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3. Verhältnis zu anderen Tatbeständen

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Neben den §§ 223 ff. StGB gibt es weitere Straftatbestände im StGB sowie im Nebenstrafrecht, die – ggf. neben anderen Rechtsgütern – auch die körperliche Integrität schützen (s. schon Rn. 3 oben). So stellen zahlreiche Normen den Einsatz körperlicher Gewalt unter Strafe, wie etwa der Raub in § 249 StGB, der eine Körperverletzung beinhalten kann, jedoch nicht muss. Soweit diese Tatbestände nicht auf den Körperverletzungserfolg abstellen, sondern Unrecht in anderer Form erfassen, oder umgekehrt Körperverletzungen in spezifischer Weise pönalisieren, bereitet die Abgrenzung zu den §§ 223 ff. StGB in der Regel keine Probleme, sondern erfolgt nach den allgemeinen Regeln. Der vollendete Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) umfasst beispielsweise regelmäßig die vorsätzliche Körperverletzung sowie § 227 StGB und steht somit nicht in Tateinheit mit den Körperverletzungsdelikten.[219] Eine vollendete Körperverletzung mit Todesfolge steht allerdings dann in Tateinheit mit dem § 251 StGB, wenn das Grunddelikt lediglich versucht, die schwere Folge aber eingetreten ist (versuchter Raub mit Todesfolge).[220]

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Etwas komplexer ist das Verhältnis der §§ 223 ff. StGB zu den Tötungsdelikten (vgl. dazu → BT Bd. 4: Wolfgang Mitsch, Tötungsdelikte, § 1). Lange Zeit bestand zum einen Uneinigkeit über die Frage, ob der Tötungsvorsatz auch einen Körperverletzungsvorsatz enthalte. Heute ist weitgehend geklärt, dass eine vorsätzliche Tötung auch notwendig eine vorsätzliche Körperverletzung als „Durchgangsdelikt“ enthält.[221] Lediglich bei dem sog. Giftmord steht diese Annahme infrage.[222] Zum anderen erweist sich auch das Konkurrenzverhältnis als problematisch. Ist sowohl das Tötungs- als auch das Körperverletzungsdelikt vollendet und trat der Körperverletzungserfolg unmittelbar und in zeitlicher Nähe vor dem Tötungserfolg ein, so lässt die h.M. das Körperverletzungsdelikt im Wege der Subsidiarität hinter dem Tötungsdelikt zurücktreten.[223] Dies gilt für den Grundtatbestand ebenso wie für die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) und im Grundsatz auch für die schwere Körperverletzung (§ 226 StGB).[224] Anders sind nur Fälle zur beurteilen, in denen der Tötungserfolg erst nach einer längeren Zeit eintritt und währenddessen eine nach § 226 tatbestandsmäßige schwere Folge bestand. Damit das hier bestehende eigenständige Unrecht des § 226 StGB zum Ausdruck kommt, wird Tateinheit angenommen.[225] Streitig sind Fälle, in denen das Tötungsdelikt nur versucht, das Körperverletzungsdelikt hingegen vollendet wurde. Die frühere Rechtsprechung nahm auch in diesem Fall ein Zurücktreten des Körperverletzungsdelikts hinter dem versuchten Tötungsdelikt im Wege der Gesetzeskonkurrenz an.[226] Die Literatur vertrat hingegen die Meinung, dass es aus Klarstellungsgründen angemessen sei, den Umstand des vollendeten Körperverletzungsdelikts im Schuldspruch neben dem versuchten Tötungsdelikt zum Ausdruck zu bringen.[227] Dieser Ansicht folgt seit den 1990er Jahren auch der BGH.[228] Uneinheitlich wird die Frage der Konkurrenz außerdem in den Fallkonstellationen beantwortet, in denen die Intensität der Verletzung das zur Tötung erforderliche Maß übersteigt,[229] so z.B., wenn der*die Täter*in erst nach oder während einer fortgesetzten Misshandlung das Opfer tötet.[230] Zum Teil wird angenommen, dass auch hier das Körperverletzungsdelikt hinter dem Tötungsdelikt zurücktritt.[231] Das zusätzlich verwirklichte Unrecht sei bereits abschließend durch die Mordmerkmale sowie § 212 Abs. 2 StGB erfasst. Eine andere Ansicht differenziert und will Tateinheit nur in den Fällen annehmen, in denen die Körperverletzung einen selbstständigen Unwertgehalt verwirklicht, welcher durch die §§ 211 ff. StGB nicht voll erfasst wird.[232]

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Ebenfalls kompliziert ist das Verhältnis zu den 2017 neu gefassten §§ 113, 114 StGB (vgl. dazu auch → BT Bd. 4: Stephan Barton, Widerstand gegen die Staatsgewalt, § 20 Rn. 120 ff.). Während § 113 StGB nach h.M. wie bislang die individuellen Rechtsgüter der Vollstreckungsorgane[233] nur neben dem Gewaltmonopol des Staates in Form der Autorität konkreter Vollstreckungsakte schützt,[234] ist § 114 StGB nun praktisch ein Körperverletzungstatbestand: Nach zutreffender Auffassung schützt die Norm vor allem das individuelle Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit der Vollstreckungsbeamten*Vollstreckungsbeamtinnen und ihnen gleichgestellter Personen.[235] Dies führt zu erheblichen Abgrenzungsproblemen gegenüber den §§ 223 ff. StGB, zu denen kein Stufenverhältnis besteht. Trotz der sich überschneidenden Rechtsgüter setzt § 114 StGB – anders als die Körperverletzungsdelikte – kein Erfolgsunrecht voraus, ist also einerseits weiter, verlangt aber andererseits eine Diensthandlung einer bestimmten Berufsgruppe. Zur Klarstellung des Verletzungserfolges ist bei gemeinsamer Erfüllung beider Tatbestände daher Tateinheit anzunehmen. Gleiches gilt, wenn § 114 StGB mit einem Versuch des § 224 StGB zusammenfällt.[236] Werden die Qualifikationen der §§ 224, 226 StGB hingegen vollendet, tritt der strafschärfende Aspekt des Angriffs auf Vollstreckungsbeamte*Vollstreckungsbeamtinnen in den Hintergrund, sodass § 114 StGB verdrängt wird.[237]

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