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1.2 Bauordnungsrecht ist Sicherheitsrecht

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Das Bauordnungsrecht regelt, welche formellen und materiellen Bestimmungen bei der Errichtung baulicher Anlagen einzuhalten sind. Durch das Bauordnungsrecht sollen die von einem Gebäude ausgehenden möglichen Nachteile und Gefahren vermieden oder gemindert werden. Solche Gefahren können verschiedenster Art sein: das Gebäude ist feucht, schlecht belichtet oder beleuchtet, die Lüftung kann unzureichend sein, Schall- oder Wärmeschutz genügen nicht, Müll und Abwässer gefährden die Umgebung oder das Grundwasser. Diese Aufzählung ist beispielhaft und ließe sich beliebig erweitern. Allen diesen Nachteilen und Gefahren haftet die Eigenschaft an, dass sie erst im Laufe eines längeren Zeitraumes zu einer schädigenden Wirkung führen und dass Nachbesserungen möglich sind.

[15]Tabelle 1: Brandgefahren [zurück]

Energieform Feuer > 200°C Brandparallelerscheinung Rauch
Gefahr für den Menschen
Verbrennungen 1., 2. oder 3. Grades Verbrühung Verletzungen durch Explosion und Einsturz Vergiftung (CO, HCN, NOx, PCB) Ersticken durch Sauerstoffmangel Verätzung (HCl), Sichttrübung Verletzungen durch Sturz oder Panikhandlungen (Springen)
Gefahr für Sachwerte
Erweichen (Thermoplaste) Schmelzen (Metalle), Ausdehnung Zerspringen (Glas, Faserzement, Beton) Auflösung des Kristallgefüges (Gips) Bräunung, Versengen, Verbrennen aller organischen Stoffe (kohlenstoff- u. wasserstoffhaltige Stoffe) Rauchgeruch (Textilien, Lebensmittel) Verschmutzen aller Oberflächen durch Ruß, Aerosole Korrosion, Chloridschäden (HCl)
Gefahr für die Umwelt
Thermik (Verbreitung der Schadstoffe) Luftverschmutzung durch Schadstoffe, CO2-Bildung, Löschmittel CO2
Gefährdung des Grund- und Oberflächenwassers durch verunreinigtes Löschwasser oder durch Löschmittel.

Anmerkung: Die willkürliche gewählte Temperaturgrenze von 200 °C bildet den Unterschied zwischen »kaltem Rauch« und »Feuer«. So werden z. B. Rauchschutztüren nach DIN 18095 mit einer Temperatur von 200 °C auf ihre Leckrate geprüft. Höhere Temperaturen bergen bereits die Gefahr einer Entzündung von organischen Stoffen, deren Zündtemperatur bei 300° bis 350 °C liegt.

Zwei Gefahren jedoch unterscheiden sich davon grundsätzlich:

 mangelnde Standsicherheit und

 mangelnde Brandsicherheit (Tabelle 1).

Beispiel für mangelnde Standsicherheit: Decke stürzt auf Supermarkt-Kunden

Jülich (dpa) – Durch eine herabstürzende Decke sind in einem Supermarkt im rheinländischen Jülich vier Kunden schwer und drei weitere leicht verletzt worden. Nach Angaben der Polizei löste sich plötzlich das etwa 40 Quadratmeter große Deckenteil und begrub die an einer Fleischtheke wartenden Menschen unter sich.

[16]Stürzt ein Gebäude ganz oder teilweise ein oder kommt es im Gebäude oder in seiner Nachbarschaft zu einem Brand, so werden diese Gefahren akut wirksam. Sie treten plötzlich auf, der Mensch kann sich ihnen nicht entziehen, er kann in diesem Moment auch nichts mehr am Gebäude »nachbessern«. Natürlich kann nachgebessert werden, aber erst nachdem der Schaden eingetreten ist. Der Vorbeugung vor diesen beiden Gefahren kommt daher aus öffentlich-rechtlicher Sicht die größte Bedeutung zu.

Die Standsicherheit – zu der sinngemäß auch die sichere Begehbarkeit eines Gebäudes gehört – wird durch Prüfung der Festigkeitsrechnung, der so genannten Baustatik, durch die Verwendung von CE-gekennzeichneten bzw. zugelassenen Bauprodukten und Bauarten mit entsprechenden Bauartgenehmigungen, und durch die Beachtung der »allgemein anerkannten Regeln der Baukunst« gewährleistet.

Die Brandsicherheit wird erreicht, wenn das Gebäude nach den Regeln des Vorbeugenden Brandschutzes erstellt wird.

Zweifellos hat das Bauordnungsrecht als Sicherheitsrecht in erster Linie den Personenschutz, d. h. den Schutz von Leben und Gesundheit der Personen sicher[17]zustellen, die sich in einer baulichen Anlage aufhalten oder im Einsatz tätig werden müssen.

Ob der Sachgüterschutz, d. h. der Schutz von Eigentum und Besitz eine primäre Forderung des Bauordnungsrechts ist, oder durch die Maßnahmen des Personenschutzes sozusagen nebenher anfällt, ist umstritten, aber für die folgenden Betrachtungen unerheblich. Auch die Gefahren für die Umwelt durch Brand werden durch die geforderten Maßnahmen automatisch auf den überhaupt erreichbaren Umfang reduziert. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch, dass die Schäden durch fehlende Standsicherheit und den Brandschutz nicht zu vergleichen sind und von der Bauaufsicht auch nicht gleichbehandelt werden.


Bild 1: Die baurechtlichen Verbesserungen im letzten Jahrhundert, insbesondere die Forderung nach einem zweiten Rettungsweg in den 1960er-Jahren, zeigen nachhaltige Wirkung bei den Brandopferzahlen. Aber auch andere Belange, wie der verbesserte abwehrende Brandschutz oder die Umstellung der Gebäudeheizungen zeigen eine positive Wirkung. Nun daraus zu schließen, dass Brandschutzmaßnahmen übertrieben oder überflüssig sind, führte deren Wirkung ad absurdum. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 12 Reihe 4 »Todesursachen in Deutschland«)

Durch mangelnde Standsicherheit dürfen keine Personenschäden auftreten; dies würde auch politisch nicht toleriert. Im § 12 Musterbauordnung (MBO) heißt es: »Jede bauliche Anlage muss im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein. […]«

Brände hingegen verursachen jährlich ca. 350 – 400 Tote und rund 20.000 Verletzte. Der Grund dafür ist, dass Brände – und somit auch Personenschäden – nicht sicher verhindert werden können. Würde das Baurecht fordern, dass durch Brände keine Personen zu Schaden kommen dürfen, wäre ein Bauen nicht mehr möglich. In § 14 MBO wird deshalb lediglich gefordert, dass »der Entstehung eines Brandes […] vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren […] möglich sind.«

Der Gesetzgeber hat dazu im Baurecht ein Brandschutzkonzept hinterlegt. Die Brandschutzanforderungen dieses Konzeptes bestehen aus den Einzelvorschriften der Bauordnung, der dazugehörigen Vorschriften (Verordnungen) und der eingeführten technischen Baubestimmungen. Diese Vorschriften sind aufeinander abgestimmt, nach fünf Gebäudeklassen gestaffelt und werden für Sonderbauten ggf. durch Einzelfallentscheidungen der Bauaufsicht ergänzt.

Hält sich der Bauherr an dieses Brandschutzkonzept, hat er das Recht auf die Erteilung einer Baugenehmigung. Der Bauherr kann von diesem Brandschutzkonzept aber auch abweichen; die Abweichung muss jedoch von der Bauaufsichtsbehörde auf die Einhaltung der Schutzziele kontrolliert und genehmigt werden.

Vorbeugender baulicher Brandschutz

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