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Eine Vielzahl von Gelegenheiten

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Politische Interpretationen von Festen (wie ich sie auch selbst noch anbieten werde) sind oft unangemessen, weil sie sich auf den Inhalt und die Bedeutung eines einzelnen Ereignisses konzentrieren. Solch eine partikulare Herangehensweise wird für die komplexe kultische Realität der römischen Republik nicht ausreichen. Beginnen möchte ich mit einem genaueren Blick auf die Fasti Antiates maiores, dem einzig erhaltenen republikanischen Kalender.1 An den Idus Sextiles (der Kalender stammt aus der voraugusteischen Zeit und kennt daher den Monat Augustus noch nicht), finden sich einige Einträge in kleinen Buchstaben, die sich auf die dies natales der Tempel von Diana, Vortumnus, Fortuna, Equestris, Hercules Victor und Castor und Pollux sowie auf ein Opfer für die Camenae beziehen. Diese Jahrestage der Tempelweihe dürften mit der Öffnung der Tempel und Opfern gefeiert worden sein. Diese Gottheiten waren nicht unbedeutend, sondern durchaus bekannt. Wir würden erwarten, dass jedes dieser Ereignisse eine Vielzahl von Zuschauern anziehen würde, religiöse Verehrerinnen und Verehrer wie auch bloße Schaulustige – also aktive Teilnehmer am Ritual genauso wie neugierige Kinder oder Passanten, die nur kurz stehen bleiben. Mit der Länge der Zeit, die für ein Opfer notwendig war, und der Zubereitungszeit für das Opferfleisch, dürfen wir annehmen, dass die Rituale alle ungefähr zur gleichen Zeit begonnen haben müssten – es gibt keinen Beleg für eine genaue zeitliche Absprache. Da die Örtlichkeiten den Aventin, die Porta Capena und das Forum umfassten, müssten die interessierten Zuschauer eine Auswahl getroffen haben. Solch eine Auswahl war an vielen Tagen notwendig.

Der öffentliche Charakter dieser Ereignisse war nicht selbstverständlich. Er resultierte in seiner Umsetzung und Intensität aus einer Vielzahl von Faktoren. Viele Tempel wurden durch die Initiative siegreicher Generäle, wenn auch mit öffentlichen Geldern und mit Zustimmung des Senats, erbaut.2 Mit ihrer Wahl des Tages für die Weihung kämpften die Stifter um öffentliche Wahrnehmung, und die Iden – befreit von verschiedenen Bürden und alltäglichen Verpflichtungen (wie Schule)3 – boten eine hervorragende Möglichkeit, eine größere Zahl attraktiver Rituale anzubieten. Wir wissen nicht, wie groß das Publikum war, das an solchen Jahrestagen teilnahm.

Individuell initiierte Tempelstiftungen und ihre jährliche Wiederkehr waren nicht die einzigen kultischen Ereignisse, die um die Aufmerksamkeit des Publikums rangen. An den Iden des März beispielsweise gab es viele Rituale gleichzeitig. Wie an allen Iden würde der Flamen Dialis, der Priester des Iuppiter (und einige andere nicht weiter spezifizierte Priester)4 einen kastrierten Bock für Iuppiter opfern. Laut späteren Kalendern war der Tag Feriae Martis, ein Tag, der dem Gott Mars gehörte und der irgendwo ein Opfer für diesen Gott notwendig machte. Der populäre Ritus der Mamuralia, bei dem die Salier, die oft jugendlichen Priester, ein Fell schlugen, wurde von Ioannes Lydus im sechsten Jahrhundert auf den 15. März datiert, aber in den Fasti Filocali in der Mitte des vierten Jahrhunderts n. Chr. am 14. März verzeichnet; eine Lösung dieses Widerspruchs in der Datierung muss hypothetisch bleiben.5 Viele Menschen entschieden sich trotzdem dazu, den Tag nicht im Stadtzentrum zu verbringen, sondern an den Ufern des Tiber. Ovid beschreibt diesen Tag als beliebt für Ausflüge und Weintrinken zu Ehren der Anna Perenna, deren Kult jetzt nördlich der Stadt verortet werden kann.6

Die Konkurrenz war an den Iden des Oktobers noch stärker. Während die ludi Capitolini Römer auf den Kapitolshügel zogen,7 fanden die Riten des Equus October, des Oktoberpferdes, auf dem Marsfeld statt: Ein Pferderennen wurde ausgetragen, ein Pferd geopfert, Teilnehmergruppen führten anschließend ein Rennen zum Forum (am Fuße des Kapitols entlang) durch; der rituelle Wettbewerb zwischen den Einwohnern der Subura und der Via Sacra fand sein Ende in der Regia im Zentrum des Forum Romanum.8 Während die kapitolinischen Spiele durch ein Kollegium organisiert wurden, scheint es als ob das Opfer des Oktoberpferdes durch den Flamen Martialis durchgeführt wurde.

Die komplexe topographische und kalendarische Struktur römischer Religion machte eine Anzahl von Priesterschaften und Akteuren notwendig, die eher nebeneinander agierten, statt einander untergeordnet zu sein. Es gab keine zentrale Steuerung dieser Aktivitäten. Listen von Ritualdaten, ferialia, für jede Gruppe oder Priesterschaft regulierten wohl die komplexen Aktivitäten. Die fasti, „der“ römische Kalender, dienten nicht als Instrument einer detaillierten, zentralisierten Regulierung.9

Trotz des großen Ritualanzahl an den Iden (und den Nonen und Kalenden) fanden rund dreißig Prozent der Triumphzüge des dritten und zweiten Jahrhunderts v. Chr. auch an diesen Tagen statt, mit Konzentration auf den ersten und letzten Monat des Jahres. Hier sind offensichtlich persönliche Strategien zur Aufmerksamkeitsmaximierung für die Wahl des Tages verantwortlich – trotz des breiten Angebots schon bestehender Rituale. Es muss hinzugefügt werden, dass die gleichen Daten – besonders Kalenden und Iden – dafür benutzt wurden, privat Geburtstage zu feiern.10 So hatte eine weitere große Gruppe der städtischen Bevölkerung noch eine Alternative für Feierlichkeiten – und nutzte diese auch.

Römische Religion in republikanischer Zeit

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