Читать книгу Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens - Josef Frey - Страница 32
Оглавление26. Pilgertag, Donnerstag, 05.05.2016
Moudon–Lausanne: 31 km, Gesamt: 563 km
Ein gutes Frühstück ist die Grundlage für einen guten Tag. Das hat irgendein ganz gescheiter Mensch einmal gesagt, und er hat mit dieser Behauptung recht gehabt. Meine heutige Etappe soll mich eigentlich nur in die Nähe vom Genfersee bringen. Epalinges ist mein gedachtes Ziel. Am Ende bin ich direkt am See in Lausanne und habe mit 31 km meine bisher höchste Tagesleistung auf meinem Pilgerweg erbracht.
Die Luft ist kalt, aber in der Sonne erträglich. Mein Knie hat sich über Nacht gut erholt, und freudig marschiere ich los. An einer Wegegabelung treffe ich einen Pilger aus dem Mittelalter. Zumindest könnte man das meinen. Er hat einen Umhang und einen Schlapphut auf, wie auf alten Bilddokumenten. Statt eines
Pilgerkapelle
Rucksacks hat er nur einen Beutel über die Schulter gehängt, und in der Hand hält er einen halben Baumstamm als Pilgerstab. Auf Sandaletten huscht er förmlich mit einem Grinsen an mir vorüber. Das geht so schnell, dass ich nicht mal an ein Foto denken kann, geschweige daran, eins zu machen.
Nach Vucherens steht eine schöne kleine Kapelle. Die sieht genauso aus wie ein kleines Miniaturhäuschen in meiner Modelleisenbahn, die ich in meiner Jugend immer aufgebaut habe. Neben einigen besinnlichen Momenten erfreue ich mich auch an einem Pilgerstempel für mein Credencial. Nachdem ich von meinen Pilgerfreunden Hannes und Lorenz heute noch nichts gesehen hab, bringe ich neben der Tür noch eine kurze Nachricht für die beiden an, falls sie vorbeikommen. Ich wünsche ihnen noch einen guten Weg.
Panorama
Es ist immer noch frisch, aber trocken. Schöne Wanderwege führen mich durch eine voralpine Landschaft stetig nach oben. Gegen 10.00 Uhr gibt es einen steilen Anstieg durch einen feuchtkalten, dunklen Tann. Oben angekommen, trete ich aus dem dunklen Wald heraus und stehe plötzlich von der warmen Sonne angestrahlt vor einem gelben, leuchtenden Rapsfeld und genieße ein einmaliges Alpenpanorama.
Ich bin der festen Überzeugung, dies ist an Christi Himmelfahrt ein persönliches Vatertagsgeschenk des Himmels an seinen Pilger Sepp. Voller Demut genieße ich diesen einzigartigen Moment und nehme dieses Meisterwerk unserer Schöpfung mit allen Sinnen dankbar auf.
An einem Golfplatz vorbei erinnert mich meine innere Uhr wieder an meine tägliche Bouillon. Hier an diesem noblen Golfer-Restaurant gefällt es mir jedoch nicht, und ich gehe weiter. Da entdecke ich einen gemütlichen Restaurantgarten, welcher offensichtlich zu einem Campingplatz gehört. Das ist gut! Und noch besser, ich kann es kaum glauben, Hannes und Lorenz sitzen schon gemütlich an einem Tisch und machen mir bereits einen Platz frei. Es gibt zwar keine Bouillon, aber dafür eine exzellente Tomatensuppe.
Lorenz hat Fußprobleme und wird mit dem Bus nach Lausanne fahren. Hannes und ich gehen zusammen weiter. Der gemeinsame Weg ist geprägt von einem angenehmen und vertrauensvollen Gespräch. Wir stellen viele Gemeinsamkeiten in unserer Vita fest und haben mit der Musik auch ein gemeinsames Hobby. Von seiner Frau bekommt er jedes Jahr eine Pilgerauszeit, denn es gehört schon ein starkes Vertrauensverhältnis dazu, alleine mit Rucksack loszuziehen. Dieses Jahr hat er seinen Freund Lorenz im Schlepptau.
In Epalinges trennen sich unsere Wege wieder, weil er nach Lausanne weitergeht und ich nach dem Besuch der kleinen Kapelle am Ortseingang nach einem Quartier Ausschau halte. Doch es kommt anders. Irgendwie verlaufe ich mich an einer großen Kreuzung und halte mich deshalb nur noch bergab Richtung See, egal welchen Weg ich vor mir sehe. Und die sind zum Teil recht abenteuerlich. Aber irgendwann sehe ich irgendwo die Türme der Kathedrale von Lausanne. Und irgendwie stehe ich plötzlich davor und genieße das Treiben der Touristen um mich herum. Und plötzlich, es ist kaum zu glauben, kommen Hannes und Lorenz um die Ecke. Das ist ein Hallo, wie sich unsere Wege immer wieder kreuzen.
Wir besichtigen die Kathedrale von innen, und ich stelle erfreut fest, dass es neben christlichen Informationen über diesen Prachtbau auch eine Zimmervermittlung für Touristen und Pilger sowie einen Pilgerstempel gibt. Und das alles an einem kleinen Infostand in der Kathedrale. Erstaunlich. Das nennt man Geschäftstüchtigkeit. Und einen Stadtplan bekomme ich gratis dazu.
Nun trennen sich unsere Wege. Meine zwei Pilgerfreunde gehen zu ihrem bereits vorbestellten Quartier, und ich mache mich auf den Weg zur empfohlenen Herberge. Dort treffe ich aber niemand an. Alles verschlossen und kein Lebenszeichen. So gehe ich auf Zimmersuche wie Anno Domini mein Namensvetter mit seiner Maria. Am Bahnhof im Hotel Gare werde ich fündig. Und wenn ich es bis jetzt nicht wusste – jetzt weiß ich es: Die Schweiz ist teuer! Unverschämt teuer! Aber das Zimmer ist dafür auch schön, neu und gut ausgestattet. Ich kann mir sogar im Zimmer Tee aufsetzen und Kaffee machen.
Nach einer kurzen Ruhepause gehe ich dann essen. Ich finde ein gemütliches Steakrestaurant. Auf die paar Franken kommt es jetzt auch nicht mehr an. Ich genehmige mir deshalb ein wunderbares Beefsteak zum Abendessen. Vorzüglich angerichtet und mit edlen Beilagen. Und nach dem Essen genieße ich noch ein zweites, gemütliches, wunderbar eingeschenktes Glas Bier.
Und wie ich die Menschen hier so beobachte, stelle ich zu meinem Erstaunen immer wieder fest, dass in der Schweiz wesentlich mehr Menschen mit Migrationshintergrund sind, als ich bisher dachte. Und erstaunlicherweise sind diese in Sprache und Lebensweise offensichtlich besser integriert als bei uns in Deutschland. Offensichtlich könnten wir da noch etwas abschauen und dazulernen. Aber das ist natürlich nur eine unbedeutende Beobachtung am Rande meines Pilgerweges …