nachzuholen.[343] Das verneint der BGH in Übereinstimmung mit der Rspr. des BFH. Dieser weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Selbstständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbsvorgänge hin und darauf, dass § 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG nicht das Ziel verfolgt, eine Korrekturmöglichkeit für Fehler zu eröffnen, die bei der Steuerfestsetzung für die Vorerwerbe zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen unterlaufen sind.[344] Vielmehr habe der Gesetzgeber mit der Norm lediglich unbillige Folgen für Steuerpflichtige vermeiden wollen, die sich durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben können.[345] Die Entscheidung des BGH ist insoweit zu kritisieren, als entgegen dem zutreffend festgestellten Sinn und Zweck des § 14 ErbStG letztlich darauf abstellt wird, dass das Finanzamt, wenn es noch nicht versteuerte (Vor-) Schenkungen feststelle, deren Besteuerung nachzuholen habe. Denn entscheidend für die Frage der Strafbarkeit der unrichtigen Erklärung kann nur sein, dass § 14 ErbStG diesem Zweck – der Nachholung der Besteuerung früherer Zuwendungen – gerade nicht dient, so dass insoweit auch keine strafbewährte Erklärungspflicht besteht.[346] Hinterzogen wird durch das Verschweigen der Vorerwerbe nur die Steuer auf den neuerlichen Erwerb, soweit die verschwiegenen Schenkungen Auswirkungen auf Steuersatz und Freibeträge haben.[347]

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Für den Fall, dass der Erklärungspflichtige Gefahr läuft, sich mit der Abgabe der steuerlichen Erklärung einer sonstigen Straftat zu bezichtigen, wie z.B. der Bestechlichkeit i.S. des § 332 StGB durch die Erklärung der erhaltenen Bestechungsgelder, hat der BGH es im Hinblick auf den Nemo-Tenetur-Grundsatz für gangbar erachtet, lediglich niedrigere Anforderungen an den Erklärungsinhalt zu stellen, indem nur verlangt wird, dass die Einkünfte ohne Nennung der Einkunftsquelle betragsmäßig angegeben werden.[348] Hintergrund ist die Regelung des § 393 Abs. 2 S. 1 und 2, wonach Tatsachen oder Beweismittel, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung oder in Unkenntnis des Strafverfahrens in Erfüllung steuerlicher Pflichten offenbart hat, im Strafverfahren wegen anderen als Steuerstraftaten gegen ihn verwendet werden dürfen, sofern an der Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht. Ob ihn allerdings das Verschweigen der Einkunftsquelle letztlich vor der Tatentdeckung schützen kann, ist gerade in Fällen, in denen es um größere Beträge geht, zweifelhaft.[349]

Steuerstrafrecht

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