Читать книгу Rückkehr zu Gott - Jörg Gabriel - Страница 24

I. Wanderprediger

Оглавление

Das Ideal der vita evangelica und apostolica, bisher vor allem als Armut innerhalb eines zönobitischen oder anachoretischen Mönchslebens verstanden, wurde nun um einen neuen Gesichtspunkt erweitert. Aus dem Ideal des Eremiten- oder Mönchsleben bildete sich ein neues religiöses Ideal, welches dieses

„als aktiver Impuls aufrüttelnd umgestaltete: das Ideal der vita apostolica in einem neuen Sinn, des apostolischen Wirkens in der Welt und auf der Welt statt nur im Kloster oder im Eremus.“140

Das Ideal bestand darin,

„wie Christus und die Apostel von Ort zu Ort zu ziehen, um das Reich Gottes zu verkünden, und keine Stelle sein eigen zu nennen, wohin man sein Haupt legen konnte.“141

Die Wanderprediger agierten oftmals ausdrücklich im Auftrag eines Bischofs oder auch des Papstes.142 Das bedeutete allerdings nicht, dass deren Wirken immer im Einklang mit der Kirche endete.143 Das in der gregorianischen Reform grundgelegte Ideal der Armut und der apostolischen Wanderschaft wurde auch zum Wegbereiter für manche von der Kirche als häretisch verurteilten religiösen Bewegungen.144 Ihre Anhänger betrachteten sich mitunter als besonders erwählt und erleuchtet. Deshalb lehnten sie die institutionelle Kirche mit ihren Lehren, Ämtern und Sakramenten ab. Sie lehrten eine geistig-mystische Überhöhung des einzelnen Menschen, der beispielsweise von Gott nicht mehr abhängig sei.145

Die ersten Wanderprediger traten Anfang des 12. Jahrhunderts auf, gleichzeitig mit antikirchlich manichäischen Predigern. Die Verkündigung der kirchlich gesinnten Prediger war sehr erfolgreich. Vor allem die Laien, die in der Welt lebten und arbeiteten, fühlten sich mehr zu dieser missionarisch-evangelikalen Lebensweise hingezogen. Nicht nur in der auf Innerlichkeit konzentrierten monastischen Klostergemeinschaft außerhalb der Welt, sondern auch durch missionarischen Dienst in der Welt wird die vita apostolica verwirklicht. Deshalb schlossen sich den Wanderpredigern, aber ebenso den sog. Ketzerpredigern, zahlreiche Frauen und Männer an und zogen mit ihnen durch Stadt und Land. Besonders hoch war der Frauenanteil. Das erregte jedoch öffentliches Ärgernis beim Klerus und auch bei manchen einfachen Gläubigen: „Vor allem die Beteiligung von Frauen an diesem neuartigen apostolischen Leben hat hier … das Einschreiten der Kirche herausgefordert.“146 Aus diesem Grund wurden manche Wanderprediger schließlich zu Ordensgründern. Denn

„nur solche apostolische Wanderprediger haben im Gefüge der kirchlichen Ordnungen Anerkennung ihres Wirkens gefunden, die – sei es auf Weisung der Kirche, sei es aus eigenem Entschluss – durch die Begründung von Klöstern, Kongregationen, Orden für ihre Anhängerschaft eine neue stabile Lebensform schufen.“147

Wanderprediger, die sich nicht der kirchlichen Ordnung anpassten und sich weigerten, den Frauen und Männern, die mit ihnen zogen, in Klöstern ein geregeltes Leben zu schaffen, hat die Kirche dagegen mit aller Schärfe als Ketzer verfolgt.148 So forderte Bernhard von Clairvaux beispielsweise, dass man Ketzer, die weder geständig noch überführt werden könnten, nach Geschlechtern getrennt zu Gemeinschaften zusammenschließen solle, in denen sie ihre Keuschheitsgelübde gemeinsam und unter Aufsicht erfüllen könnten, ohne wie bisher Anstoß zu erregen.149 Wer sich jedoch diesem Vorgehen widersetze, „der dürfe mit vollem Recht als Ketzer aus der Kirche ausgestoßen werden.“150

Als Ketzer wurde also zunächst einmal nicht der verurteilt, der eine wirkliche Irrlehre verbreitete, sondern der einen Lebensstil führte, der der kirchlichen Ordnung widersprach. Wer sich nicht in das Gefüge der kirchlichen Ordnung einzuordnen schien, der galt als Ketzer.151

Rückkehr zu Gott

Подняться наверх