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3.4 Drama
ОглавлениеIn den Vordergrund zu rücken ist jetzt eine ausgesprochene, eine rasante Erfolgsgeschichte: die Entwicklung des Dramas in Rom. Für die Jahre 240 und 235 sind Aufführungen von Dramen der beiden ersten namentlich bekannten Dramatiker bezeugt, des vielleicht aus Tarent stammenden „Halb-Griechen“ Livius Andronicus und des aus Kampanien stammenden Cn. Naevius. Die weitere Entwicklung ist bekannt und muss daher hier nicht ausführlich referiert werden: Die Zahl der Gelegenheiten für Aufführungen von Tragödien wie Komödien nahm binnen weniger Jahrzehnte explosionsartig zu: Aus dem rituellen Rahmen der ludi Romani wurden bis ins zweite Jahrhundert an die dreißig Spieltage;22 die beiden kanonischen Gattungen wurden nach ersten früheren Versuchen im Jahr 173 durch die feste Etablierung des Mimus an den nun jährlichen Ludi Florales ergänzt, der dann in der Kaiserzeit die anderen dramatischen Gattungen an der Rand gedrängt hat.23
Im Vergleich mit den Athener Verhältnissen vor allem des fünften Jahrhunderts ist festzuhalten, dass im Stoff – bei aller Romanisierung im Detail – Nichtrömisches deutlich überwiegt,24 weitreichende aktuelle politische Bezüge kaum auszumachen sind. Die politisch relevante Kommunikation verläuft nicht vom dramatischen Text zum Publikum, sondern zwischen den als solche gemeinsam plazierten gesellschaftlichen Gruppen beziehungsweise mit deren einzelnen Angehörigen.25 Dem Spielgeber mag dabei eine momentane Sonderrolle unter den Mitgliedern der Oberschicht zukommen, doch existiert keine erkennbare Korrelation zwischen Großzügigkeit in dieser Rolle und weiteren Wahlerfolgen, die es nahelegte, die politische Funktion der dramatischen Spiele in einer Demonstration von Großzügigkeit, im Euergetismus also, zu sehen.26 Der Eintritt einzelner Magistrate erlaubt Beifall oder Missfallenskundgebungen – ihre Anwesenheit wird erwartet. Einzelne Nachrichten aus der späteren Republik zeigen, dass aus dem Kontext herausgerissene Textelemente, unabhängig von ihrer ursprünglichen Intention, mit aktueller Bedeutung aufgeladen werden konnten und – unter Umständen mehrfach – wiederholt werden mussten.27 Es ist klar, dass diese Form der Öffentlichkeit sich leicht einer – in ihrer Sicht – übersteigerten Elaborierung der Texte entzieht. Hier steht nicht die künstlerische Kompetenz des Publikums, sondern die kommunikative Kompetenz des Verfassers in Frage.
Schriftlichkeit ist für das Drama primär Produktionsschriftlichkeit. Die Übersetzungsarbeit, die Aufführung in einer Fremdsprache für die Schauspieler, schließlich die Vermarktung an die Leiter der Schauspielertrupps und im Folgeschritt an die spielgebenden Beamten legten Schriftlichkeit nahe. Die Verbindung mit konkreten Aufführungsnachrichten (Didaskalien) in der Überlieferungsgeschichte führt die begrenzte, das intendierte Publikum nicht betreffende Schriftlichkeit vor Augen. Gleichwohl hinterlässt die Verschriftlichung auch Spuren in der Textgestalt selbst, geht mit einer Verschriftung zusammen.