Читать книгу Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens - Josef Frey - Страница 34
ОглавлениеFuge 2017
Mein Pilgerweg sollte mich dieses Jahr ab dem 28. April von Morges am Genfersee bis Le Puy in Frankreich führen. Dazu habe ich drei Wochen Urlaub genommen und mich voller Vorfreude darauf vorbereitet.
Aber es hat nicht sollen sein. Bereits in der Vorbereitung wurde ich durch manche Unsäglichkeiten des Lebens aufgehalten, dann musste ich den Abreisetag von Donnerstag auf Sonntag verschieben, und zuletzt hab ich mich bereits während der Anreise im Zug aus mir unerklärlichen Gründen verletzt und konnte nicht mehr gehen.
Mit schmerzhaftem Fuß muss ich bereits vierzig Minuten nach der Ankunft am Genfersee wieder in den Zug Richtung Heimat einsteigen. Und am Spätnachmittag war ich bereits im heimatlichen Krankenhaus zur Untersuchung. Nach zehn Tagen fühle ich mich wieder so weit fit, dass ich wenigstens für zwei Tage mit Rucksack auf Pilgertour gehen will. Das brauche ich einfach, um meine Unzufriedenheit über die missliche Lage aus dem Kopf zu verbannen.
Also packe ich meinen Rucksack für zwei Tage und merke dabei, dass ich bis auf das Schnellwaschmittel aus der Tube nicht weniger benötige als bei der geplanten dreiwöchigen Tour. Der Rucksack wiegt genauso viel.
Mit dem Zug fahre ich am 14. Mai nach Giengen und gehe zwei Etappen auf dem Nürnberger Jakobsweg über Nerenstetten in meine alte Heimat Oberelchingen. Wunderbares Wetter erwartet mich, und beim Anstieg von Giengen auf die Albhochfläche komme ich gleich ins Schwitzen. Als Belohnung erwartet mich jedoch ein neu angelegter Rastplatz, auf dem ich mich gleich niederlasse und ein Rucksackvesper genieße.
Da kommt plötzlich ein Wandersmann mit Pilgerstab daher und fragt „Wanderer oder Pilger?“. Auf meine Antwort „Pilger“ legt er seinen Rucksack für eine kleine Pause ab. Es ist ein angenehmer Zeitgenosse. Raffael heißt er und kommt aus Marktredwitz. Geboren in Spanien, aber seit über 50 Jahren in Franken. Er ist vor über zwei Wochen zu Hause gestartet und möchte den Weg bis nach Santiago „ganz“ gehen. Er ist bereits den Camino del Norte, den Camino Francés und den spanischen Weg von Sevilla nach Santiago jeweils „ganz“ gegangen. Die Pyrenäen hat er vom Mittelmeer bis zum Atlantik der Länge nach „ganz“ durchwandert. Wir treffen uns über den Tag noch des Öfteren, und abends haben wir auch das gleiche Nachtquartier im „Adler“ in Nerenstetten.
Wir verabschieden uns mit einem freudigen „Buen Camino“.
Die Strecke durch das Lonetal und über die angrenzenden Höhenzüge der Schwäbischen Alb ist wunderschön zu pilgern. Die Steigungen sind kurz, und es geht immer sehr gemächlich nach oben. Ich genieße die Sonne und bin zufrieden.
In Hürben treffe ich den spanisch-fränkischen Pilgerfreund wieder, und wir gehen gemeinsam ein Stück entlang des „Jakobswegle“. Hier werden um den Kagberg auf einer Länge von 2,5 km der Jakobsweg und seine Besonderheiten beschrieben. Sozusagen Pilgern im Maßstab 1 : 1000.
Bei der Charlottenhöhle mache ich am Kiosk des Infohauses eine Kaffeepause. Über die Lone gehe ich leichtsinnigerweise über ein paar Wackersteine. Die sind so glitschig, dass ich danach gleich ein Dankgebet nach oben schicke, dass ich nicht in der Lone gelandet bin. Verdient hätte ich es gehabt.
Die angekündigten Regenwolken lassen Gott sei Dank auf sich warten. So kann ich auch meine Mittagspause in Lindenau im Biergarten bei einer wunderbaren schwäbischen Hochzeitssuppe genießen. Auch hier habe ich wieder kurz Gesellschaft von Raffael und erfahre viel von seinen bisherigen Pilgertouren.
Kurz vor Setzingen ist es dann doch so weit. Ich muss die Dienste meines Regenponchos bemühen. Ein Gewitter zieht noch lautstark in angemessener Entfernung an mir vorbei. Die folgenden Regenwolken haben jedoch offensichtlich auf mich gewartet, um mir einen göttlichen Segen von oben zu verabreichen.
Um ca. 15.15 Uhr erreiche ich mein Quartier in Nerenstetten. Raffael sitzt schon in der Wirtsstube. Da geselle ich mich gleich mit einem Glas Radler zu ihm, bevor ich mich auf mein einfaches, aber sauberes und gemütliches Zimmer zu einer kleinen Siesta zurückziehe.
Abends treffen wir uns wieder bei einem wunderbaren Abendessen zu Preisen, die ich schon lange nicht mehr auf einer Speisekarte gelesen habe. Das ist doch sehr angenehm auf so einer kleinen Tour.
Am zweiten Tag führt mich der Pilgerweg durch Wälder nach Osterstetten und von dort über Albeck entlang von Wiesen und Äckern in meine alte Heimat nach Oberelchingen. Schön, hier als Pilger anzukommen. Auf dem Weg zur Kirche, vorbei an meinem früheren Wohnhaus, treffe ich den Pfarrer bei einem Mittagsspaziergang. Er ruft mir schon von Weitem lachend entgegen, wo ich meine Harmonika habe. Wir begrüßen uns herzlich.
In der Kirche genieße ich ein paar ruhige, besinnliche Momente zur Stärkung der Seele, bevor ich mich in die Klosterbräustuben zur Stärkung meines Leibes begebe. Ein gutes Essen und ein kühles Glas Bier. Hier im Biergarten, von dem aus auch meine große Pilgertour ihren Anfang nahm, ist es gut sein.
Zwei schöne Pilgertage gehen zu Ende. Sie waren kein Ersatz für meinen geplanten Pilgerweg. Aber mit Sicherheit sind sie ein wichtiges Bindeglied für meinen weiteren Weg nach Santiago de Compostela. Durch diese zwei Tage habe ich meine Pilgerreise dieses Jahr nicht beendet, sondern gedanklich fortgeführt.
Ich freue mich schon, wenn im nächsten Mai dann auf meiner großen Tour wieder der Ruf erschallt:
„Buen Camino!“