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bb) Verhältnis des Art. 138 Abs. 2 BV zu Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG

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Nach Art. 31 GG verdrängt Bundesrecht Landesrecht, d.h. soweit Landesrecht dem Bundesrecht widerspricht, ist es im konkreten Konfliktfall nicht anwendbar. Demgegenüber bestimmt Art. 142 GG, dass ungeachtet des Art. 31 GG landesverfassungsrechtliche Regelungen in Kraft bleiben, soweit sie in Übereinstimmung mit Art. 1 bis 18 GG Grundrechte gewähren.

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Die Gewährleistung der akademischen Selbstverwaltung in Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV kann zumindest ihrem materiellen Gehalt nach als grundrechtliche Bestimmung angesehen werden. Dies spricht dafür, auf sie vorrangig Art. 142 GG anzuwenden. Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV befindet sich auch inhaltlich in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG[75]. Das BVerfG hat zwar, wie dargelegt, festgestellt, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht zur Hochschulorganisation nach dem Selbstverwaltungsmodell zwingt. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass es den Ländern verwehrt wäre, die akademische Selbstverwaltung in ihren Verfassungen zu verankern. Die individuelle Wissenschaftsfreiheit wird dadurch nicht eingeschränkt. Zum einen hat die Grundrechtsposition der Hochschulen generell und damit auch die akademische Selbstverwaltung im Verhältnis zur individuellen Wissenschaftsfreiheit nur eine dienende Funktion (s.u. Rn. 164 ff.). Freie Forschung und Lehre sind zum anderen in einer Hochschule mit Selbstverwaltungsrecht wohl sogar leichter ausübbar als in einer Hochschule ohne ein solches Recht.

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Selbst wenn man dem wegen der systematischen Stellung des Art. 138 BV außerhalb des Grundrechtsteils der Bayerischen Verfassung nicht folgen und stattdessen auf Art. 31 GG abstellen will, ergibt sich nichts anderes. Art. 31 GG setzt ebenfalls einen Normwiderspruch voraus, der zwischen Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV und Art. 5 Abs. 3 GG jedoch wie gezeigt, nicht vorliegt. Ebenso wenig lässt sich ein solcher Widerspruch im Verhältnis zwischen einfachem Bundesrecht und Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV begründen. Mit der im Zuge der Föderalismusreform 2006 geplanten (bisher aber nicht umgesetzten) Abschaffung des HRG würde auf Bundesebene zwar keine Norm mehr existieren, die (wie § 58 Abs. 1 S. 3 HRG), den Hochschulen ein Selbstverwaltungsrecht explizit zuerkennt. Dem Bundesrecht lässt sich aber auch dann nicht entnehmen, dass ein solches Recht ausgeschlossen sein soll.[76]

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Fraglich ist, in welchem Umfang Beschränkungen der individuellen Wissenschaftsfreiheit, die der Ausgestaltung der akademischen Selbstverwaltung dienen, verfassungsrechtlich zulässig sind. Auf der landesverfassungsrechtlichen Ebene ist die Zulässigkeit relativ unproblematisch: Zwar ist das Grundrecht aus Art. 108 BV mangels geschriebener Grundrechtsschranken nur durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar. Solches kollidierende Verfassungsrecht findet sich jedoch in Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV. Problematischer ist insoweit das Verhältnis zwischen Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV und (dem wie Art. 108 BV vorbehaltlosen) Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Folgt man dem BVerfG darin, dass sich eine Garantie der akademischen Selbstverwaltung dem Grundgesetz nicht entnehmen lässt, stellt sich die Frage, ob ein vorbehaltloses Grundrecht des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) gestützt auf eine Bestimmung der Landesverfassung (Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV) beschränkt werden kann. Im vorliegenden Fall ist dies zu bejahen: Das BVerfG hat anerkannt, dass der Hochschulgesetzgeber die Organisation der Hochschulen nach dem Selbstverwaltungsmodell ausgestalten darf.[77] Das Gericht sieht also offenbar Regelungen, die der Ausgestaltung der akademischen Selbstverwaltung dienen, als verfassungsrechtlich zulässig an. Begründen lässt sich dies entweder damit, dass solche Regelungen schon keine Grundrechtsbeschränkungen darstellen (z.B. weil die Mitglieder der Hochschule in sie eingewilligt haben)[78] oder damit, dass es sich um verfassungsgemäße Beschränkungen handelt. Es erscheint jedoch konstruiert, eine Einwilligung der Hochschulmitglieder bezogen auf alle gegenwärtigen und künftigen Regelungen der Selbstverwaltung durch den Gesetzgeber anzunehmen. Daher muss es sich um gerechtfertigte Beschränkungen handelt. Der Hochschulgesetzgeber darf, obwohl die Wissenschaftsfreiheit vorbehaltlos garantiert ist, also die akademische Selbstverwaltung ausgestalten. Hochschulgesetzgeber ist jedoch (und war auch als es die Rahmenkompetenz des Bundes nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG noch gab) in erster Linie der Landesgesetzgeber. Somit muss es auch dem Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich erlaubt sein, die akademische Selbstverwaltung zu regeln, ohne dass dem Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG entgegenstünde.

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