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aa) Einrichtungsgarantie und subjektives Recht

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Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV garantiert den Hochschulen das Recht der Selbstverwaltung. Hierbei handelt es sich unstreitig um eine Einrichtungsgarantie.[59] Aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 138 Abs. 1 S. 1 BV („Die Errichtung und Verwaltung der Hochschulen ist Sache des Staates.“)[60] ergibt sich, dass sich diese Garantie auf die staatlichen Hochschulen bezieht. Der bayerische Gesetzgeber ist daher von Verfassungswegen verpflichtet, „die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine […] Universität die ihr im akademischen Selbstverwaltungsbereich zustehenden Aufgaben […] wahrnehmen kann“.[61] Wie der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nachkommt, bleibt indes ihm überlassen. Er muss, solange gewährleistet ist, dass wissenschaftsrelevante Fragen primär von Wissenschaftlern entschieden werden, sich nicht notwendig am klassischen Modell der Hochschulbinnenorganisation orientieren und etwa eine Gliederung der Hochschule in Fakultäten vorsehen.[62]

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Art. 138 BV ist zwar nicht Bestandteil des Grundrechtsteils der Bayerischen Verfassung (Art. 98–123 BV), sondern befindet sich im Teil „Das Gemeinschaftsleben“. Dennoch gewährleistet Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV nicht nur eine Einrichtungsgarantie, sondern zugleich ein subjektives Recht der (staatlichen) Hochschulen.[63] Die systematische Stellung der Vorschrift spricht nicht dagegen, da beispielsweise auch Art. 126 Abs. 1 S. 1, 128 Abs. 1 und 141 Abs. 3 S. 1 BV, die sich ebenfalls im Abschnitt „Das Gemeinschaftsleben“ stehen, subjektive Rechte gewährleisten.[64] Der Wortlaut („Die Hochschulen haben das Recht …“) spricht ebenfalls klar für die Interpretation des Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV als subjektives Recht. Dieses Recht erstreckt sich auf Eingriffe in den Selbstverwaltungsbereich bzw. in den Bereich der Körperschaftsangelegenheiten. Eingriffe dürfen nicht in den Kernbereich eingreifen und müssen, um gerechtfertigt zu sein, in verhältnismäßiger Weise einem legitimen Zweck dienen.

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Der Bestand einer Hochschule oder einer Hochschuleinrichtung (z.B. Fakultät, Forschungsinstitut) ist von Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV prinzipiell genauso wenig geschützt wie von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG[65]. Auch die Feststellung des BVerfG, jedenfalls eine Zusammenlegung oder Auflösung ganzer Hochschulen bedürfe – weil damit erhebliche Folgen für die dort tätigen Wissenschaftler und Studierenden verbunden seien – einer parlamentsgesetzlichen Grundlage,[66] lässt sich auf die bayerische Verfassungslage übertragen. Weil die Bayerische Verfassung im Gegensatz zum Grundgesetz ein explizite Garantie der akademischen Selbstverwaltung enthält, stellt sich aber die Frage, ob aus dieser Garantie eine Pflicht folgt, vor entsprechenden staatlichen Entscheidungen die betroffenen Einrichtungen anzuhören (s. auch oben Rn. 143[67]. Zu berücksichtigen ist dabei zum einen, dass Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV als Verfassungsnorm im Gesetzgebungsverfahren ohnehin zu beachten ist. Zum anderen ist auch auf der Ebene des bayerischen Verfassungsrechts der Vergleich zwischen akademischer und kommunaler Selbstverwaltung (auf diesen stützt die wohl h. Lit. die Anhörungspflicht gegenüber den Hochschulen) nicht unproblematisch.[68] Die kommunale Selbstverwaltung hat örtlichen Bezug (alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft), die akademische Selbstverwaltung sachlichen (Forschung und Lehre); die Kommunen sind ein Element der mittelbaren Staatsverwaltung ohne Grundrechtsbezug, die staatlichen Hochschulen dienen gerade der Verwirklichung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit. Letztlich kann die Frage, ob es eine verfassungsrechtliche Pflicht gibt, die Hochschulen vor ihrer Fusion oder Auflösung anzuhören, aber hier dahinstehen, da eine solche Anhörung in der Praxis nahezu immer stattfinden wird. Das Fusions-/Auflösungsgesetz muss im Übrigen den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Art. 108 Abs. 1 BV, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 166 Abs. 2 und 3 BV entsprechen, insbesondere verhältnismäßig sein.[69]

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Anders ist die Rechtslage bei staatlichen Maßnahmen, die zwar den Bestand von Hochschuleinrichtungen unangetastet lassen, die Bedingungen für freie Forschung und Lehre an der Hochschule jedoch unmittelbar betreffen, wie insbesondere die Auflösung von Studiengängen.[70] In diesen Fällen ist wegen der Wissenschaftsrelevanz dieser Strukturentscheidungen die Hochschule bzw. die betroffene Einrichtung (z.B. die Fakultät, die das Lehrangebot in dem aufzulösenden Studiengang sicherstellt) anzuhören.[71] Da es sich um belastende Verwaltungsentscheidungen handelt, folgt das Anhörungsrecht aus dem Gedanken des Art. 28 BayVwVfG. Da die Initiative zur Auflösung von Studiengängen oder gar Hochschuleinrichtungen in der Praxis in aller Regel von der Hochschule selbst ausgeht oder als Maßnahme der Rechtsaufsicht verfügt wird (bei der ohnehin anzuhören ist), hat auch insoweit das Anhörungsrecht vorwiegend theoretische Bedeutung.

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Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV garantiert ausdrücklich eine studentische Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung, soweit es um Angelegenheiten der Studenten geht. Dieses Mitwirkungsrecht bezieht sich nur auf Fragen des Studiums und damit zusammenhängende Bereiche (z.B. Stipendienwesen, Verwendung von Studiengebühren, Bibliotheksangelegenheiten sowie Errichtung und Betrieb von Selbsthilfeeinrichtungen). Nicht erfasst ist der Bereich der Forschung. Gemessen an der grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn Studierende auch in Fragen der Lehre und des Prüfungswesens sowie in Berufungsangelegenheiten zumindest angehört werden.[72] Ob Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV den Studierenden in diesen Bereichen einen Anspruch auf Beteiligung garantiert, ist jedoch zweifelhaft. Die Formulierung „ihre Angelegenheiten“ spricht dafür, dass ein solcher Anspruch höchstens besteht, soweit es um Fragen geht, die die Studierenden spezifisch, nicht nur als eine von mehreren Hochschulgruppen betreffen. In keinem Fall wird von Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV ein allgemein politisches Mandat von Studentenvertretungen garantiert.[73] Dies folgt bereits aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 138 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BV. Eine bestimmte Form der studentischen Mitwirkung (etwa durch verfasste Studierendenschaften) garantiert Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV ebenfalls nicht,[74] die Mitwirkung muss aber effektiv sein. Die generelle Beschränkung auf Anhörungsrechte wäre daher unzulässig. Grundrechtsdogmatisch gesehen ist Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV ebenfalls eine Einrichtungsgarantie.

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