Читать книгу ...denn ihrer ist das Himmelreich - Jost Müller-Bohn - Страница 25
20.
Januar
Оглавление„Du hast die Durstigen nicht getränkt mit Wasser und hast dem Hungrigen dein Brot versagt.“
Hiob 22,7
Hunger tut weh, sehr weh! Als ich ein kleiner Junge war, las die Mutti mir etwas aus einem Buch vor. Dieses Buch hieß: „Peter geht auf Hamsterfahrt.“ „Was ist denn eine Hamsterfahrt?“ fragte ich. „Ja“, sagte die Mutti, „Hamsterfahrten gab es nach dem ersten großen Weltkrieg. Die Menschen in der Stadt hatten nichts zu essen, darum fuhren sie in die Dörfer zu den Bauern und tauschten allerlei Sachen gegen Lebensmittel ein. Die Menschen hatten wohl Geld, konnten sich aber dafür in den Geschäften nichts kaufen.“
Könnt ihr das verstehen? - Nein? Ich habe es auch nicht verstanden, darum fragte ich: „Warum konnten die Menschen nichts kaufen? Wir bekommen doch alles für unser Geld.“ „Es gibt Zeiten“, antwortete die Mutter, „da haben die Geschäfte nichts zu verkaufen da. Wenn man dann nicht vor Hunger sterben will, muss man Hamstern fahren, das heißt betteln gehen, von Tür zu Tür und die Bauern fragen: „Haben Sie vielleicht etwas Brot, Fleisch, Käse oder Kartoffeln?“ „Das verstehe ich nicht“, habe ich gesagt. Meine Mutter erwiderte: „Als ich so klein war wie du jetzt, habe ich es auch nicht begreifen können, was Hunger leiden heißt. Erst als ich es dann nach dem Krieg selbst miterlebte, begriff ich es. Hoffentlich lernst du es nie kennen.“ Dann kam ein zweiter, großer Weltkrieg und danach gab es noch weniger zu essen. Die Menschen haben Kartoffelschalen gekocht und gegessen. Sie waren froh, irgendetwas zu bekommen, um ihren Magen zu füllen. So bin ich dann auch im strengen Winter, als es sehr, sehr kalt war, mit der Eisenbahn weit fort gefahren, um bei den Bauern Kartoffeln oder Korn zu erbetteln. Einmal wankte ich durch den scharfen Ostwind in ein Bauerngehöft. Der große Kettenhund bellte ganz grässlich und ich hatte große Angst, aber der Hunger war stärker. Zitternd kam ich in den Hausflur. Als ich endlich in die Küche hineingelassen wurde, war mir schon ganz schwindlig vor Hunger. Der Bauer kam und brachte den Hund mit. Der legte sich unter den Tisch. Jetzt holte der Bauer ein großes, frisches Brot, hm…, wie das duftete. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Dann schnitt der Bauer eine Scheibe Brot ab und bestrich sie mit Schmalz. Ich freute mich schon, endlich, endlich etwas zu essen zu bekommen. Dann schnitt der Bauer das Brot in kleine Stücke. Ich dachte: „Das braucht er doch gar nicht zu tun, ich habe ja noch gute Zähne, um zu kauen.“ Und dann passierte etwas Furchtbares. Der Bauer nahm das Brot und warf ein Brotstückchen nach dem anderen zu dem Hund hinunter unter den Tisch und sagte ganz höhnisch zu mir: „Komisch, der Hund frisst kein trockenes Brot, nur wenn Schmalz darauf gestrichen ist.“ Ich fing beinahe an zu weinen, denn der Bauer gab mir nicht ein Stückchen Brot, er schmiss alles dem Hund zu. „Ach“, dachte ich, „könntest du doch nur ein Hund sein und unter dem Tisch liegen und das schöne, schöne Brot essen.“ Ja, so kann es gehen. Gott wird diesen Bauer einst im Himmel fragen: „Warum hast du dem Jungen, der solch einen mächtigen Hunger hatte, nicht ein Stückchen Brot gegeben, du hartherziger Mann?“ Hoffentlich hat der Bauer noch über seine Sünde Buße getan und Vergebung bekommen.
Nun wollen wir beten: Lieber Gott, wir wollen durch deine Gnade ein barmherziges Herz haben und allen Menschen, die irgendwo Hunger haben, etwas zu essen geben. Hilf du uns dabei. Amen.