Читать книгу Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens - Josef Frey - Страница 25
Оглавление19. Pilgertag, Mittwoch, 06.05.2015
Gisigen–Lungern: 28 km, Gesamt: 371 km
Sehr früh bin ich wach und kann mein Gepäck wieder sorgfältig zusammenlegen. Diana hat mir schon das Frühstück im Gartenhaus gerichtet. Ich kann mich gleich bedienen.
Zeitig breche ich auf. Es ist noch etwas regnerisch, aber trotzdem angenehm zu gehen. Bald komme ich am Haus Bethanien vorbei und treffe mancherlei Menschen, welche schlafwandlerisch durch die Gegend geistern. Offensichtlich die Auswirkungen der Exerzitien. Ich versuche, zu grüßen. Erhalte aber nur verklärte Blicke zurück …
Der nächste Ort ist Ranft. Ich habe jetzt schon des Öfteren Schilder gesehen, auf denen ein „Klausen-Weg“ angezeigt war, konnte aber nichts damit anfangen. Nun bin ich am Ort des Geschehens angelangt. An den zwei Pilgerkapellen mit der Zelle des Einsiedlers Bruder Klaus (1417–1487), in welcher er die letzten 20 Jahre seines Lebens unweit seiner Familie, nur Gott gewidmet, gelebt hat.
Im kleinen Souvenirgeschäft, welches von den Dominikanerinnen aus dem Haus Bethanien betrieben wird, will ich eine Kerze kaufen. Die kann man aber nicht so einfach in die Kapelle stellen, lasse ich mir erklären. Also kaufe ich gleich 5 Kerzen. Das ist ein gesamter Kerzenständer voll. Diese Kerzen werden am nächsten Tag mit einem Gebet und meinen fünf Widmungen von der Dominikanerin in der Pilgerkapelle angezündet. Beim Bezahlen wird mir bewusst, dass ich auf so einer Pilgerwoche ein kleines Vermögen für Kerzen ausgebe. Aber die Erfahrung zeigt, dass die Rendite dieser Geldanlage unermesslich ist, um es mal als sachlicher Banker auszudrücken.
Im Anbau der Kapelle ist die Zelle von Bruder Klaus.
Die Pilgerkapelle mit Kerzenständer.
Sarnersee
Nach diesen besinnlichen und nachdenklichen Momenten, welchen man als Pilger mit besonderer Aufmerksamkeit begegnet, geht es nun fünfhundert Meter steil bergauf nach Flüeli, dem Heimatort von Bruder Klaus, dem Schweizer Nationalheiligen. Sein bürgerlicher Name war Klaus von der Flüe.
Dieser Ort ist offensichtlich Wallfahrts- und Ausflugsort der ganzen Schweiz, Europa und der Welt. Aber trotzdem schön, gepflegt und gemütlich. In einem kleinen Kiosk lasse ich mir an der Kaffeebar einen Cappuccino servieren. Der tut richtig gut. Meinen Regenponcho benötige ich nicht mehr, den kann ich gleich im Rucksack verstauen.
Bruder Klaus
Danach führt mich mein Weg entlang eines kleinen Waldes und Wiesen wieder leicht bergab an den Sarnersee nach Sachseln, dem Verwaltungssitz von Flüeli-Ranft. Hier befinden sich in der Pfarrkirche unter dem Altar in einem silbernen Sarkophag die Gebeine von Bruder Klaus. Sieht aus, als ob man ihn in einem Regal abgelegt hätte. Entschuldigung, ist nicht böse gemeint, aber so ist meine Empfindung.
Nach dem Besuch der Kirche führt mich mein Weg endgültig zum Sarnersee. Dieser ist mit Wasser bis zum Rand gefüllt. Und auch noch darüber hinaus. Manche Liegewiese ist nur noch unter dem Wasserspiegel zu vermuten. So ergibt sich manche Situation, welche zum Schmunzeln einlädt. Wobei man bedenken muss, dass es hier 1997 sintflutartige Regenfälle gab, welche in Sachseln innerhalb von zwei Stunden schwerste Zerstörungen und Schäden von 120 Mio. CHF anrichteten. Der See ist wie ein Trichter, in welchem der Regen von all den Bergen ringsum landet.
Vom Sarnersee möchte ich noch weiter zum Lungerersee. Dazwischen liegt das kleine freundliche Städtchen Giswil. Hier finde ich ein gemütliches Café mit Terrasse. Einen großen Cappuccino, ein Stück Kuchen und eine kühle Cola wecken wieder alle Lebensgeister in mir.
Der Lungerer See liegt ca. 220 Höhenmeter über dem Sarner See, und der Weg hinauf ist so richtig unangenehm. Schwitzend und außer Atem komme ich oben an und habe einen wunderbaren Blick hinunter nach Giswil und den Sarnersee. In Kaiserstuhl entscheide ich mich, offensichtlich im Glauben, eine etwas kürzere Variante zu nehmen, auf die falsche Seeseite nach Lungern und wähle damit eine wahrhaftige Achterbahn mit enormen Steigungen.
Kirche Lungern
So komm ich gleich so richtig ins Schwitzen – mehr als mir lieb ist. Und auch mein Magen spielt verrückt, mir ist übel, und ich bekomme Kopfweh. Ich glaube, da hat mir die Sonne übel mitgespielt, oder ich war mit der Verpflegung nicht sorgfältig genug.
Einen kleinen Abstecher mache ich noch zur Kirche. Ein wunderbarer Bau mit großer Ähnlichkeit zur Muttergottes-Basilika in Lourdes. Danach erhalte ich im Haus St. Josef gleich ein wunderbares Zimmer, kann ausgiebig duschen und etwas ausruhen. Aber auch nach einer kleinen Siesta geht es mir nicht so besonders gut. Ich fühle mich überhaupt nicht wohl. Ein kleiner Spaziergang um das Haus, zu mehr bin ich nicht mehr in der Lage.
Glücklicherweise gibt es gleich um die Ecke gegenüber dem Bahnhof ein nettes Lokal. Und wie sich herausstellt, ist es auch gut und günstig. Ich bestelle mir eine große Terrine Suppe und eine Kanne Tee. So bin ich zwar gesättigt, aber mein Magen und mein Kopf fühlen sich nicht so an, wie es sein sollte. Selbst die Übertragung eines Fußballspiels vom FC Bayern in der CL findet bei mir keinen Gefallen. Das bedeutet höchstes Warnsignal. Auch in der Nacht kann ich kaum schlafen. Deshalb fasse ich den Entschluss, gleich morgen früh die Heimreise anzutreten.
Ein Ruhetag würde sich angesichts nur noch einer geplanten Etappe nicht mehr lohnen. Und hier habe ich durch den Bahnhof eine gute Anbindung nach Hause und später wieder zur Anreise.