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Die Hochzeit in Torgau
ОглавлениеDer Zarewitsch traf seine »Auserwählte«, Charlotte von Wolfenbüttel, im Winter 1710 und schrieb darüber an seinen Beichtvater: »Ich weiß also jetzt, dass er (Peter) mich nicht mit einer Russin verheiraten will, aber mit einer dieser Personen … Ich habe ihm geschrieben, dass, wenn es sein Wille ist, dass ich eine Fremde heiraten soll, ich diese Prinzessin heiraten werde, die ich gesehen habe und die mir gefällt und die eine gute Person ist und solcherart, dass ich keine bessere werde finden können. Ich flehe Sie an, für mich zu beten, wenn es der Wille Gottes ist, dass es so geschehe; wenn nicht, dass es verhindert werde, denn meine Hoffnung ist in ihm …«
Am 25. Februar 1711 erklärte Peter vor den im Kreml paradierenden Regimentern den »heiligen Krieg gegen die Feinde Christi« und brach mit einem Heer gegen den Sultan auf. Er rief alle Christen des Balkans auf, sich gegen ihre mohammedanischen Herrscher zu erheben, »damit die Nachkommen des Heiden Mohammed in ihr altes Gebiet, in den Sand und die Steppen Arabiens zurückgeworfen würden.« Bevor der eigentliche Feldzug begann, unterzeichnete er den Heiratsakt des Zarewitschs mit der Prinzessin Charlotte von Wolfenbüttel. Bei diesem Anlass erklärte er: »Ich will das Glück meines Sohnes nicht länger aufschieben … Er ist mein einziger Sohn und ich möchte das Vergnügen haben, bei seiner Hochzeit zugegen zu sein, am Ende des Feldzugs. Die Hochzeit wird in Braunschweig stattfinden.«
Am Prut, in Moldawien, wurde Peter von den Türken umzingelt und wäre beinahe in Gefangenschaft geraten. Er überließ dem Sultan alle seine früheren Eroberungen, um freien Abzug zu erhalten. Im Schloss von Torgau fand am 14. Oktober 1711 die Hochzeit seines Sohnes statt. Ein zeitgenössischer Chronist berichtet: »Ihre Große Majestät, der Zar, erteilte den Jungvermählten seinen väterlichen Segen auf eine überaus rührende Weise und geleitete sie selbst in ihr Schlafgemach.«
Diese politische Ehe mit einer deutschen Prinzessin, die nach Peters Plänen seinen Sohn für die westliche Lebensart gewinnen sollte, wurde ein völliger Fehlschlag. Der Zarewitsch vernachlässigte schon nach kurzer Zeit seine Gattin und begann ein öffentliches Verhältnis mit Euphrosine, einer finnischen Kriegsgefangenen, der er einen Flügel seines Hauses überließ. Zudem begann er zu trinken und seine Frau in betrunkenem Zustand vor dem Personal in derbster Weise zu beleidigen. Als er an Tuberkulose erkrankte, schickten ihn die Ärzte nach Karlsbad in die Kur. Mittlerweile brachte Charlotte eine Tochter zur Welt, aber Alexej reagierte mit keinem Wort auf die Nachricht, während der sechs Monate seiner Kur schickte er keinen einzigen Brief an seine junge Frau. Charlotte ertrug ihr Los still und resigniert. Peter machte seinem Sohn wütende Vorwürfe, aber ohne sichtbares Ergebnis. Nur widerwillig ging Alexej seinen ehelichen Pflichten nach, um den gewünschten Thronnachfolger zu bekommen. Im Oktober 1715 gebar die unglückliche Charlotte einen Sohn, den späteren Zaren Peter II., und starb wenige Tage später. Kurz darauf gebar auch Katharina dem Zaren einen Sohn.