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2. Das Liberalitätsprinzip
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Das Freiheits- oder Liberalitätsprinzip[15] ist das Leitprinzip des deutschen Außenwirtschaftsrechts.[16] Das bedeutet, dass der Außenhandel im Zweifel frei ist, und nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen eingeschränkt wird.[17] Die Freiheit, sich im Außenhandel zu betätigen, stellt eine einfachgesetzliche Ausprägung eines auch durch die Grundrechte verbrieften Rechts dar. In erster Linie lässt sich diese Freiheit auf die gem Art 12 Abs 1 GG geltende Berufsfreiheit stützen.[18] Wo es um den Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse und dergleichen geht, kann zudem die Eigentumsgarantie gem Art 14 GG maßgeblich sein. Schließlich wird die Freiheit, sich im Außenhandel zu betätigen, subsidiär auch durch Art 2 Abs 1 GG gewährt. Wo es um die Gleichbehandlung zwischen verschiedenen Wirtschaftsteilnehmern geht, ist auch Art 3 Abs 1 GG einschlägig.
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Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Abs 1 S 1 daneben ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt. Obgleich vielfach verneint,[19] wird man davon ausgehen müssen, dass Abs 1 S 1 sowohl personell als auch materiell über den Mindestgewährleistungsgehalt der Grundrechte hinausgeht. Zunächst gilt Abs 1 S 1 für alle natürlichen und juristischen Personen, die in seinen Anwendungsbereich fallen, also etwa auch für ausländische juristische Personen, die über Art 19 Abs 3 GG nicht am Grundrechtschutz teilhaben können. Des Weiteren ist bei Art 12 Abs 1 GG in der Regel lediglich der Bereich der Berufsausübung betroffen, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls eingeschränkt werden kann.[20] Da das AWG vorgibt, aus welchen Gründen und unter welchen Maßgaben die Außenhandelsfreiheit eingeschränkt werden kann, kommt Abs 1 S 1 ein eigenständiger Regelungsgehalt zu.[21]
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In der Praxis hat dies folgende Auswirkungen: Erstens muss sich dieser Grundsatz bei Zweifelsfragen als Auslegungsmaßstab zu einer freiheitlichen Auffassung auswirken. Zurecht ergibt sich hieraus die viel zitierte Auslegungsregel in dubio pro libertate.[22] Eine andere Auffassung vertritt lediglich Simonsen, der argumentiert, dass der Freiheitsanspruch auf rein wirtschaftspolitisch motivierte Beschränkungen zugeschnitten sei und für sicherheitspolitisch motivierte Beschränkungen einen Fremdkörper darstelle.[23] Diese Beschränkung ergibt sich jedoch weder aus der Gesetzesbegründung des historischen Gesetzgebers noch aus dem Wortlaut der Vorschrift, und erst recht nicht vor dem genannten grundrechtsdogmatischen Hintergrund. Nach der Gesetzesbegründung „hat der in S 1 festgelegte Grundsatz der Freiheit unmittelbare rechtliche Bedeutung, in dem er als Auslegungsmaßstab bei allen Zweifelsfragen sich zugunsten einer freiheitlichen Auffassung auswirken muss. Die Betonung des Grundsatzes der Freiheit im Gesetz soll den Leitgedanken der Art 2 Abs 1, Art 12 Abs 1, Art 14 GG, die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu gewährleisten, für das Gebiet des Außenwirtschaftsverkehr besonders herausstellen.“[24] Überdies wurde der Auslegungsgrundsatz in dubio pro libertate auch gerichtlich bestätigt.[25]
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Das Liberalitätsprinzip bedeutet zweitens, dass Ausnahmen nur unter strikter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich sind.[26] Dieser ist sodann in § 8 gesetzlich niedergelegt und konkretisiert.[27] Drittens hat es zur Folge, dass auf die Erteilung von Genehmigungen ein Anspruch besteht, der gerichtlich durchsetzbar ist. Dies ist wiederum in § 8 niedergelegt. Entsprechend haben die Gerichte in der Vergangenheit sowohl Bescheidungs-[28] als auch Verpflichtungsurteile[29] erlassen. Viertens trägt die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Liberalitätsprinzips zudem die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass von ihr veranlasste Beschränkungen rechtmäßig sind.[30]