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2. Räume literarischer Kommunikation

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In der folgenden Tabelle ist der Versuch unternommen, die Ausgangssituation, die Räume literarischer Kommunikation am Beginn der Phase des Übergangs, der Phase beschleunigten Wandels des Systems literarischer Kommunikation zu skizzieren; als Einsatzpunkt habe ich dazu den Anfang des dritten Jahrhunderts v. Chr. gewählt. Von links nach rechts sind gesellschaftliche Räume in abnehmender Größe der jeweiligen Öffentlichkeit nebeneinandergestellt: große öffentliche Rituale, unter denen die Spiele einen ständig wachsenden Raum einnehmen;3 das öffentliche Begräbnis (funus publicum) von Amtsträgern;4 Formen politischer Öffentlichkeit in Volksversammlungen, im Senat und in Gerichtsverfahren. Die staatlich sanktionierten collegia stehen in einem Kontinuum zwischen diesen Gremien und der oberschichtlichen Bankettkultur: unter Umständen durch Volkswahl besetzt, finden diese Kollegien gleichwohl in Symposien ihr wichtigstes internes Kommunikationsforum, ihre Bankette sind wiederum zentraler Bestandteil der stadtrömischen Bankettkultur überhaupt.5 Die Schule schließt sich als eine nur allmählich aus der familiären Erziehung ausdifferenzierte Institution an, nach dem Zeugnis des Plutarch6 wurde die erste Schreibschule, vielleicht die erste öffentliche, gegen Gebühr zugängliche Schule in Rom7 erst Anfang der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr., in den vierziger oder dreißiger Jahren dieses Jahrhundert gegründet. Es folgt schließlich die Familie, der statistisch gesehen ein guter Teil des Elementarunterrichts zuzuweisen ist, und das otium von Angehörigen der Oberschicht, das hier, in Differenz zu den weiter links stehenden Institutionen, als Ort von privater, individueller, demnach schriftlicher Produktion und lesender Rezeption von Texten definiert wird.

Welche Texte fanden in diesen Kommunikationsräumen, diesen unterschiedlichen Typen von Öffentlichkeit Verwendung? Welche Ansätze zu Schriftlichkeit gab es? Wieder von links nach rechts durchgehend sind zunächst Lieder, carmina, zu nennen. Gerade im Kontext der großen ludi scheinen sie nach der spätrepublikanischen, Varronischen Rekonstruktion der Theatergeschichte wenigstens teilweise durch die Verbindung mit Tanz, dem Waffentanz der ludiones und dem Wechsel zwischen Sprechern (und Chören) bereits im Jahrhundert vor dem Drama des Livius Andronicus dramatische Qualität gewonnen zu haben.8 Varro nimmt für diesen Zeitraum auch bereits Ansätze zur Verschriftlichung an.9 Die oskische Atellane fand möglicherweise erst in der Folgezeit, im Laufe des dritten Jahrhunderts, eher parallel zum griechischen Drama denn als echte Vorläuferin, Eingang in Rom. Neben den Liedern, in diesem Kontext vor allem Hymnen, verdienen die Spottverse, die wir aus Triumphzügen kennen, eigene Erwähnung; aufgrund ihres Charakters subsumiere ich sie hier unter „Fescenninen“, obwohl diese Bezeichnung in den Quellen für die Verspottung von Hauptpersonen privater Rituale (zum Beispiel bei Hochzeiten) reserviert ist.10


Ansätze zu dramatischen Aufführungen liefern die öffentlichen Leichenfeiern in der Verbindung von Leichenrede, laudatio funebris, und pompa imaginum, dem Zug der durch Statur, Tracht und Gesichtsmaske repräsentierten Statuen der toten Vorfahren des jüngst Verstorbenen.11

In politisch-juristischen Bereichen diente Schriftlichkeit schon seit längerer Zeit der Fixierung von Gesetzen, in gewissem Umfang vielleicht auch Entscheidungen darüber hinaus; zentral sind in jedem Fall aber die Zwölftafelgesetze. Verwaltungsschriftlichkeit ist im übrigen aber äußerst eingeschränkt zu denken. Es gibt noch keine Listen der Beamten; Sitzungs- beziehungsweise Handlungsprotokolle scheinen erst – jetzt greife ich eine Spalte vor – in der Mitte des dritten Jahrhunderts aufzukommen;12 zuvor ist in erster Linie mit auswärtigem Schriftverkehr, externen Verträgen wie Beglaubigungsschreiben, zu rechnen.13 Zentrale Kommunikationsform ist die – mündliche – Rede.

Im Bankett – ich benutze den Ausdruck synonym mit Symposium, möchte aber auf den aufs Essen verschobenen Schwerpunkt aufmerksam machen14 – wurde gesungen: die berühmten Helden- oder Tafellieder, eine Institution, die zur Zeit Cato des Älteren in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. als Betätigung der Feiernden selbst stark zurückging, aber als Aufgabe der anwesenden männlichen Kinder, das heißt als erzieherische Institution, lebendig blieb.15 Dass daneben erzählt wurde, halbwegs stabile Prosaerzählungen ähnlichen Inhalts die Runde machen, ist nach den Mustern, die wir schon in der Odyssee in der Darstellung von Odysseus’ Empfang bei den Phäaken finden, nicht zu bezweifeln.

Vergleichbare Texte, abschätziger formuliert: Ammenmärchen, dürften auch in den Familien einen Ort gehabt haben; im festlichen Kontext – die Nähe zur ersten Spalte lässt sich zweidimensional nicht mehr graphisch realisieren – treten carmina und Fescenninen hinzu. Vom otium wissen wir schlicht nichts.

Auf die zentralen Elemente der Kommunikation in und zwischen den wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen reduziert, stellt sich das System „literarischer Kommunikation“ in der durch Mündlichkeit weitestgehend dominierten Epoche folgendermaßen dar: Kommunikation zwischen der patrizischen, aber seit dem zweiten Drittel des vierten Jahrhunderts zunehmend patrizisch-plebeischen Nobilität und der hier nicht ganz präzise als Plebs bezeichneten Masse der römischen Bürger ist im wesentlichen eine Einbahnstraße von oben nach unten. Legitime Antworten von unten sind vor allem die Spottverse in rituellem Kontext, ansonsten im nichtliterarischen Bereich die im wesentlichen als Konsensrituale fungierenden Wahl- und Abstimmungsakte und die Begrüßung, salutatio, des Patron durch seine Klienten. Innerhalb beider Gruppen formulieren, wenn man auf stabilisierte Texte schaut, vor allem carmina und fabulae gemeinsame Erfahrungen und Ansprüche von Untergruppen, hinzu tritt, vor allem in der Führungsschicht, die Rede.

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